Waldbrandsaison in Australien: Wenn sogar die Bäume sterben
Die Flammen bedrohen das einzigartige Biotop auf der Insel Fraser. Wissenschaftler warnen vor einem neuen Horrorsommer.
Welche Zukunft diese australischen Wildhunde und andere Tiere nach den Bränden haben werden, ist unklar. Schon am Dienstag hatten Behörden Besitzer, Mitarbeiter und Gäste des bekannten Wildnishotels Kingfisher Bay dazu aufgerufen, sich „zum Verlassen vorzubereiten“. Auch andere Bewohner der Insel und Touristen sollen zusehen, dass sie wegkommen. Laut der Wetterbehörde könnten starke Winde und steigende Temperaturen die Lage in den kommenden Tagen noch verschärfen.
Das Feuer auf Fraser ist eines von Dutzenden, mit denen australische Einsatzkräfte im gegenwärtigen Frühsommer zu kämpfen haben. Auch in den Bundesstaaten New South Wales waren zuletzt Feuerwehren im Einsatz, als die Tagestemperaturen auf Höchstwerte kletterten. In manchen Teilen wurden fast 45 Grad erreicht. Für November meldete Sydney eine nächtliche Durchschnittstemperatur von 25,3 Grad Celsius, die höchste seit Beginn der Messungen vor über 100 Jahren.
Viele Australier sehen sich beim Anblick der Fernsehbilder an den letzten Sommer erinnert, als gigantische Buschfeuer riesige Landstriche verwüsteten. Mindestens 12 Millionen Hektar Wälder, Felder und Agrarland fielen den Flammen zum Opfer. 33 Menschen starben.
Nicht nur Koalas starben
Laut der Biologin Karen Ford von der australischen Nationaluniversität kamen bis zu 3 Milliarden Tiere um. Während verbrannte Koalas in den Fernsehberichten die meisten Sympathien auslösten, seien „viele andere Tiere betroffen, die nicht so süß und knuddelig sind', unter ihnen ökologisch sehr wichtige wirbellose Tiere, Vögel, Reptilien und Insekten, sagte Ford der taz.
Wissenschaftler können nur spekulieren, wie lange es dauern wird, bis sich die Gebiete wieder erholen. Dabei gehören Feuer zum natürlichen Ablauf in Australien. Pflanzen erholen sich normalerweise innerhalb weniger Wochen. Aus der verkohlten Rinde schlagen neue grüne Zweige. „Die Brände vom letzten Sommer waren aber heißer und zerstörerischer als frühere“, sagt Ford. Viele Bäume hätten die Hitze nicht überlebt. In einigen Wäldern herrscht auch ein Jahr später noch Totenstille.
Kein Vogelgezwitscher, kein Insektengebrumm. Tiere, die die Flammen überlebten, sind verhungert. Wie die meisten Expertinnen macht Ford die globale Erwärmung für die Katastrophe verantwortlich. Obwohl kein anderer Industriestaat bereits so stark unter den Folgen von Klimaveränderung leidet wie Australien, zeigt das Land wenig Willen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Nicht nur produziert es pro Kopf mehr CO2 als andere westlichen Länder. 2019 führte es Kohle im Wert von etwa 50 Milliarden US Dollar aus und war damit weltgrößter Exporteur des klimaschädlichen Brennstoffs.
Canberra isoliert sich mit seiner Kohlepolitik
Das soll auch so bleiben, fordert die konservative Regierung von Premierminister Scott Morrison; die sozialdemokratische Opposition stimmt ihr zu. Morrison kündigte vor Kurzem an, die durch Corona ausgelöste wirtschaftliche Krise mit einem Ausbau der Erdgasindustrie lösen zu wollen.
Milliarden Dollar sollen in die Erschließung neuer Gasfelder gesteckt werden. Beim Abbau dieses kaum klimafreundlicheren Rohstoffs verwendet Australien auch Fracking. Die Rohstoffindustrie unterstützt die großen Parteien finanziell. Viele Mitarbeiter und Politiker der Regierung haben enge Beziehungen zur Kohle- und Gaswirtschaft. Beim Ausbau der Erneuerbaren hinkt Australien deshalb hinterher. Dabei gilt das Land als eines der sonnigsten und windigsten Staaten der Welt und könnte einen Großteil seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken.
Auf internationaler Ebene ist Australien deshalb in der Kritik. Die einstige oberste UN-Klimadiplomatin Christiana Figueres hat den Ansatz in der Klimapolitik diese Woche angesichts der eskalierenden Brände als „selbstmörderisch“ bezeichnet. Die Welt warte „ungeduldig“ darauf, dass Australien ein starkes politisches Rahmenwerk zum Klimawandel aufbaut, sagte sie.
Den Vorschlag der Regierung Morrison, die Pariser Ziele mithilfe von Übertragungsgutschriften leichter zu erreichen, wies sie zurück: Im Rahmen des Kioto-Klimaabkommens, das von 2008 bis 2020 galt, hatte Australien seine CO2-Reduktionsziele um 459 Millionen Tonnen übertroffen. Die Regierung Morrison würde diese Menge nun gern für ihr Ziel mitverrechnen, die Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. In der EU gibt es längst Stimmen, die Strafmaßnahmen gegen Canberra nicht ausschließen, sollte Australien nicht bald mit glaubwürdigem Klimaschutz beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland