: Waldhof ist abgehängt
■ Mannheims Euro-Adler schlagen Wedemark und dominieren die DEL
Mannheim (taz) – Seit der kanadische Trainer Lance Nethery (39) vor gut zwei Jahren nach Mannheim kam und die Adler übernahm, geht es mit dem zuvor sportlich und wirtschaftlich kränkelnden Eishockey wieder aufwärts. Nach den Erfolgen in den 80er Jahren mit Ladislav Olejnik hatten Lars Wallin, Olle Oest, Jiri Kochta und Craig Sarner mehr oder weniger erfolglos versucht, Eishockey wieder zur Sportart Nummer 1 in der Kurpfalz zu machen.
Spätestens zur Saison 1996/97 ist dies gelungen, Jean-Marc Bosman sei Dank. Eigentlich sollten bei den Adlern die üblichen fünf, sechs Mann ausgetauscht werden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes wurden 14 Spieler verabschiedet, zehn neue kamen. Um deren Herkunft abzubilden, braucht es eine große Europakarte. Für ganze 25.000 Mark Unkosten reisten Nethery und Manager Marcus Kuhl durch Frankreich, Schweden, die Schweiz, Belgien, Italien und Österreich, um die Grundlagen zu schaffen für ein starkes Team in einer stärker werdenden DEL.
Sie hatten Erfolg: Alle Neuen sind besser als ihre Vorgänger. Fast mutet es ein wenig tragisch an, wie der neue italienische Nationaltorhüter Mike Rosati, der aus Bozen kam, den Publikumsliebling „Bibi“ Appel verdrängt hat. Mit dem 4:0 (1:0, 2:0, 1:0) gegen die Wedemark Scorpions (Torschützen: Tomlinson, Richer, Feser, Gehrig) verteidigten die Adler am Samstag die Tabellenführung. Und Rosati schaffte sein drittes Shut-Out in zehn Spieltagen! Garanten für ein sauberes Tor sind auch die Verteidiger, zu denen sich aus Brest der Belgier Mike Pellegrims gesellte, ebenso wie Robert Nardella (HC Mailand) und Martin Ulrich (HC Wien). Der sensationellste Transfer aber ist der 248fache französische Nationalspieler Christian Pouget (30), der vom HC Rouen kam. Wie ein Eiskunstläufer bewegt sich „le brésilien“, wie er in Frankreich wegen seiner eleganten und überaus kreativen Spielweise genannt wird. Pouget hat eine glänzende Übersicht und ist mit seinem genauen Zuspiel die ästhetische Erscheinung auf dem Mannheimer Eis.
Aber die Liste der Lieblinge ist lang: Dazu gehören auch die Neuen Paul Beraldo (von den Ratinger Löwen), Dieter Kalt (Klagenfurt), François Guay (Herisau) und Dave Tomlinson (Cincinnati). Die Fans der Adler haben die Neuen längst akzeptiert: „The Boys are back in Town“ erschallt es, wenn die Adler einziehen in die zugige, aber an Atmosphäre unübertreffliche Arena. Und Goalie Mike Rosati, der Mega-Darling, bekommt brav sein „Azzuro“ vom Band. Direkt neben der Universität und dem altehrwürdigen Schloß feierten zwischen 6.000 und 8.000 Zuschauer jede Woche sich selbst und das wunderbare Team.
Längst haben die Adler den maroden Zweitliga-Fußballklub SV Waldhof abgehängt. Der kämpft gegen den Abstieg, eine Klasse tiefer hat der VfR den Aufstieg bereits so gut wie verspielt. Der Deutsche Tennismeister Grün-Weiß Mannheim hat nur wenige Sommerwochen Saison. Die Adler aber haben 1.500 Dauerkarten verkauft. Die Werbeeinnahmen stiegen um 35 Prozent. Um Sponsoren brauchte man nicht zu buhlen, die kamen von selbst.
Auch die Fans haben ihr Niveau angehoben. Schmähungen des Gegners wie der schwachen Wedemark Scorpions gehören sich nicht. Statt dessen beißender Spott für einen einst übermächtigen Rivalen: „Ihr seid besser als die DEG!“ Und mißlingt ein Kabinettstückchen, wird mit „Das war super, das war elegant“ aufgemuntert.
Da ist es verdammt schwer, von dem Drumherum nicht erfaßt und mitgerissen zu werden, wenn die Adler so hoch fliegen wie viele Jahre nicht. Und regelmäßige Beobachter meinen gar, dieser Flug sei noch lange nicht zu Ende, der könne dauern, bis im Frühjahr die Zugvögel wieder zurückkehren in die warme oberrheinische Tiefebene. Am 6. April startet das erste DEL-Endspiel. Günter Rohrbacher-List
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