: Beschissene Banknoten
Und andere Geldgeschichten aus Kindersicht
VON GABRIELE GOETTLE
Katharina und Christoph sind Zwillinge. Zum Zeitpunkt des Gespräches waren sie neun Jahre alt, inzwischen sind sie zehn. Sie wohnen in einem kleinen mittelhessischen Dorf im Marburger Land. Drei Generationen leben unter einem Dach. Ihr Vater (44) arbeitet als kaufmännischer Angestellter eines großen Traditionsunternehmens. Ihre Mutter (43) ist examinierte Krankenschwester, hat sich aber nach der Geburt der Kinder aus dem Berufsleben zurückgezogen und arbeitet als Hausfrau. Zusätzlich pflegt sie seit vielen Jahren die nach zwei Schlaganfällen bettlägerig gewordene Schwiegermutter (84). Die Schwiegermutter und Oma der Kinder wuchs in diesem Haus als Kind von Kleinbauern auf. Sie hat später die Eltern bis zu deren Tod gepflegt. Ihr Mann (77), der Opa der Kinder, war Müllergeselle und ist heute eine unverzichtbare Stütze der Hausfrau. Er kocht und übernimmt viele Arbeiten in Haus, Garten und Hühnerstall.
Wir gehen hinauf ins Spielzimmer und nehmen im Schneidersitz Platz. Die Kinder haben sich nicht vorbereitet auf unser Gesprächsthema, wirken aber sehr animiert und aufmerksam.
Gabriele Goettle: Erzählt mir was über das Geld.
Katharina: Also das Geld ist jetzt nicht nur wertvoll für die Familie, ich brauche es auch, um Essen zu besorgen und Kleidung. G: Und wo kommt das Geld her? K: Das Geld kann man kaufen, oder bekommen bei der Arbeit, wenn man beispielsweise Verkäuferin ist. Christoph: Aber vorher wird es hergestellt bei der Bank, das wird da draufgedruckt aufs Papier oder draufgepresst auf so ein Geldstück. Aber manche nutzen das auch zum Drucken von Falschgeld und bezahlen damit im Geschäft. K: Ja aber wenn die das merken, muss der ins Gefängnis. G: Habt ihr eine Ahnung, wie das Geld aussieht? Beide: JA! K: Der 5-Euro-Schein ist so etwas grünlich. Ch: Graugrün. K: Ja, und da sind auf beiden Seiten solche ganz feinen Muster und ein Bild von so einer alten Statue, so einem Tor. Manchmal sind auch Unterschriften drauf, von dem, der das gemacht hat. Ch: Und Silberstreifen, damit es echt ist. K: Auf dem 1-Euro-Stück sind Adler drauf. Ch: Auf dem 50-Cent-Stück das Berliner Tor. K: Und auf der Vorderseite, das bedeutet eigentlich immer Europa. G: Habt ihr eine Idee, wozu die Bilder gut sind? K: Vielleicht, damit es schöner oder wertvoller aussieht. Ch: Oder dass man sie nicht so gut abfälschen kann.
G: Wie alt wart ihr, als euch zum ersten Mal Geld aufgefallen ist? Ch: Mit drei Jahren habe ich mal den Geldbeutel von der Mama aufgemacht und das Geld rausgeholt. Die Mama hat es gleich weggenommen und gesagt: MIT GELD SPIELT MAN NICHT! K: Ich glaube, mir ist das Geld mit vier oder fünf aufgefallen, als Mama da im Einkaufscenter an die Kasse gegangen ist. Da waren eine Menge Sachen im Wagen, und sie hat dann nur so einen Papierschein dafür hingegeben. Ch: Mir ist das auch aufgefallen, da habe ich gedacht, merkwürdig, dass man nicht so viel bezahlen muss, wie im Wagen ist. K: Ich habe gedacht, das ist ja nur Papier, was ist da dran wertvoll? Und dann bekommt die Mama auch noch Münzen zurück. Dann haben wir uns daran gewöhnt. Wir hatten mal hier einen Kaufladen zum Spielen, so einen kleinen. Ch: Ich hab gerne Kaufmann gespielt. K: Das Schöne daran war, dass man auch mal richtig das Leben von den Verkäuferinnen erfährt. Und zu den Stofftieren kann man sagen … Ch: Mister Wieslie ist jetzt hier und braucht dies und das. K: Und das ist dann zum Beispiel im Angebot. Wir haben uns einfach abgepiepst mit der Kasse und das Geld eingenommen. Oder wir haben gespielt, dass der Bagger 50 Euro kostet. In echt kostet so ein kleiner Spielzeugbagger aber nur 6 Euro. Wir haben uns einfach Preise ausgedacht, wir wussten ja noch nicht, was das alles wert ist. Ich fand das gut, die Waren zu verkaufen. Ch: Den größten Spaß hat mir gemacht, den Kaufmann zu spielen, und wenn eine Bekannte einkauft, dann kann man das abpiepsen und das Geld bekommen, das verlangt wird.
G: Und nun seid ihr ja älter und kennt einige Preise. Was kosten Lebensmittel? K: Ein Brot kostet 1,50 Euro. Eier haben wir selber. Ch: Ein Liter Milch kostet 8 Euro? 1 Euro? K: Ein Kilo Kartoffeln 2,50 Euro, Butter einen Euro. Ch: Käse und Wurst kosten auch noch mal 5 Euro. G: Und findet ihr, sie sind das Geld wert? K: Na ja, sagen wir mal – Brot. Das ist doch sehr viel mehr wert als so ein 5-Euro-Schein. Ch: Die meisten Sachen sind billig. Nur Computer nicht. K: Oder ein Pferd, das kostet zum Beispiel 3.000 Euro und ein reinrassiges Turnierpferd, das kostet dann schon 10.000 Euro oder was. Und das finde ich jetzt entsprechend, weil das Pferd ist ja fast wie ein Mensch. Das Geld würde ich dann schon geben. Aber nur, wenn das Tier nicht krank oder schwach ist, denn ich will ja ausreiten oder Turniere reiten. Ch: Aber es gibt auch billigere Tiere, Chamäleon zum Beispiel. K: Wir sparen aber, wir müssen noch warten. Denn, sagen wir mal, wenn ich jetzt schon Tiere habe, dann bin ich ja auch der Eigentümer und bin verantwortlich für das Huhn oder für die Katze oder für das Pferd. Da muss ich mich dann auch drum kümmern und es gut füttern und pflegen. Ch: Weil sonst kann man das Tier nicht kaufen und zu sich nehmen, denn wenn man sich nicht kümmert, dann wird es vielleicht sterben; und dann ist man selber schuld und hat sein Geld verschwendet. G: Um welche Tiere hier kümmert ihr euch? Ch: Um die Hühner. K: Um die Hühner und um die Katze. Die Hühner sind zahm, sie kennen uns von Anfang an. Ein Huhn heißt jetzt Feline und das kommt immer zu mir, das würde ich nicht verkaufen, auch nicht verschenken. Ch: Aber wenn Hähne ausschlüpfen und ich habe schon einen Hahn, dann würde ich mich, wenn sie größer sind, schweren Herzens davon trennen, weil sie sich ja nicht vertragen. K: Ihn aber nur in solche Hände geben, wo wir wissen, er wird nicht geschlachtet und hat es gut. Denn das bricht einem das Herz, wenn man’s weggeben muss.
G: Das ist in einer Hühnerfarm mit 40.000 Hühnern alles anders. Wozu eigentlich so viele? Ch: Also das bringt Geld. Wenn die Hühner so viele Eier legen, dann können sie die dem Markt geben und verkaufen lassen. K: Ich finde das nicht so gut. Ich würde die nicht in so einer Halle einsperren, wo sie dann kein Licht und kein Gras haben und das Futter auch nicht so gut schmeckt. Wir werfen unseren immer Gras rein und frischen Löwenzahn, und die können das genießen. Ch: Sie bekommen gutes Futter und nicht Fischmehl, denn sonst schmecken die Eier nach Fisch. Da muss man dann schnell ein Brötchen hinterher essen gegen den Geschmack im Mund. G: Weshalb Fischmehl? Ch: Weil Körner mehr Geld kosten. Der Besitzer will ja viel Geld verdienen, eine Million.
G: Weshalb? Ch: Weil wenn man eine Million hat, kann man sich alle Sachen kaufen. Millionäre können sich alles kaufen. K: Da hat man vielleicht Glück, oder auch nicht, weil man mit viel zu viel Geld auch wieder unglücklich ist. G: Weshalb? K: Weil die Ärmeren nichts haben. Ch: Aber dann kann er denen vielleicht die Hälfte seiner Million abgeben na, zum Beispiel wenn’s fünf Familien sind, eine halbe Million durch fünf teilen. G: Aber dann hat er immer noch die Hälfte für sich alleine, ist das nicht schlecht geteilt? K: Nein, es ist ja seins. Er kann auch alles behalten, wenn er will. Er hat das Geld vielleicht gespart und braucht für seine Frau und seine Kinder noch was. G: Wie lange muss jemand, der normal Geld verdient, sparen, bis er eine Million hat? K: Schätzungsweise 20 Jahre. Ch: Oder 100 Jahre. Aber ich will gar keine Million sparen. Das viele Geld ist nicht so gut, weil man sich dann streitet. In der Schule war mal einer, der hatte ein ganz normales Hustenbonbon, und er hat von einem anderen 10 Euro dafür verlangt. Dann hat er schnell gesagt: EINS, ZWEI, DREI, TAUSCH VORBEI! Und dann hatte er 10 Euro für ein altes Hustenbonbon. Beim Streiten wegen Geld geht oft auch eine Freundschaft kaputt. Und die Freundschaft geht eigentlich immer kaputt, wenn man nicht fair teilt. Zum Beispiel auch, wenn man vier Schneebälle hergestellt hat, behält davon drei und der andere bekommt nur einen. Das ist ja auch ungerecht. K: Ja, eigentlich wäre es nicht schwierig, wenn alle gerecht teilen würden. Aber jetzt auf der Erde gibt es sehr viele Räuber, die dann einfach sagen, ich bekomme 80 Prozent, und du bekommst den kleineren Teil. Deswegen ist die Gerechtigkeit nicht so eingeteilt, wie’s eigentlich sein soll. Ch: Die Mama sagt immer zu uns: Teilen ist wichtig – aber fair teilen. K: Es soll jeder haben, was man braucht zum Leben, dann gibt es auch keinen Streit.
G: Und was braucht man zum Leben? Ch: Wasser, Essen, Kleidung, Schuhe, ein Haus, Möbel, Zahnbürste. K: Geld für die ganze Familie. G: Und wie bekommt eure Familie jetzt ihr Geld? K: Der Boss, der Chef von unserem Papa, der legt Geld auf einer Riesenbank ab, und der Chef direkt teilt dann zu an die, die für ihn gearbeitet haben. Ch: Und der Papa bekommt es dann von der Bank jeden Monat. Sie holen aber immer nur ein bisschen, wenn mal die Waschmaschine kaputt ist, falls man was einkaufen muss. G: Warum ist es auf der Bank und nicht zu Hause? Ch: Auf der Bank ist es sicher vor Räubern. G: Habt ihr schon mal einen Räuber gesehen? K: Ja. Die haben uns hier oben auf der Bahnstrecke die Schienen geklaut. Das war vorletztes Jahr, glaube ich, im Januar. Alle hier haben so einen Zettel bekommen in den Briefkasten, dass die Eisenbahnschienen abgebaut werden, weil da ja schon lange kein Zug mehr fuhr. Ch: Eines Tages sind wir hochgegangen zum Mittagsschlaf, haben uns ausgezogen und vor die Heizung gestellt, weil’s kalt war. Dann haben wir aus dem Fenster geguckt, was oben die Koppel macht, und da haben wir gesehen, dass da so ein Bagger war, der die Schienen rausgerissen hat. K: Das waren Männer in orangen Sachen. Die haben die Schienen abgeschweißt und einfach mit dem Kran auf so einen Hänger gelegt zum Abtransportieren. Ch: Vorher lagen sie noch auf so einem Stapel. K: Es hat zwei Wochen gedauert, dann waren nur noch fünf Meter Schienen da, die liegen noch. Ch: Dann hat unser Lehrer angerufen bei der Eisenbahn und hat sich beschwert. Die wussten davon aber nichts. So kam alles raus. Die Räuber haben die Schienen für ganz viel Geld auf einem Schrottplatz verkauft.
G: Gut, es gibt also viele erlaubte und viele verbotene Methoden, Geld anzuschaffen. Könnte man Geld auch abschaffen? Habt ihr eine Idee, wie man dann zu seinen Sachen kommt?
Ch: Man könnte zum Beispiel auch tauschen, was man NICHT braucht, gegen das, was man braucht. Das wäre viel besser, denn um Geld streitet man sich immer. Ich brauche sechs Hühner nicht mehr, einen Hahn brauche ich nicht mehr … K: Und der andere braucht ein Pferd nicht mehr, da könnte man doch einfach tauschen. Ch: Ja, aber der würde sagen, ein Pferd ist doch viel mehr wert. K: Das kann man nicht sagen, weil ein Huhn und ein Hahn, die machen ja auch Küken, und die Hühner legen Eier. Ch: Das stimmt. Jedenfalls, ich finde tauschen besser. Weil man kann ja auch mit Mehl, Steinen, Holz oder so tauschen. Wenn man zum Beispiel Mehl nicht mehr hat, von Holz aber ganz viel hat, dann kann man das tauschen mit einem anderen, der ganz viel Mehl hat, aber kein Holz. Oder wenn man Brot haben will, kann man ja ein Huhn mitbringen zum Bäcker und vielleicht drei Eier und es gegen Brot tauschen. G: Aber um das Brot herzustellen, braucht der Bäcker Getreide, Feuerholz, Salz? Ch: Das kann er ja gegen das Huhn und die Eier tauschen. G: Ja, aber es muss immer im Tausch ein Stück genommen werden, von dem man lebt. (Katharina schweigt und schaut skeptisch) Ch: Dann kann er ja die drei Eier essen. Oder zwei, dann hat er noch was zum Tauschen übrig. K: Also ich würde die Methode vorziehen, so wie es jetzt ist. Von dem Tauschen halte ich nicht so viel, denn das ist zu kompliziert! Weil wenn man ein Brot haben will gibt man ein Huhn weg, aber zum Brot braucht man ja auch noch die Butter und alles. Es ist ja egal, ob man sich von Eiern ernährt oder sonst was – aber jeden Tag Eier, das geht ja nicht! Ch: Ich sehe noch eine Möglichkeit: Wenn wir vielleicht zwei Hühner haben und eins hat Küken, und das andere hat schon ein paar hundert Eier gelegt, dann hat man ja noch mehr Eier und Küken. Die sind ja mehr wert als ein Brot! Und wenn sie Hühner sind, kann ich sie tauschen gegen ein Handy. K: Dann muss man die erst mal großziehen. CH: Ne! Doch! K: Erst mal großziehen, dann legen sie Eier, aber du musst sie füttern, womit fütterst du sie? Ch: Oh … das war falsch überlegt. K: Also ich würde das eher mit dem Geld vorziehen. Tauschen ist zu schwierig. Nehmen wir mal an, ich habe ein kleines Meerschweinchen und brauche unbedingt Medizin und Tee, weil mein Kind krank ist. Jetzt tausche ich das Meerschweinchen gegen Medizin und Tee, dann habe ich, was ich brauche, aber nichts auf Vorrat. Und das ist eben das Schlechte. Deshalb würde ich Geld vorziehen, um das zu kaufen, was ich brauche. (Christoph schweigt nachdenklich) K: Aber manchmal ist Geld vielleicht unnötig, und manchmal braucht man es. So ungefähr … dass es nicht nur das Tauschen gibt. Ch: Da stimme ich meiner Schwester zu, und das von mir war auch eine gute Idee, aber ich will mich nicht selbst loben …
G: Sind wir wieder beim Geld, das ja von einer Hand in die andere wandert. Nehmen wir mal einen 5-Euro-Schein. Was haben die, die ihn vorher hatten, vielleicht alles gemacht, um ihn zu kriegen?
Ch: Sie haben ihn vielleicht geklaut? Oder von der Bank abgehoben. K: Der eine hat ihn geschenkt bekommen oder geerbt. Vielleicht liegen irgendwo 5 Euro auf der Straße. Ch: Und einer hat ihn dann gefunden und hat sich gefreut. K: Aber wenn ihn niemand findet und es regnet, dann wird er sich auflösen. Ch: Dann wird er zu Matsch! K: Ja, weil er aus Papier gemacht ist. Und das Papier für das Geld wird ja aus Bäumen gemacht. Die geben ja Sauerstoff ab. Das ist ja eigentlich unlogisch, dass man daraus Geld macht, wo wir den Sauerstoff doch brauchen. Ch: (begeistert) Deshalb brauchen wir die Bäume, denn wenn es keine Bäume gäb, könnten wir nicht leben – und hätten kein Geld! K: Und so denkt man oft nicht daran, was dafür geopfert worden ist. Ch: Ein ganzer Wald. K: Ein Umweltfrevel.
G: Das ist ein interessanter Gedanke, aber ich bin nicht sicher, ob nicht vielleicht holzfreies Papier verwendet wird. Da müssen wir mal nachgucken. Vorhin sagtet ihr, dass ihr Geld spart. Wie macht ihr das?
K: Wir sparen Geld, indem wir, wenn wir mal was haben wollen, es NICHT kaufen. Ch: Oder nur was Kleines. K: Wenn man was Großes kaufen will, was viel kostet, muss man halt sparen vom Taschengeld. Das mache ich auch. Ich tu 2,50 Euro in die Ausgebe-Spardose, und 5 Euro spare ich. 7,50 Euro Taschengeld bekommen wir im Monat. G: Und gibt es Taschengeldstrafen? Beide: Nein. G: Gibt es Geldbelohnungen? K: Ja, manchmal 10 oder 11 Euro im Monat. CH: Aber nur vom Opa. Für eine Zwei bekommen wir 1 Euro, für eine Eins 2 Euro. Und zum Geburtstag und zu Weihnachten, wünschen wir uns auch Geld. K: Jeder, der zu Besuch kommt, Papas Geschwister oder der Cousin Rolf, alle geben uns jedes Mal 5, 10 oder 20 Euro. CH: Ich tu das meiste in die Spar-Spardose – wir haben ja eine Ausgebe-Spardose und die Spar-Spardose – und das wenigste gebe ich in die Ausgebe-Spardose. Weil ich will mir vielleicht, wenn ich groß bin, von meinem Geld einen Leguan, ein Chamäleon oder sonst so ein Tierchen kaufen. Deshalb spare ich mein Geld, weil ich meinen Traum verwirklichen will. K: Ich will auch meinen Traum verwirklichen, indem ich mir ein Pferd kaufe. Und das kostet ja sehr viel. Einen Sattel fürs Pferd brauche ich auch und Zaumzeug, Striegelzeug und alles.
G: Wie viel habt ihr denn schon gespart etwa? K: (etwas zögernd) Ungefähr 1.000 Euro sind auf dem Konto, bei jedem. G: Das ist viel! Ch: Ja, und es wird immer mehr, zum Beispiel wenn Geburtstag ist … K: Und wenn man sich Geld wünscht … Ch: dann bekommt man vielleicht 10 Euro von jedem Kind, und wenn man elf Kinder eingeladen hat, dann bekommt man 110 Euro – wenn jeder 10 Euro mitbringt. G: So viel bringen die Kinder mit? K: Nein, 5 Euro. Manche haben auch noch Süßigkeiten. G: Ihr seid ja Zwillinge und feiert euren Geburtstag noch gemeinsam? Beide: Ja! G: Und ihr sagt den Kindern bei der Einladung einfach nur, bringt Geld und keine Geschenke? K: Das Geld IST das Geschenk. Ch: Ich sage das unter dem Namen: Ich wünsche mir lieber Geld als Spielzeug. Und dann fragt vielleicht das Kind die Mutter – wie viel soll ich denn der Katharina mitbringen? Und dann sagt die Mutter – das ist deine beste Freundin, dann bring ihr mal 15 Euro mit.
G: Ihr bekommt also ziemlich viel Geld geschenkt, das meiste davon spart ihr. Würdet ihr denn aus eurer Spardose zum Ausgeben auch mal Geld verschenken? Sagen wir mal, als Almosen, für einen Bettler auf der Straße?
Ch: Also wenn da so ein armer Mensch auf der Straße sitzt und bettelt, ja. Einen Euro – wenn er Musik spielt. G: Und wenn er gar nichts darbietet, nur bettelt? K: Ja, ich würde! Ch: Gut, wenn er hilflos ist … K: Wenn er einfach nur dasitzt, ohne alles, da hätte ich schon was gegeben. G: Warum eigentlich? K: Der hat vielleicht kein Zuhause, keine Decke, keine Familie und nichts, und Hunger hat er auch. G: Wenn er aber jetzt hingeht und versäuft das erbettelte Geld? K: Ahm … das geht dann eigentlich nicht. G: Warum? K: Weil, einfach so ausgeben für Alkohol … Ch: Zigarren oder so. G: Wenn ich Geld verschenke, dann wechselt es ja den Besitzer, dann ist es seins – und weil er erwachsen ist … K: Darf er damit machen, was er will. Ch: Leider. G: Er muss keine Gegenleistung erbringen. Würdet ihr ihm also, auch wenn er es versäuft, ein Almosen geben? Ch: (zögernd) Ja, ich würde es ihm vielleicht trotzdem geben. Weil, dann hat er trotzdem was zu trinken … K: (entschieden) Ja, vielleicht hat er lange schon keinen Schnaps mehr getrunken. G: Aber vielleicht ist er Alkoholiker und hat vorhin erst einen Schnaps getrunken? K: Dann hätte ich es ihm trotzdem gegeben. Ch: Man kann ja auch nicht sagen, gib mir das Geld zurück. K: Man kann nicht einfach sagen, ich habe dir einen Euro gegeben, du darfst das Geld aber nicht verschwenden. Ch: Musst was Gutes damit machen. G: Das wäre dann so, als könnte man Gutsein für einen Euro kaufen? K: (sehr entschieden) Nein, das geht nicht! G: Warum eigentlich nicht? K: Weil jeder hat ja eine andere Seele und Herz. Jeder ist so, wie er ist. Und man kann nicht einfach die Freiheit nehmen, also das fordern, was einer gar nicht kann. Und nicht will. Man kann nicht jemanden kaufen.
G: Oh, das war aber jetzt eine leidenschaftliche Rede! Zum Stichwort „kaufen“ möchte ich noch fragen. Es heißt ja: MIT GELD KANN MAN ALLES KAUFEN, stimmt das? K: Nein, nicht alles! G: Was denn nicht? Ch: (spontan) Man kann Gott nicht kaufen! K: Ja, und Arbeit kann man sich auch nicht kaufen … Ch: Gute Noten …
G: Das überzeugt. So, jetzt zum Abschluss und sozusagen zur Entspannung könntet ihr gemeinsam ein selbst erfundenes Märchen erzählen, ein Geldmärchen. Jeder erzählt immer ein kleines Stückchen, und wenn er nicht mehr mag oder weiterweiß, erzählt jeweils der andere. Natürlich nur, falls ihr noch Lust habt? Beide begeistert: Ja! Ch: Ich hab eine, darf ich anfangen? K: Fang du an. Wir trinken alle noch einen Tee, dann machen wir es uns wieder im Schneidersitz bequem. Ch: Ja, das soll zwar kein Rotkäppchen sein, aber ein Wolf kommt vor. Also: zehn 100-Euro-Scheine, alles Brüder, wollen weg aus Geldstadt. Es ist ihnen da zu eng. Und deshalb wandern sie zusammen in den Wald. Sie waren aber noch nie weg von zu Hause und haben keine Ahnung. Sie laufen so durch den Wald bis zum Abend und kommen an einer Pilzhütte vorbei. Sie klopfen und sagen: Können wir reinkommen und hier übernachten? Sagt der Pilzbewohner, der Mistkäfer: Ja, aber ihr könnt nur für eine Nacht bleiben, weil hier ein Wolf rumschleicht. Und der hat Lust auf euch, weil ihr so wertvoll seid. Also versteckt euch gut hier, sonst findet er euch, und dann werde ich auch gefressen. Am nächsten Tag gehen die zehn 100-Euro-Scheine durch den Wald, bis sie müde sind.
Der Älteste war zuerst müde und er hatte so Angst vor dem Wolf, dass er sich in die Hose gemacht hat. Mittags kamen sie an einem Grashalm vorbei, der ganz hoch war. Aber sie fanden keine Tür. Ganz oben haben sie aber ein schönes Burgfräulein gesehen, und sie haben gefragt: Wie können wir dich befreien?!? Und sie sagte: Gar nicht! Aber der Älteste, der sich in die Hose geschissen hatte, rief: Ich rette dich, meine Prinzessin. Er kam hochgeklettert, wurde aber sofort eingesteckt vom bösen Wolf, der die Prinzessin gefangen gehalten hat. Aber als der Wolf den Beschissenen in seiner Tasche hatte, rief er: Pah! Der stinkt aber gewaltig. So einen Schein will ich nicht haben. Und er hat ihn vom Grashalm runtergeworfen. Der Älteste ist schnell den anderen neun 100-Euro-Scheinen hinterhergelaufen und hat immer gerufen: Stopp, wartet auf mich! Alle waren froh, dass er wieder da war. Abends kamen sie an ein Waldfee-Pilzhaus. Sie klingelten, und die Waldfee machte gleich auf. Sie sagte: Kommt herein, ich will euch nichts tun. Dann gingen sie hinein, aber der Wolf war schon da und hat einen gleich geschnappt. Es war wieder der Beschissene. Die anderen liefen davon. Der Wolf sagte: Wäh! Dich will ich nicht, ich möchte die anderen. Schnell lief er wieder hinter seinen Brüdern her. Es war schon dunkel, und sie suchten eine Unterkunft für die Nacht. Bald kamen sie zu einem Fliegenpilz. Sie klopften also wieder an und fragen: Können wir hier für eine Nacht bleiben? Sagt die Bewohnerin, eine Schmeißfliege: Ja, kommt rein. Ihr könnt hier zehn Stunden bleiben, aber länger nicht. Weil der Wolf kontrolliert uns hier alle zehn Stunden. Nach zehn Stunden waren die 100-Euro-Scheine gut ausgeruht und haben sich wieder auf den Weg gemacht … (Katharina meldet sich energisch) Ch: Jetzt du!
K: Dann wanderten sie viele Stunden weiter durch den Wald. Gegen Abend trafen sie eine ältere Frau. Eine Eintagsfliege. Sie fragten: Wo wohnen Sie denn? Wir sind müde, wir sind den ganzen Tag gewandert, der Wolf ist hinter uns her, wir wollen einen Unterschlupf haben für die Nacht. Da sagte die Eintagsfliege: Kommt mit, ich bringe euch zu meinem Zuhause. Die Eintagsfliege flog fort. Da riefen die Euro-Scheine laut hinterher: He! Wo willst du denn hin?! Wir können doch gar nicht fliegen! Da machte die Eintagsfliege kehrt und kam wieder herunter. Sie sagte: Entschuldigung. Das ist einfach meine Angewohnheit. Ich fliege ja immer. Und dann nahm sie die zehn 100-Euro-Scheine, die sich zusammengerollt hatten, auf ihren Rücken und flog mit ihnen hoch zu ihrem Haus. Ihr Mann war da und begrüßte die Gäste, dann sagte er: Ihr könnt leider nur eine Stunde bleiben, weil ja der Wolf uns Eintagsfliegen jede Stunde kontrolliert. Sie blieben eine Weile, aber der Wolf kam etwas früher, und sie mussten sich verstecken.
Der Wolf kam rein und sagte: Was ist denn das hier?! Hier riecht es ja so schlecht. Habt ihr Besuch gehabt? Die Eintagsfliegen zitterten vor Angst und sagten: Nein. Der Wolf sagte: Das ist ja nicht auszuhalten, da geh ich schnell wieder. Und er ging. Der älteste 100-Euro-Schein hatte sich vor Aufregung schon wieder in die Hose gemacht, und das war sein Glück. Die Scheine bedankten sich und wanderten zusammen weiter durch den Wald. Auf einer kleinen Wiese fanden sie ein Schaf, das zufällig in einem Portemonnaie wohnte. Das Schaf sagte: Kommt mit! Und als sie ankamen, waren da überall 10-Euro-Scheine, 50-Euro-Scheine. Überall staken sie drin. Sie riefen: Guckt mal, da ist ja unser Vater und unsere Mutter, unser Onkel und unsere Oma, und da ist der Opa und dort die Tante! Mein Gott, ist das viel! Wenn man das zusammenrechnet! Aber die großen Scheine sagten: Tschüs! Erstens sind wir alle Brüder, und zweitens wollen wir nicht von anderen kleineren Scheinen beobachtet und berechnet werden!
Christoph ruft aus: Jetzt ich! Katharina erlaubt es, und er fährt fort.
Ch: Dann war es Nacht, und der Mond schien hell. Da heulte auf einmal der Wolf, und kurz darauf machte der Fuchs ein Geräusch. Vor Schreck stolperten die Scheine in ein Mauseloch. Dort drückten sie auf die einen Millimeter große Klingel. Da kam eine kleine Bisamratte raus und fragte: Woher habt ihr denn meine Adresse? Was wollt ihr von mir? – Wir brauchen Unterschlupf, sagten die Scheine, und wir bitten dich, uns aufzunehmen. Da sagte die Bisamratte: Ja, aber ihr könnt nur elf Stunden bleiben, sonst kommt der Wolf … äh … meine Schwester erzählt doch besser. K: Ihr könnt nur 30 Minuten bleiben. Nach 30 Minuten wanderten sie weiter durch den Wald. Irgendwann kamen sie an eine finstere Höhle. Sie gingen vorsichtig hinein. Oh, ist das gruselig, sagte der älteste Geldschein. Aber die anderen sagten: Lasst uns mal weitergucken … CH: Sie gingen weiter und guckten sich um. Überall hingen Spinnweben. Plötzlich sahen sie ein Feuer, und über dem Feuer hing ein Suppentopf. Als sie näher ans Feuer gingen, sprang plötzlich der Wolf aus einer dunklen Ecke. Er hat geblasen, und – bum! – lagen alle Scheine auf dem Boden. Der Wolf versuchte, sie mit einem Streichholz anzuzünden. Aber der, der sich immer in die Hose geschissen hat, war plötzlich mutig und rief: Lass meine Brüder in Ruhe, sonst kacke ich dir ins Gesicht. Und er ist ihm direkt vor die Nase gesprungen. Der Wolf machte einen Schritt zur Seite und landete direkt in seinem Suppentopf. Die Geldscheine hat sein Heulen nicht gestört. Sie haben das Feuer noch heißer gemacht und umgerührt. Dann gab es Wolfssuppe. Danach haben sie in Ruhe ausgeschlafen, und am nächsten Tag haben sie sich auf den Weg nach Hause gemacht. Die Tiere im Wald waren alle froh, dass der Wolf tot war. Die zehn 100-Euro-Scheine mussten viele Tage marschieren, dann kamen sie wieder nach Geldstadt. Dort sind alle Häuser aus Geld. Sie haben erzählt, was sie erlebt hatten. Und der Älteste sagte: Das war mal ein schönes Abenteuer. Und wenn sie heute noch leben … K: Nein, nicht aufhören … Ch: Dann sind sie nicht gestorben.
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