Waldbrände in Chile: "Kriegserklärung" an die Mapuche
Staatspräsident Sebastián Piñera beschuldigt Angehörige der Minderheit, Feuer gelegt zu haben. Für eine Anklage soll jetzt das Antiterrorgesetz greifen.
BUENOS AIRES taz | Für Chiles Präsident Sebastián Piñera sind einige der Waldbrände der letzten Wochen absichtlich gelegt worden. "Wir haben verlässliche Informationen, die uns annehmen lassen, dass dahinter eine kriminelle Absicht steckt," sagte Piñera am Wochenende etwas verschwurbelt. Dann wurde er deutlich: Seine Regierung bereite eine Anklage auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes vor.
Bisher wurde das Antiterrorgesetz ausschließlich gegen Angehörige des Mapuchevolkes angewandt. Für die Mapuche richtet sich Piñeras Ankündigung denn auch eindeutig gegen sie. Die Ankündigung "ist eine Kriegserklärung an das Volk der Mapuche", so Santos Millao, Vorsitzender der nationalen Vereinigung Admapu. Die Regierung habe sich ohne zu zögern in den größten Rassisten gegen das Volk der Mapuche verwandelt, so Millao in der Mapuchezeitung "azkintuwe".
Das Antiterrorgesetz stammt aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990). Es ermöglicht ein viel höheres Strafmaß als bei der zivilen Rechtsprechung. Zudem erlaubt es bis zu zwei Jahre Untersuchungshaft und verbietet den Anwälten der Angeklagten Zugang zu den Ermittlungsakten in den ersten sechs Monaten. Ferner sind anonyme Zeugen zugelassen. Nach Auffassung vieler Mapuche kriminalisiert der chilenische Staat mit dem Antiterrorgesetz ihren Protest und legitimen Anspruch auf ihr Land.
Die Mapuche machen mit gut einer Million Angehörigen knapp sieben Prozent der chilenischen Bevölkerung aus. Seit der Pinochet-Ära wurden sie in ihrer Heimat, der Araucanía-Region, durch Großstaudämme sowie riesige Pinien- und Eukalyptusplantagen großer Zellstoffkonzerne massiv zurückgedrängt. "Die Regierung versucht jetzt mit den Bränden zu rechtfertigen, was sie seit langen zu rechtfertigen versucht: die Anwendung des Antiterror-Gesetzes gegen uns," so die Mapuche-Sprecherin Natividad Llanquileo.
Piñera bezog sich in seiner Ansprache auf die rund 50.000 Hektar Wald- und Weidefläche, die in den vergangenen Tagen in den südlichen Landesteilen Maule Biobío und La Araucanía von Bränden vernichtet wurden. Eine der betroffenen Region ist die Gegend um Carahue. In den Araukanischen Wäldern, rund 700 Kilometer südliche der Hauptstadt Santiago, kamen Mitte vergangener Woche sieben Feuerwehrleute bei den Löscharbeiten ums Leben, rund 1300 Hektar Wald brannten bisher nieder. Landesweit beläuft sich die Zahl der Toten auf neun.
Hubschrauber in Brand
Die nationale Brandschutzbehörden Conaf macht vor allem die anhaltende Trockenheit und Hitze für die immer wieder aufflammenden Brandherde verantwortlich, schließt aber auch leichtsinniges oder vorsätzliches Handeln von Unbekannten als Ursache nicht aus.
Die Stimmung angeheizt hatte Chiles Innenminister Rodrigo Hinzpeter, als er Ende letzter Woche die Mapucheorganisation Coordinadora Arauco Malleco (CAM) mit den Bränden in Carahue in Verbindung brachte. "Vor wenigen Tagen wurde ein Hubschrauber in Brand gesteckt, der für die Löscharbeiten eingesetzt werden sollte. Und zu diesem terroristischen Anschlag hat sich die CAM bekannt," so Hinzpeter. Der Hubschrauber war am frühen Morgen dem 30. Dezember unter bisher unbekannten Umständen ausgebrannt. Nach diesem Ereignis könne man schon vermuten, wer hinter den wahrscheinlich absichtlich gelegten Bränden stecke, so Hinzpeter.
In einer der CAM zugeschriebenen Erklärung hatte sich die Organisation zu dem Anschlag bekannt und ihn als Teil ihres Protestes gegen juristische Verfolgung durch den chilenischen Staat gerechtfertigt.
Dass Hinzpeter mit seinen Worten den Mapuche die Schuld am Tod der sieben Feuerwehrleute in die Schuhe schob, entfachte einen Sturm der Entrüstung. Selbst der Präsidentenpalast musste mäßigend eingreifen. "Man kann die Mapuche nicht einfach mit den Bränden in Verbindung bringen, sagte Präsidialminister Andrés Chadwick, das müsse die Justiz klären. Nach Piñeras Worten wird diese Klärung auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes erfolgen.
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