■ Warum Frauenpolitik in dem Wahlkampf 1998 keine Rolle spielte: Claudia Nolte – wir danken dir
Kein Zweifel. Bundesfrauenministerin Claudia Nolte wird in die Geschichte dieses Wahlkampfs eingehen. Wenn auch als unrühmliche Gestalt. Aber was hat die Ostfrau Provokantes getan? Hat sie gefordert, alle prügelnden Ehemänner von der Polizei aus der Wohnung holen und für konsequente sieben Tage aus ihrem Heim verbannen zu lassen – wie in Österreich? Oder will sie endlich die Väter an die Wickeltische locken, indem an betreuende Elternteile lukrative 90 Prozent des Nettogehalts gezahlt werden – ähnlich wie einst in Schweden? Nein, nein, frauenpolitisch ist auf unsere Claudia Verlaß. Sie geriet nur versehentlich mitten ins Wahlkampfgetöse, sie hatte treuen Herzens die Steuererhöhungspläne der regierenden CDU ausgeplaudert.
Und die Genossinnen von der SPD? Sie verbündeten sich zu Beginn des Wahlkampfs mit Berühmtheiten wie Senta Berger und Sabine Christiansen und forderten vollmundig „eine andere Politik“ – und sehr konkret: eine weibliche Bundespräsidentin. Danach war nicht mehr viel von dem Bundespräsidentinnenbündnis zu hören. Keine Namen wurden lanciert, keine Kandidatinnen in Stellung gebracht. Denn es war ja unglücklicherweise Wahlkampf, und da können sich die SPD-Frauen doch nicht mit SPD-Männern anlegen.
So wurde der einzige weibliche Vorstoß von der designierten SPD-Frauenministerin Christine Bergmann auf Bitten der Wahlkampfzentrale lautlos abgebrochen. Sie hatte gewagt, öffentlich zu fordern, was die SPD-Fraktion mehrheitlich beschlossen hat: nicht länger automatisch steuerlich die Ehen zu begünstigen, bei denen nach konservativem Modell der eine viel und der andere besser gar nichts verdient.
Können wir wenigstens nach der Wahl damit rechnen, daß eine SPD-geführte Bundesregierung den Kohl/Nolteschen Stillstand in der Frauenpolitik aufbricht? Die Anzeichen sind schwer zu deuten, sind doch etliche der unspektaktuläreren sozialdemokratischen Frauenforderungen bis heute noch nicht einmal in sozialdemokratisch regierten Bundesländern mehrheitsfähig. Ein Beispiel von vielen: Gerhard Schröders Schattenbundesfrauenministerin Christine Bergmann will die Vergabe öffentlicher Aufträge an Betriebe nach erfolgreichem US-Vorbild an die Auflage Frauenförderung knüpfen. Doch hat mit Ausnahme Brandenburgs kein SPD-(mit-)regiertes Bundesland diese Auflagen bisher je eingeführt. Auch nicht Berlin, das Bundesland, in dem Bergmann schon seit Beginn der 90er Jahre als Frauensenatorin arbeitet.
Und wo blieben die Grünen, früher auch für frauenpolitische Provokationen gut? Die grünen Frauen haben schöne Konzepte vorgelegt, um Beruf und Familie vereinbar zu machen und das Verarmen von Familien mit Kindern oder von Rentnerinnen zu verhindern. Im Wahlkampf haben sie es mit diesen Fleißarbeiten nicht zu Schlagzeilen gebracht. Und nach einem rot-grünen Wahlerfolg stehen sie als erstes vor dem Problem, daß sich zwei grüne Herren nach Ministerposten drängeln werden.
Wie erklärt sich die frauenpolitische Mattheit in diesen Wahlkampfzeiten? Erstens: durch die Männer? Das wäre zu einfach und ist doch auch wahr. Wenn dem sozialdemokratischen Herausforderer Schröder der Ausstieg aus der Atomkraft schon schwerfällt, mit dem Ausstieg aus dem Patriarchat hat er gar nichts am Hut. Zweitens liegt die Lauheit an diesem Wahlkampf selbst, in dem alle extrem darauf bedacht waren, wenig Konkretes verlauten zu lassen.
Und die Frauen? Nicht nur die Frauenpolitikerinnen waren lau, auch von einer außerparlamentarischen Lobby war nichts zu sehen. Die namhaften Frauen, die sich mit SPD-Parlamentarierinnen zum Bündnis zusammentaten, haben außer einer Unterschrift nichts weiter verlauten lassen.
So bleibt für den positiven Ausblick nur festzuhalten, daß Claudia Nolte mit ihren ehrlichen Sätzen über die Steuerpläne der CDU/CSU vielleicht doch noch eine frauenpolitische Wirkung erzielt hat. Egal, wer gewinnt, wenigstens sie dürfte uns als Ministerin künftig erspart bleiben. Barbara Debus
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