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Was in den Parteiprogrammen stehtFeministischer Wahlcheck

Von Union, AfD und BSW ist keine feministische Politik zu erwarten. Aber wie viel bieten die Programme von Linken, Grünen, SPD und FDP für Frauen?

Da ist nicht viel feministische Politik drin: Tasche von FDP-Chef Christian Lindner Foto: Florian Gaertner/imago

In feministischen Blütezeiten leben wir nicht gerade. Dennoch hat die Frauenbewegung Standards erkämpft, hinter die auch die meisten Parteien nicht mehr zurückfallen. Was sie in ihren Wahlprogrammen anbieten:

Schutz vor Gewalt

Um Frauen besser vor Gewalt zu schützen, wollen SPD, Grüne und Linke eine „Ja heißt Ja“-Regelung einführen und die Istanbul-Konvention konsequent umsetzen. Hilfe für Gewaltbetroffene fordern alle drei Parteien, aber nur bei der Linken steht, dass diese kostenlos sein soll.

Die Linke fordert darüber hinaus „verpflichtende Fortbildungen für Polizei und Justiz“. Es ist die einzige Partei, für die der Gewaltschutz von Frauen Vorrang vor dem Umgangsrecht von Vätern hat. Die Linke hebt sich zudem von den anderen Parteien ab, weil sie findet, dass „Gewalt und sexuelle Belästigung“ auch ins Arbeitsschutzgesetz gehören.

Für den Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen, den SPD, Grüne und Linke schon lange fordern, hat der Bundestag inzwischen ein Gesetz beschlossen, das dafür 2,6 Milliarden Euro vorsieht. Die FDP, bei der überhaupt nur ein einziger Satz zu Gewalt gegen Frauen im ganzen Programm steht, schlägt eine „Online-Plattform für verfügbare Frauenhausplätze“ vor. Die gibt es längst.

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Die Grünen wollen den Einsatz von K.-o.-Tropfen und KI-generierter Nacktbilder bestrafen und regen einen Betroffenenrat für häusliche Gewalt an. Sie und die SPD sprechen sich für elektronische Fußfesseln aus, ein staatliches Repressionsinstrument, dem die Linke laut einer Expertin der Partei eher kritisch gegenübersteht.

Die SPD fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften für häusliche Gewalt, will Catcalling unter Strafe stellen und Täter zu Anti-Gewalt-Trainings verpflichten. In den Entwürfen von Grünen und FDP fand sich kein Wort zu Täterarbeit oder aggressiver Männlichkeit. Eine taz-Anfrage dazu ließ die Pressestelle der Grünen unbeantwortet.

Das finale Programm der Grünen beinhaltet nun aber den „Ausbau von Täterarbeit“, ebenso den Begriff „Femizide“, den auch das SPD-Programm nennt und den man bei der Linkspartei trotz vieler Gegenmaßnahmen offensichtlich vergessen hat. Die Grünen haben auch an den Ausbau von Angeboten für Gewaltbetroffene mit Behinderung und Sprachbarriere gedacht.

Schutz für geflüchtete Frauen

Geflüchtete Frauen besser vor Gewalt schützen, wollen auf den ersten Blick alle außer der FDP. Wer genauer hinschaut, bemerkt: Bei den Grünen würden nur diejenigen Frauen, deren Status vom gewalttätigen Partner abhängt, einen „eigenständigen Aufenthaltstitel“ bekommen.

Die SPD formuliert nebulös, sie wolle das „Aufenthaltsrecht praxistauglicher“ ausgestalten. Einen sofortigen und sicheren Aufenthalt für Gewaltbetroffene fordert nur die Linkspartei. Sie will auch das Selbstbestimmungsgesetz, das bisher nur für deutsche Staats­bür­ge­r*in­nen gilt, auf geflüchtete Menschen ausweiten.

Gegen „Zwangsheirat und Genitalverstümmelung“ will sich die FDP einsetzen. Die Grünen halten zumindest in der Theorie am Konzept der „feministischen Außenpolitik“ fest, sie wollen Frauen, Mädchen sowie marginalisierte Gruppen weltweit stärken. Sie sind die Einzigen, die sich explizit gegen „Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung“ einsetzen und ein Bleiberecht für die Opfer wollen. Unklar ist, inwiefern dies mit ihren aktuellen Forderungen nach einer restriktiveren Migrationspolitik zu vereinen wäre.

Arbeit, Geld und Steuern

Was die Wahlversprechen finanziell bedeuten, hat die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet. Bedenkt man, dass Frauen mit 60 Prozent die Mehrheit der Geringverdienenden ausmachen, und betrachtet die unterste Einkommensgruppe, die bis zu 10.000 Euro brutto im Jahr verdient, bietet die Linke die stärksten Entlastungen. Mit ihr hätte diese Gruppe 4.125 Euro brutto mehr. Die SPD bietet 268 Euro mehr und die Grünen 119 Euro. Die FDP will den Ärmsten sogar noch 289 Euro wegnehmen.

Alleinerziehenden – auch das sind zu 80 Prozent Frauen – wollen alle Parteien durch Steuererleichterungen unter die Arme greifen. Aber den 30 Prozent von ihnen, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen, bringt das nichts.

Gegen den Gender Pay Gap planen alle außer der FDP, das Entgelttransparenzgesetz weiterzuentwickeln. Die Grünen wollen Gehaltsangebote in Stellenausschreibungen transparent machen – eine gute Idee, die ohne Verpflichtung die wenigsten Unternehmen umsetzen dürften. Sexarbeit betrachten nur die Grünen als Arbeit und wollen deren Bedingungen verbessern, durch mehr aufsuchende Hilfe und zugleich durch strengere Kontrollen von „Prostitutionsstätten“.

Mit der Abschaffung des Ehegattensplittings und der Senkung der Normalarbeitszeit auf 32 Stunden, also der 4-Tage-Woche, macht die Linke die grundsätzlichsten Vorschläge, um die Ungleichheit der Geschlechter, besonders bei Paaren, zu reduzieren.

Laut Studien wie der gerade vom DGB veröffentlichten rührt diese vor allem daher, dass Mütter mehr Sorgearbeit leisten als Väter. Arbeitszeitverkürzungen würden Vätern ermöglichen, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern, Frauen könnten in der Zeit mehr Geld verdienen. Das würde ihre Altersarmut reduzieren sowie insgesamt die Abhängigkeit von Partnern, die auch häusliche Gewalt begünstigt.

Selbstbestimmung und Körper

Grüne und Linke wollen die Geburtshilfe stärken. Die Linke ist hier am ausführlichsten, sie will wohnortnahe Geburten mit ausreichend Personal ermöglichen. Bei SPD und FDP taucht das Stichwort nur im Kontext von „Totgeburten“ auf. Für diese Fälle hat der Bundestag gerade einen gestaffelten Mutterschutz beschlossen.

Alle vier Parteien finden, dass Schwangerschaftsabbrüche kostenfrei sein sollten. Außer der FDP sind sich alle einig, dass diese außerhalb des Strafrechts geregelt werden müssen. Die Liberalen schreiben, dass Paragraf 218 reformiert werden soll, aber nicht, wie. Eine Reform, die auch die Mehrheit der Gesellschaft will, haben die Liberalen diese Woche im Bundestag blockiert.

Die Linke fordert als einzige Partei, dass „sämtliche Verhütungsmethoden“ von der Krankenkasse bezahlt werden, die Grünen nur „ärztlich verordnete“, die SPD will bei dem Thema bloß „Datenlücken“ schließen. Die Linke schlägt zudem kostenlose Menstruationsprodukte vor, SPD, Grüne und FDP nicht. Und wie will die Linke all diese Maßnahmen finanzieren? Durch höhere staatliche Einnahmen, zum Beispiel durch Vermögens- und Erbschaftssteuern.

Familie und Sorgearbeit

Die Grünen und die Linken finden, künstliche Befruchtung sollte allen Menschen offenstehen, auch Ledigen. Laut der Linken sollte das teils von den Kassen bezahlt werden. Im Programm der SPD kommt keine künstliche Befruchtung vor. Regenbogenfamilien gleichstellen wollen SPD, Grüne und Linke. Die Grünen ergänzen, dass Menschen „jenseits einer Ehe rechtlich verbindlich füreinander sorgen“ können sollten.

Die SPD will dafür ein Pflegegeld für diejenigen einführen, die sich um Angehörige kümmern. Sie will als einzige Partei die Zahlung des Elterngelds von 14 auf 18 Monate verlängern. Die Linke will den Mindestsatz erhöhen, die Grünen den Mindest- und den Höchstsatz, die FDP eine vereinfachte Beantragung mithilfe von KI. Die Linke schlägt nach der Geburt eines Kindes 28 Tage Elternzeit für den zweiten Elternteil vor, damit die Sorgearbeit in einer Familie vom ersten Tag an gerecht verteilt werden kann.

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13 Kommentare

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  • "...und betrachtet die unterste Einkommensgruppe, die bis zu 10.000 Euro brutto im Jahr verdient, bietet die Linke die stärksten Entlastungen. Mit ihr hätte diese Gruppe 4.125 Euro brutto mehr."



    Das halte ich für einen Irrtum oder kann mir jemand erklären, wie das gehen soll?

  • Lange Zeit, bevor von Neuwahlen die Rede war, konnte man den Eindruck bekommen, dass die Linke gar nicht mehr existiert.... zumindest war der Anteil in der Berichterstattung auffallend gering.

    Umso mehr freue ich mich mal detailliert zu lesen, für welche Forderungen die von vielen schon tot geglaubte Partei konkret steht.



    Ist doch mal sehr erhellend für einzelne Schwerpunkte die Positionen der Parteien zu vergleichen.

  • "Um Frauen besser vor Gewalt zu schützen, wollen SPD, Grüne...." entweder man ist naiv oder war die letzten drei Jahre eingefroren, anders kann ich mir so ein Satz nicht erklären.

    Wenn es SPD und Grünen wirklich so wichtig wäre, wie manche gerne glauben, warum hat das Gewaltschutzgesetz über drei Jahre gebraucht um es einzubringen. In der Zeit hätte hunderten von Frauen geholfen werden können.



    Dann bringt man es ein im Wahlkampf und nutzt es um politisches Kapital daraus zu schlagen.



    Würde es die CDU besser machen? Vllt nicht, aber SPD und Grüne haben gezeigt, dass es ihnen auch nicht wichtiger ist als ein paar warme Worte zur rechten Zeit.

    Und während Grüne drei Jahre desinteressiere gezeigt haben, hat die SPD es noch viel länger gezeigt.

    Meine Hoffnung wäre die Linke, aber vor drei Jahren war meine Hoffnung SPD und Grüne. Der Ausgang ist bekannt.

    Und mir persönlich wäre es lieb und recht, wenn man die SPD und Grüne an ihren Taten nicht nach den Worten messen würde. Die Worte sind gut, aber so lange man sie nicht in die Verantwortung nimmt, solange werden sie den guten Worten keine Taten folgen lassen.

  • "Von [...] und BSW ist nach der Bundestagswahl keine feministische Politik zu erwarten. "



    Steile These!



    Haben Sie das Wahlprogramm des BSW gelesen?



    Z.B. zu Gleichberechtigung von Frauen und Männern, flächendeckende Bereitstellung von Kinderkrippen und Kindergartenplätzen, zu Gewaltschutz von Frauen, grundsätzliche



    Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche, Verhütungsmittel für Frauen und Mädchen kostenlos.

    • @BeKrue:

      Das wurde offensichtlich (absichtlich?) übersehen.

  • Klar, so viele Versprechungen vor der Wahl, und am Ende wird's wieder'n Satz mit X.



    Da muss ich die FDP fuer ihre Ehrlichkeit ja mal loben. Zumindest sagen sie gleich offen, dass Frauen und Maedchen fuer sie in der Gesellschaft nicht zaehlen.

  • Kann jemand mal "feministische Politik" genauer definieren?

    • @Ahnungsloser:

      Wie waere es damit, den Artikel mal zu lesen?

    • @Ahnungsloser:

      Feministische Politik bezeichnet eine politische Haltung und Praxis, die sich für die Gleichstellung aller Geschlechter und gegen patriarchale Machtstrukturen einsetzt. Ihr Ziel ist es, gesellschaftliche Ungleichheiten und Diskriminierungen abzubauen, indem sie Geschlechternormen kritisch hinterfragt und transformiert, sowie strukturelle Barrieren für marginalisierte Gruppen aufzeigt. Feministische Politik versucht, Machtverhältnisse zu analysieren und zu verändern, sodass alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Hautfarbe, sozialer Herkunft oder anderen Merkmalen – gleiche Chancen und Rechte haben.

  • SPD, die mit dem Rassist als Kanzlerkandidat?



    Heute hat Olf Scholz den schwarzen CDU-Mann Chialo übelst rassistisch beleidigt, wörtlich „Jede Partei hat ihren Hofnarren“ gesagt und ihn als Feigenblatt der CDU bezeichnet.



    Bei jeder anderen Partei kämen jetzt Rücktrittsforderungen, hier liest man gar nichts darüber - warum eigentlich.



    So einen Rassisten will ich nicht als Kanzler.

    • @Hans Dampf:

      Äh - weil „Hofnarr" definitiv kein Rassistischer Begriff ist ???

    • @Hans Dampf:

      Wenn ich mir den Kontext dazu mal in diversen Artikeln durchlese, kann ich da nichts (übelst) rassistisches dran erkennen. Das Hofnarr bezog sich definitiv nicht auf die Hautfarbe, sondern auf die liberale Einstellung von Chialo, die ihn zum Außenseiter in seiner Partei und damit zum "Hofnarren" macht. Unglückliche Formulierung, aber gleich von rassismus auszugehen, nur weil Chialo schwarz ist, ist das eigentlich rassistische daran.

    • @Hans Dampf:

      Wie kann man dem Focus glauben? Der musste schon mehrfach sein SPD Bashing zurück ziehen.



      Das wird dieses Mal auch so sein. Was bitte ist rassistisch daran, jemanden als Feigenblatt oder Hofnarr zu bezeichnen? Wäre Hr. Chialo weiß, wäre das kein Aufreger. Wer ist hier eigentlich der Rassist?