piwik no script img

Wandern auf dem Weg der Wege

■ Auf den Spuren mittelalterlicher Pilger ins spanische Santiago de Compostela

Noch vor wenigen Jahren war es gar nicht so einfach, nähere Informationen über den eigentlichen Verlauf des mittelalterlichen Jakobsweges, des „Camino de Santiago“, wie ihn die Spanier nennen, zu bekommen. Dem interessierten Pilger oder Touristen standen höchstens einige ältere, vergriffene Abhandlungen aus der Mediävistik zur Verfügung, um die genaue Route dieser, neben der nach Rom und Jerusalem wichtigsten Pilgerstraße des Mittelalters mühsam zu rekonstruieren. Mit ein wenig Glück stieß man vielleicht auf die Anschriften der auch in Deutschland erstaunlich zahlreichen Jakobsgesellschaften oder aber auf eine alte Edition des „Codex Calixtinus“, eines in Latein verfaßten, detaillierten „Pilgerführers“ aus dem 12. Jahrhundert. Mittlerweile ist der „Camino de Santiago“ sozusagen touristisch erschlossen und wie ein Wanderweg deutlich ausgeschildert.

Mitten im spanischen Bürgerkrieg hatte der nachmalige „Führer Spaniens von Gottes Gnaden“ den Apostel Jakobus wieder zum Landespatron und den 25. Juli zum Nationalfeiertag erklärt. Diese symbolische Handlung war ein weiteres Mosaiksteinchen in Francos Kult des Mittelalters, seiner bewußten Anknüpfung an die Tradition der Reconquista. Franco stellte seinen Putsch gegen die legitime spanische Regierung als eine „cruzada“, einen Kreuzzug gegen die „ungläubigen“ Republikaner in Madrid dar, und da paßte das Bild des „Santiago Matamoros“, des heiligen Jakobus als Maurentöter wie die Faust aufs Auge.

Die Pilger aus den unterschiedlichsten Gegenden Europas wählen auf ihrem Weg nach Santiago eine der vier Hauptrouten, die sich wie Adern durch Frankreich ziehen und in Richtung Südwesten immer näher kommen, bis sie sich schließlich im navarresischen Puente la Reina zu einer Hauptader, dem „Camino Francés“ vereinen. Zu diesem wichtigsten, noch immer über 800 Kilometer langen Teil des Weges ans Ende der damaligen Welt (Finisterre) ist im Conrad Stein Verlag ein Wegbegleiter für den modernen Pilger erschienen. Als Autor zeichnet der in Norspanien lebende Baskenland- Spezialist, Historiker und Romanist Michael Kasper, der sich seit mehreren Jahren auch mit baskischer Geschichte beschäftigt und zu diesem Thema für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft die erste umfassende deutschsprachige Monographie geschrieben hat.

Michael Kasper ist den „Camino Francés“ in Etappen abgewandert und hat in seinem Reiseführer eine unglaubliche Fülle nützlicher und sinnvoller Daten über Jakobsherbergen, Fahrradwerkstätten, Apotheken, Öffnungszeiten von Museen und wichtigen Sehenswürdigkeiten oder auch Informationen zu ornithologisch interessanten Gebieten zusammengestellt. Für den Wanderer und Pilger unersetzlich sind die detaillierten Wegbeschreibungen, Karten und Tips zur Reiseausstattung. Wer nicht davor zurückschreckt, die beschwerliche Reise auf dem Weg der Weg zu Fuß oder per Rad zurückzulegen, der sollte keinesfalls auf Kaspers handliche, wandererfreundlich leichte und nichtsdestotrotz übersichtliche Beschreibung verzichten. Mit diesem Reiseführer im Gepäck wird er von der Originalroute kaum abkommen und auf der Suche nach Wegweisern weder auf staubigen Pfaden noch im sumpfigen Gelände herumirren. Klaus Jetz

Michael Kasper: „Der Weg ist das Ziel“. Conrad Stein Verlag, 1996, 157 Seiten, 22 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen