Warnstreiks im Öffentlichen Dienst: Ein langer Arbeitskampf droht
Bundesweit legten über 20.000 Beschäftigte in Kitas oder Kliniken kurzzeitig die Arbeit nieder. Sie fordern 5 Prozent mehr Lohn. Von den Arbeitgebern kam bisher kein Angebot.
22.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben sich laut Ver.di am Mittwoch an Warnstreiks beteiligt. Gestreikt wurde in Kitas, Stadtverwaltungen und bei der Müllabfuhr in Bayern und Baden-Württemberg sowie in kommunalen Krankenhäusern bundesweit. Die Warnstreiks sind eine Reaktion auf die am Montag gescheiterte zweite Verhandlungsrunde der Tarifpartner, bei der die Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt hatten.
Die Gewerkschaften fordern insgesamt 5 Prozent mehr Lohn, das entspräche laut Ver.di 4,5 Milliarden Euro Mehrausgaben für Bund und Kommunen im Jahr. Ver.di-Chef Frank Bsirske begründete die Forderung in der ARD damit, dass in der Wirtschaftskrise "gegengesteuert" und Kaufkraft geschaffen werden müsse. Nicht klar ist, wie sich die 5 Prozent auf die einzelnen Teilforderung verteilen sollen und wie hoch die Lohnerhöhung genau sein soll. "Wir verzichten bisher bewusst darauf, die Lohnerhöhung zu erläutern, weil wir ein Gesamtpaket vorgelegt haben und dieses als solches verhandeln wollen", sagte der Verhandlungsführer des Deutschen Beamtenbundes, Frank Stöhr, der taz.
Neben einer Lohnerhöhung fordern die Gewerkschaften eine Verlängerung der Altersteilzeit, die verbindliche Übernahme von Auszubildenden für mindestens 24 Monate, außerdem sollen die Aufstiegsmöglichkeiten erleichtert werden. "Seit vier Jahren haben wir es nicht geschafft, eine neue Eingruppierung der Beschäftigten zu schaffen", sagte Stöhr. Jetzt sei es an der Zeit, eine ordentliche Grundbezahlung der Beschäftigten sicherzustellen. Die Gewerkschaften kritisierten, dass die Arbeitgeberseite noch kein Angebot vorgelegt hat. Thomas Böhle, der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände, sagte der taz, er könne sich vorstellen, dass es zur dritten Verhandlungsrunde am 10. Februar ein Angebot geben werde. Die Forderung der Gewerkschaften seien angesichts der schwierigen Haushaltslage der Kommunen deutlich zu hoch. Eine verpflichtende Übernahme der Auszubildenden lehnt Böhle ab: "Die Kehrseite davon ist ja, dass sich Arbeitgeber dann überlegen werden, wie viele Auszubildende sie einstellen können, wenn sie sie anschließend übernehmen müssen."
Auch die Verlängerung der Altersteilzeit, wie sie die Gewerkschaften fordern, hält er nicht für sinnvoll: "Damit werden uns Fachkräfte verloren gehen", meint er. Das Argument, dass die Kassen der Kommunen leer seien, will Ver.di nicht gelten lassen: "Die Steuerumverteilungspläne der Regierung zeigen doch, dass Geld da ist", sagte Achim Meerkamp, der Verhandlungsführer von Ver.di. Es sei Aufgabe des Bundes und der Länder, sich um die Finanzierung der kommunalen Haushalte zu kümmern.
Bis zum kommenden Montag wollen die Gewerkschaften mit den Warnstreiks fortfahren. Am Donnerstag wird der Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen liegen, dort wird vermutlich auch der öffentliche Nahverkehr und die Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf betroffen sein. Der Streik an den kommunalen Krankenhäusern soll weitergehen. Am Mittwoch hatten sich laut Ver.di 250 von 700 kommunalen Krankenhäuser an den Warnstreiks beteiligt und eine Notbesetzung eingesetzt. Dringende und lebenswichtige Operationen seien damit sichergestellt. Dort, wo mit Schnee- und Eisglätte zu rechnen ist, werde der Streu- und Winterdienst vom Warnstreik ausgenommen, um Verkehrsgefährdungen auszuschließen.
Die Gewerkschaften scheinen mittlerweile davon auszugehen, dass es auch in der dritten Verhandlungsrunde Ende kommender Woche keine Einigung geben wird. "So, wie die Arbeitgeber sich verhalten, werden sie wohl kein akzeptables Angebot vorlegen", sagte Meerkamp. Es sei wahrscheinlich, dass es eine Schlichtung geben werde. Auch diese garantiere aber nicht, dass es zu einer Einigung kommen werde. "Wenn es in den Nachfolgeverhandlungen dann auch keine Einigung geben wird, wird es einen langen Arbeitskampf geben", prophezeite er.
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