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Was Videospiele mit Politik zu tun habenZeit, die Playstation wieder aufzubauen

Der Computerspiel-Klassiker Tetris ist wie die aktuelle Weltlage: deprimierend und unbezwingbar. Es muss die Möglichkeit zum Sieg geben.

Tetris: Man gibt sich Mühe Foto: imago

A n Tetris muss ich in diesen Tagen denken. An dieses Spiel auf dem Schwarz-Weiß-Bildschirm des grauen Game Boy, nach dem ich süchtig war, und dessen eingängiger Sound manchmal heute noch auftaucht, auf dem Nachhauseweg, unter der Dusche, bei der Arbeit, einfach so, ohne Vorwarnung, und dann zum Ohrwurm wird: dim, diri dim, diri dim, diri dim, diri dim, di rim dim dim dim dim.

Dieses blöde Spiel, bei dem man immer verloren hat, ganz egal, wie viel Mühe man sich gab, wie ehrgeizig und ausdauernd man dranblieb. Irgendwann wurden es einfach zu viele Balken, Quadrate, Ls und Ts, die viel zu schnell vom Himmel regneten, und man keine Lücke mehr fand, in die man sie geschickt reinfallen lassen konnte, um neuen Raum zu schaffen für neue Formen. Irgendwann quoll der ganze Bildschirm über und man hatte wieder einmal: verloren.

Wie die Spiele des glorreichen taz Panter FC kannte dieses Spiel nur ein Ende: die Niederlage. Wieso denke ich ausgerechnet jetzt an Tetris, an dieses dumme, ätzende, nervige Spiel?

Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen. Schon wieder. Dabei wurde doch so viel über Donald Trump und die Gefahren seiner Präsidentschaft geschrieben, gesprochen und davor gewarnt. Die Ampelregierung hat sich aufgelöst, im Februar wird auch in Deutschland gewählt. Im Moment aber lässt man sich lieber noch ein bisschen unterhalten von den Intrigen der Ampelmänner. Warum für Netflix bezahlen, wenn es dasselbe für umme und in echt gibt?

Ein Leben ohne Spiel? Unvorstellbar

Es ist wie eine kindliche Vermeidungsstrategie. Andererseits: Was bringt es, schon wieder vor der blaubraunen Gefahr zu warnen? Ohnehin zeigt die neue Leipziger Autoritarismusstudie doch: Rassistische Einstellungen nehmen in Westdeutschland zu, nähern sich dem Verbreitungsgrad in Ostdeutschland an. Und: Jeder fünfte Deutsche kann sich eine Diktatur vorstellen.

Man gibt sich Mühe. Man bleibt dran, konzentriert und ausdauernd und ehrgeizig. Aber der Bildschirm quillt halt über. Irgendwann hatte ich auf Tetris keinen Bock mehr und habe diesen hässlichen, unhandlichen und deprimierenden Game Boy in irgendeine Ecke geworfen. Aber ich wollte unbedingt weiterspielen. Ein Leben ohne Spiel konnte ich mir nicht vorstellen. Und ich wusste damals schon: Don’t hate the player, hate the game!

In einem großen Elektromarkt, der zur Jahrtausendwende die große Welt in mein Kaff brachte, habe ich dann das erste Mal einen Playstation-Controller in der Hand gehalten. Mit der Kreistaste dieses Controllers habe ich mein erstes Tor bei Fifa geschossen. Und ich habe gewonnen – mit meiner Lieblingsmannschaft, dem in allen Aspekten unterlegenen türkischen Erstligisten Beşiktaş, gegen irgendeinen europäischen Topclub, Barcelona oder Mailand.

Nach diesem Spiel habe ich viele weitere Spiele gewonnen. Ich habe auch verloren. Gar nicht so selten. Aber solange es die Chance gab, zu gewinnen, war es völlig okay zu verlieren. Wo der Game Boy heute ist, weiß ich nicht. Vielleicht liegt er auf einer einsamen Müllhalde. Meine erste Playstation habe ich natürlich aufbewahrt. Vielleicht sollte ich sie mal wieder aufbauen.

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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3 Kommentare

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  • Wer Tetris unbedingt gewinnen möchte, spielt Version B und vervollständigt das Orchester.



    Die Endlosversion ist dazu da, sich selbst zu übertreffen, sich freizumachen von Zielen, die andere einem gesetzt haben, die eigenen Fähigkeiten auszubauen.



    Oder eher, um in der meditativen Ausübung des Spiels diese Ziele im Hinterkopf zu etablieren.

    Siege sind nicht alles.



    Und der Weg ist das Ziel.

  • "Der Computerspiel-Klassiker Tetris ist wie die aktuelle Weltlage: deprimierend und unbezwingbar."



    Schlechter Vergleich. Tetris wurde vor etwas weniger als einem Jahr bezwungen.

  • Tetris spielt man nicht, um das Spiel, sondern um Abstand vom täglichen Leben zu gewinnen. (Und um zu sehen, welche Rakete am Ende in die Luft steigt, natürlich.)

    Außerdem: anders als im echten Leben kann man auf einem leeren Bildschirm immer wieder neu anfangen, unabhängig vom vorherigen Ergebnis. Wenn's das bei Politik mal gäbe ... gibt's aber nicht. Ständig hechtet man da den Altlasten der Vorgänger hinterher.



    Die einzige Analogie, die ich zwischen Tetris und echtem Leben herstellen würde, wäre das Beladen von Autos, Spülmaschinen, Koffern und anderen begrenzten Räumen mit Gegenständen aller Art.