Walisischer Fußballprofi Ched Evans: Der Strafraumstürmer
Ched Evans saß wegen Vergewaltigung im Knast – nun will er seine Karriere bei Sheffield United fortsetzen. Dagegen formiert sich Widerstand.
DUBLIN taz | Darf ein Fußballprofi, der wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, seine Karriere fortsetzen, nachdem er die Gefängnisstrafe abgesessen hat? Diese Frage beschäftigt in England nicht nur Fußballfans. Es geht um den früheren walisischen Nationalspieler Ched Evans. Der Top-Stürmer von Sheffield United ist 2012 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er in einem Hotel in Nord-Wales eine 19-Jährige vergewaltigt hat.
Der inzwischen 25-Jährige hatte keine Gewalt angewendet, aber er hat die Tatsache ausgenutzt, dass sein Opfer stark betrunken war. Sie erinnert sich bis heute an nichts. Evans behauptet, er habe einvernehmlichen Sex mit ihr gehabt. Die Geschworenen waren jedoch der Ansicht, dass sie zu betrunken war, um ihr Einverständnis zu geben. Nach Evans’ Verurteilung wurde sie mit Hassbriefen von Sheffield-United-Fans bombardiert. Ihr Name und ihre Adresse waren auf Twitter veröffentlicht worden. Sie musste in eine andere Stadt ziehen und eine neue Identität annehmen.
Evans hat die Hälfte seiner Haftstrafe abgesessen und ist im Oktober aus dem Wymott-Gefängnis in Lancashire entlassen worden. Die Vereinsführung von Sheffield United ließ durchsickern, dass man an einer Verpflichtung interessiert sei. Offenbar will man testen, wie die Fangemeinde darauf reagiert. Der Geschäftsführer des Profifußballverbands, Graham Taylor, ist auf Evans’ Seite. „Ich wusste nicht, dass ein Gesetz vorschreibt, dass man gar nichts tun darf, nachdem man aus dem Gefängnis entlassen wurde“, sagte er.
Sogar der stellvertretende Premierminister Nick Clegg, Chef der Liberalen Demokraten, mischte sich in die Debatte ein: „Fußballer sind heutzutage öffentliche Personen, die eine Verpflichtung haben, ein Beispiel für andere abzugeben.“ Der ehemalige Staatssekretär im Sportministerium, Richard Caborn, ein bekennender Sheffield-United-Fan, meint hingegen: „Er muss Reue zeigen, denn Fußballer haben eine besondere Rolle, was junge Menschen betrifft. Tut er das, verdient er eine zweite Chance.“
Aber er tut es nicht. Evans bestreitet bis heute die Vergewaltigung. Der Richter hatte den Fall damals nicht zur Berufung zugelassen. Nun kämpft Evans darum, dass sein Verfahren neu aufgerollt wird. Unterstützt wird er von dem Multimillionär Karl Massey, der die besten Anwälte angeheuert und eine Belohnung für entlastende Informationen ausgesetzt hat. Masseys Tochter Natasha ist Evans’ Freundin, sie hielt nach seiner Verurteilung zu ihm – und wurde zur Zielscheibe in den sozialen Medien. Viele wünschten ihr, dass sie eines Tages selbst vergewaltigt werde.
Frauenorganisationen meinen, es würde sexuelle Gewalt trivialisieren, sollte Evans wieder Fußball spielen dürfen. Katie Russell vom Rape Crisis Centre sagte, die Botschaft wäre eindeutig: „Im Fußball ist kein Platz für Frauen, und sexuelle Gewalt gegen Frauen ist akzeptabel.“ Ihre Organisation hat in einer Petition den Clubeigentümer Prinz Abdullah Bin Musa’ad Bin Abdul Aziz aufgefordert, Evans’ Verpflichtung zu verhindern. Sie ist von rund 165.000 Menschen unterschrieben worden.
Kommerzielle Gesichtspunkte
In anderen Fällen gab es keine Proteste, obwohl die Taten weit schwerwiegendere Folgen für die Opfer hatten. Der Drittligist Plymouth Argyle hat seinen Torwart Luke McCormick im Juli zum Mannschaftskapitän ernannt, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er war zu sieben Jahren verurteilt worden, weil er betrunken einen Autounfall verursacht hatte, bei dem zwei Kinder getötet wurden. Der Stürmer Lee Hughes, der ebenfalls betrunken einen Unfall verschuldet hatte, bei dem ein Ehepaar starb, wurde nach Absitzen seiner Gefängnisstrafe von Oldham Athletic verpflichtet. Die Vereinsführung hatte bei den Fans vorgefühlt, ob sie damit einverstanden seien.
Das will offenbar auch Sheffield United machen. Wenn man eine solche Entscheidung allerdings von rein kommerziellen Gesichtspunkten abhängig macht, wird die moralische Debatte ad absurdum geführt.
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