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Warnstreiks zur Regierungskrise

■ Solidarnosc ruft gemeinsam mit den offiziellen Gewerkschaften zum Streik auf / Führende polnische Oppositionelle bringen die Koalition mit den Kommunisten unter Führung von Solidarnosc ins Gespräch

Warschau (ap/dpa/taz) - Mitten in der polnischen Regierungskrise hat die Gewerkschaft Solidarnosc am Freitag mit einem einstündigen Warnstreik in Danzig die amtierende Regierung herausgefordert. Unterdessen haben sich die führenden Solidarnosc-Parlamentarier Bronislaw Geremek und Adam Michnik für eine Regierungszusammenarbeit mit den Kommunisten ausgesprochen. Damit kontrastieren sie die in Warschau laufenden Verhandlungen zwischen Solidarnosc und Bauernpartei, die auf Betreiben des Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa in Gang gekommen waren.

Mit der Arbeitsniederlegung, die auch von der offiziellen Gewerkschaft OPZZ unterstützt wird, will Solidarnosc wirtschaftlichen und politischen Forderungen Nachdruck verleihen. So soll der Lohnausgleich für die jüngsten drastischen Preissteigerungen erhöht werden. Fallen soll das staatliche Monopol für den Ankauf und die Verteilung landwirtschaftlicher Produkte. Das Nomenklatura-System, das nur loyalen PVAP-Leuten zum Aufstieg in Spitzenpositionen verhilft, soll ebenfalls beseitigt werden. Außerdem fordern die Streikenden, den Termin für die nächsten Kommunalwahlen, die erstmals auf völlig demokratischer Basis stattfinden, vorzuverlegen.

Unterdessen haben sich Michnik und Geremek am Rande eines Treffens mit Papst Johannes Paul II. für eine Koalition mit den Kommunisten unter Führung des Bürgerkomitees Solidarnosc ausgesprochen. Der Fraktionsvorsitzende Geremek sagte, was der Solidarnosc bisher angeboten worden sei, nämlich eine Beteiligung an einer von den Kommunisten gelenkten Regierung, wäre nur eine Fortsetzung des bisherigen Regimes. Der Wahlerfolg der Solidarnosc habe die kommunistische Partei erschreckt und frustriert. „Aber wir hoffen“, fuhr Geremek fort, „daß dies nur eine zeitweilige Reaktion ist, und wir sind bereit, eine Koalition mit allen Reformkräften unter Einschluß der Reformer in der kommunistischen Partei zu bilden.“ Michnik wurde mit den Worten zitiert: „Die einzige Regierung, die in den Augen des polnischen Volkes als glaubwürdig erscheinen kann, ist eine, die von Solidarnosc in einer Koalition mit allen Reformkräften des Landes einschließlich der Reformer der Kommunistischen Partei geleitet wird.“

Die polnischen Kommunisten stehen derweil mit dem Rücken zur Wand. Die von der Solidarnosc-Bewegung getragene Opposition verstärkte - parallel zu den Vorschlägen von Michnik und Geremek - ihre Bemühungen, die Kommunisten mit Hilfe der Vereinigten Bauernpartei (ZSL) von der Macht zu verdrängen. Die ZSL demonstrierte durch entsprechende Gespräche ihre Offenheit nach beiden Seiten.

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