: Was Urlauber nicht sehen
■ Amnesty dokumentiert Todesfälle und Folter in tunesischen Gefängnissen und ruft zu Protesten auf
Berlin (taz) — Als man Faisal Barakat auf die Wache brachte, hatte er nach Aussagen von Zeugen bereits schwere Folterungen erlitten. Man hatte ihn gefesselt hereingeführt, sein Gesicht war entstellt, seine Augen bluteten. Draußen auf dem Gang standen etwa 30 Mitgefangene, die später berichteten, sie hätten vier bis fünf Stunden lang gehört, wie jemand hinter der Tür geschlagen wurde und schrie. Dann wurde der leblose Körper zu ihnen auf den Gang geworfen.
Das war im Oktober 1991, die Wache befindet sich in der tunesischen Stadt Nabeul, die vielen deutschen Touristen ein Begriff sein dürfte. Bekannt wurde der Fall jetzt durch einen Bericht von amnesty international. Faisal Barakat war in der 1981 gegründeten islamistischen „Hizb an-Nahda“, der „Partei der Islamischen Wiedergeburt“ aktiv. Seit 1981 ringt diese Partei erfolglos um ihre Zulassung. Im Gegensatz zu ihrer algerischen Schwesterpartei FIS, die erst nach ihrem Wahlsieg von der Junta verboten wurde, mußte An-Nahda daher stets in der Illegalität arbeiten.
Schon seit ihrer Gründung wurden die Mitglieder der Organisation verfolgt. Dabei bediente sich der tunesische Staat zunehmend brutaler Methoden. Mutmaßliche Aktivisten werden nicht nur auf das schlimmste mißhandelt, sondern die Polizeibehörden versuchen auch, durch Folter Informationen über die informelle Struktur der islamistischen Organisation von den Gefangenen zu erpressen. So zum Beispiel in einem anderen von amnesty international dokumentierten Fall. Am 24. Oktober 1991 wurde der ohnehin schon von der Folter gezeichnete Rachid Chammakhi in Fesseln von dreißig Polizisten durch die Stadt Sliman geführt. Er sollte auf Häuser zeigen, in denen An-Nahda-Mitglieder wohnen. Vier Tage später wurde Chammakhi von Augenzeugen in einem Krankenhaus erkannt. Sein Körper war von Wunden und Prellungen bedeckt, und er konnte nur noch mit Mühe sprechen. In der folgenden Nacht starb er.
Er war einer von neun Menschen, die laut amnesty 1991 in Tunesien durch Folter getötet wurden. Die tunesische Regierung hat bestritten, daß Chammakhi gefoltert wurde, im Falle von Barakat behauptete sie sogar, er sei nie verhaftet worden. Er sei bei einem Autounfall gestorben. Den Zynismus der Regierung übertraf nur die tunesische Nachrichtenagentur: „Sollten Mitglieder der sogenannten Bewegung An-Nahda vielleicht phosphorisierende Armbänder tragen, damit Autofahrer ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken können?“, hieß es in einer unlängst veröffentlichten Verlautbarung. K.G./N.C.
Amnesty International ruft in einer „urgent action“-Kampagne dazu auf, Protestbriefe zu beiden Fällen in tunesischen Gefängnissen auf deutsch oder französisch an folgende Adresse zu richten: Seine Exzellenz President Zine Al Abidine Ben Ali, President de la Republique, Palais Presidential, Tunis/ Carthage, Tunesien
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