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Was wird mehr wert?

■ betr.: „Mehrwertsteuer familien freundlich...“, taz vom 8. 8. 96

Alles altbekannt: So was gibt es schon in anderen Ländern, eine „sozialverträgliche“ Verteilung von Lasten und Nutzen ist nicht erwartbar, eher die Stopfung unübersehbarer Finanzlöcher. Zudem erscheint die Meldung (noch) im Sommerloch und damit bereits zu signalisieren, daß seitens der Regierungsparteien keine ernstgemeinten Absichten dahinterstecken, außer vielleicht, die Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, daß die Garantie eines Ausschlusses der Mehrwertsteuererhöhung als Beitrag zur Konsolidierung der völlig maroden Staatsfinanzen ihrerseits nicht so ernst gemeint war.

Wenn man aber näher hinsieht und den Rahmen weitersteckt, gewinnt der Vorschlag andere Dimensionen. Wer es ernst meint mit Vorschlägen einer (ökologischen) Steuerreform, muß sich auch diese Idee näher ansehen, denn es zeigen sich unübersehbare Schwierigkeiten, die insbesondere von den Bündnisgrünen entwickelten Handlungskonzepte mit den Belastungen in Einklang zu bringen, die als Nebenzwecke mit den Steuerungswirkungen der Reform verknüpft werden. Damit stellen sich in erster Linie Verteilungsprobleme weniger von Nutzen als von den Kosten der Reform. Erwartbare Steuermindereinnahmen sollen durch zusätzliche Quellen überkompensiert werden, wobei die Belastung weder für „Otto NormalverbraucherIn“ noch – möglichst – die besonders ins Auge gefaßten Unternehmen betreffen resp. schädigen sollen. Will man die energie-(verbrauchs-)bezogenen Wirkungen der Ökosteuerreform nicht durch die notwendige Bereitstellung zusätzlich verteilbarer Finanzmittel unmöglich machen, muß man sich mit anderen Quellen beschäftigen.

Sicherlich: Die Unternehmenssteuerreform wird damit zunächst ausgeblendet. Zunächst heißt dabei jedoch einerseits, daß dafür gesorgt werden müßte, daß sie auch kommt (was eine alleinige Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern in der Lage wäre), während es andererseits aussichtslos zu sein scheint, die Unternehmenssteuerreform durchzuführen, ohne eine Veränderung der Verbrauchssteuern vorzunehmen.

Es ist also mehr als nur eine taktische Notwendigkeit, die unüberbrückbare Verknüpfung der Teilreformen offensiv anzugehen – angesichts des Potentials der derzeitigen „Sommerloch“-Diskussion allerdings gerade angezeigt, dieses Junktim der Reformen in die politische Auseinandersetzung auch einzuführen. Dabei scheint es dann egal, welche Reihenfolge zu bevorzugen wäre, wenn die Aussicht besteht, Ansätze zu schaffen, um zumindest etwas „Intelligenz ins System“ zu bringen. Markus Timmermeister,

Mitglied von Bündnis 90/

Die Grünen, Osnabrück

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