piwik no script img

Walpurgisnacht in Berlin-WeddingNie, nie, nie wieder Miete

Organize-Demo im siebten Jahr: Im Wedding protestieren Tausende gegen Gentrifizierung und kapitalistische Verwertungslogik.

Walpurgisnacht in Berlin-Wedding: Parteifahnen suchte man auf der Demo vergeblich Foto: dpa

BERLIN taz | Noch bevor sich die Demo um 17 Uhr in Bewegung setzte, konnten die TeilnehmerInnen sich mit einem bunten Kaleidoskop an Flyern Berliner Bewegung eindecken. Von der Lause bis zur Liebig34 waren viele Inititiativen und Projekte in den Wedding gekommen, um an diesem 30. April gegen Verdrängung, Rassismus und Kriminalisierung zu demonstrieren. Waren zu Beginn der Veranstaltung nur etwa 1.500 Menschen auf der Straße, wuchs deren Zahl noch erheblich an – nach Angaben der Polizei auf 2.000, die Veranstalter vermeldeten 4.000 Protestierende.

Parteifahnen suchte man auf der Demo vergeblich. Während die Insignien kurdischer, gewerkschaftlicher oder antifaschistischer AktivistInnen willkommen waren, wünschten die OrganisatorInnen keine Vereinnahmung durch die offizielle Politik. Das Polizeiaufgebot war auf der gesamten Strecke vergleichsweise hoch.

Das auf der Route liegende Amtsgericht Wedding glich während der Zwischenkundgebung dort einer Festung. Bei Vorkontrollen wurden Platzverweise ohne erkennbaren Anlass ausgesprochen. In der heißen Mobilisierungsphase fanden in den vergangenen Tagen mehrere politische Kieztouren statt, ein Familien- und Kinderfest, aber auch Filmvorführungen und letzte Netzwerktreffen. Auf diese Weise wollten die OrganisatorInnen des breiten Bündnisses AnwohnerInnen und politisch Aktive für die Anliegen der Demonstration sensibilisieren.

Zu dem das ganze Jahr über aktiven Bündnis gehören unter anderem Mietenkampfinitiativen wie „Zwangsräumungen verhindern“ und „Hände weg vom Wedding“. Dazu kamen von Verdrängung bedrohte Hausgemeinschaften, aber auch die syndikalistische Basisgewerkschaft FAU, der kurdische Verband Nav-Dem und die Berliner Obdachlosenhilfe. Letztere bietet unter anderem am Leopoldplatz einem „kriminalitätsbelasteten Ort“ niedrigschwellige sozialarbeiterische Unterstützung für die sich dort aufhaltende Trinkerszene an.

Kiez mit Aufwertungstendenz

Genau dort schloss sich am Montag der „Kids Block“ der Demo an. Mit bunten Luftballons geschmückte Kinderwagen, begleitet von Familien, bildete für den Rest der Strecke den Abschluss des Zuges. An mehreren Stellen auf dem Weg wurde mit Redebeiträgen vor allem die Vertreibung unliebsamer BewohnerInnen und Gäste des Kiezes angeprangert.

Die taz am 1. Mai

Einst war es die taz, die auf taz.de anlässlich des 1. Mai den Liveticker erfand, auf dem wir permanent berichten, was geschieht: In Reportageschnipseln, nachrichtlich und über Skurriles am Rande des Geschehens. Auch in diesem Jahr liefern Reporter*innen Texte, Analysen und Aktuelles für unseren Liveticker.

In diesem Jahr haben wir unser Angebot um ein Versuchsprojekt ergänzt, das es so noch nie gab: Mit der ganztägigen taz-#Maischalte, der größten Livestream-Konferenz der Republik. Was das soll, erklärt Martin Kaul im Hausblog.

Der gesamte Kiez rund um die Müllerstraße und auch den Bereich Gesundbrunnen sind Brennpunkte der durch Aufwertungsinteressen bedingten Verdrängung ökonomisch schwächerer BewohnerInnen. Selbst das zuständige Quartiersmanagement Pankstraße beobachtet, dass sich der für die Ermittlung des Verkehrswertes von Immobilien maßgeblich Bodenrichtwert in den vergangenen fünf Jahren versechsfacht hat.

Der insgesamt friedliche Verlauf der Demonstration wurde wiederholt durch Provokationen gegen kurdische TeilnehmerInnen gestört. Vom Straßenrand wurde dabei der Gruß der türkischen Faschisten gezeigt. Pünktlich um 19 Uhr endete die Demonstration planmäßig am U-Bahnhof Osloer Straße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen