Waschbären in Berlin: Ein dickes Fell
Wo es viel Futter gibt und gute Verstecke, ist er nicht weit weg. Der Waschbär ist ein Zuwanderer, dem es fast schon zu gut gefällt in der Großstadt.
Und er lebt längst nicht nur im ländlichen Raum, sondern erobert nach und nach auch die Städte. In Berlin gibt es nach einer Schätzung der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt bereits mehrere Hundert Exemplare. Tendenz steigend.
Städte sind äußerst attraktive Wohnräume für Waschbären, die ursprünglich im nord- und mittelamerikanischen Auenwäldern heimisch waren, sagt die Biologin und Waschbär-Expertin Carolin Weh. Zur Pelznutzung und zu Jagdzwecken wurden die Kleinbären im vergangenen Jahrhundert nach Deutschland gebracht und sind teils aus den Pelzfarmen entwischt, teils ausgewildert worden.
In der Nähe von Menschen finden die Waschbären viel Futter und gute Verstecke. Und das ist eigentlich schon alles, was ein Waschbär braucht, um glücklich zu sein. „Den werden wir nicht mehr los“, sagt Weh, die sich mehrere Jahre wissenschaftlich mit den Tieren beschäftigt hat und nun im Auftrag der Senatsverwaltung eine Hotline und eine Vor-Ort-Beratung anbietet.
Leichtes Futter
In der Stadt leben Waschbären in einem kleineren Revier als auf dem Land, da sie leichter Futter finden: süßes Obst, Abfälle, aber auch Regenwürmer, Vogeleier, Frosch- und Krötenlaich – der Waschbär frisst fast alles und ist ständig auf Nahrungssuche.
Und er ist dabei sehr geschickt. Er dringt in Hinterhöfe ein, plündert Mülltonnen und Obstbäume, gräbt Rasenflächen um, klettert an Fallrohren hinauf und macht sich im Dachstuhl ein Schlafquartier oder bekommt dort sogar Junge. An Dachisolierungen kann der Schaden mitunter richtig teuer werden.
Waschbären, die auch in der Stadt geboren werden und aufwachsen, lernen andere Dinge als jene, die im Wald aufwachsen. Sie lernen zum Beispiel, in Wohnhäuser einzudringen und dort die Essensvorräte zu plündern. Der Wildtierbiologe Frank-Uwe Michler der Fachhochschule Eberswalde ist sich sicher, dass das ein Problem ist, das Berlin noch vor sich hat. Michler hat vor knapp zwanzig Jahren den Versuch wissenschaftlich begleitet, die Waschbärpopulation in Kassel auszurotten. Kassel ist schon seit Längerem die Waschbärenhauptstadt des Landes.
Sein Fazit: „Jagd auf den Waschbären zu machen ist nicht sinnvoll.“ Sie müssen in Städten aufwendig in Fallen gefangen und dann getötet werden. Und wenn Waschbären merken, dass in ihrem Revier noch Platz für weitere Tiere frei geworden ist, bekommen sie einfach häufiger und mehr Junge. Die Maßnahmen erhöhen also die Zahl an unerwünschten Wurfplätzen, reduzieren aber nicht die Anzahl an Tieren. So die erfolglose Bilanz nach diesem Versuch. Seiner Meinung nach sei es aber dagegen relativ leicht, ein friedliches Miteinander von Mensch und Tier zu erreichen.
Carolin Weh kann auf dieses Wissen zurückgreifen, wenn sie Anrufern erklärt, dass es nichts bringen würde, den Waschbären zu fangen oder gar zu töten. Wir müssen lernen zu verstehen, wie der Waschbär tickt, was ihn anzieht und was ihn abschreckt. Waschbären können hervorragend klettern, aber auch sie brauchen einen Aufstieg.
Das können Fallrohre, Hausbewuchs oder ein nah am Gemäuer stehender Baum sein. Fallrohre und Bäume können mit Platten oder Manschetten versehen werden. Bewuchs kann vor dem Dach getrimmt werden. Klettern können sie sehr gut, springen allerdings nicht. Daher verhindert ein niedriger Elektrozaun das Eindringen der Tiere in einen Garten. Langes Gras lässt sich außerdem weniger gut umgraben als kurzes. Niemals sollte Hunde- oder Katzenfutter draußen länger stehen bleiben. Das lockt die Tiere ebenso an wie leicht zugängliche Abfalleimer und Essensreste auf dem Kompost.
Waschbärensichere Häuser
Fangen und wegschaffen darf Carolin Weh die Waschbären jedoch nicht. Werden beispielsweise Junge im Gartenhaus oder auf Dachböden entdeckt, dann muss abgewartet werden, bis diese groß genug sind und ausziehen. Danach sollte das Haus waschbärensicher gemacht werden, damit nicht der nächste einzieht. Manche Menschen fühlen sich alleingelassen und wollen sich selbst helfen, so Carolin Weh.
Sie weiß von Fällen, in denen Menschen, die Tiere selber fangen und erschlagen. Genauso weiß sie auch von Menschen, die die Tiere täglich füttern, um sie dabei zu beobachten. Weh kann den Impuls, die hübschen Tiere beobachten zu wollen, verstehen, muss dann aber darüber aufklären, dass wilde Tiere ihr Futter selbst suchen müssen und sie ihre Scheu vor Menschen zu ihrem eigenen Schutz brauchen.
Manchmal haben AnruferInnen aber auch einfach eine Begegnung mit einem Tier, die sie verunsichert. „Einmal hat mich eine Frau angerufen und gesagt, da sei ein verängstigter Waschbär vor ihrem Haus auf einem Baum“, erzählt Carolin Weh. „Der musste ich einfach nur erklären, dass Waschbären gut klettern können, aber Angst bekommen, wenn Menschen zu dicht an sie herankommen. Ich habe die Frau also einfach gebeten, zurück ins Haus zu gehen und den Waschbären sich selbst zu überlassen.“
Problematisch für das Image des Waschbären ist außerdem, dass er seit 2016 auf der EU-Liste für invasive Arten geführt wird. Viele Menschen nehmen ihn deshalb noch schädlicher wahr, weil er anders als ein Marder nicht in die deutschen Ökosysteme gehört. Es stimmt, dass Waschbären Vogeleier, Frosch- und Krötenlaich und die Amphibien selbst fressen. Es ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt, dass Waschbären einen negativen Einfluss auf die Biodiversität haben. Und aus unseren Ökosystemen verschwinden werden sie sowieso nicht mehr.
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