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Waldbesetzung gegen den Ausbau der A49Der „Danni“ wird geräumt

Die Polizei beginnt Barrikaden und Baumhäuser im Dannenröder Forst zu beseitigen. Der Wald soll für den Ausbau der A49 weichen.

Die Polizei begann am Dienstagmorgen die Räumung im Dannenröder Forst Foto: Boris Roessler/dpa

Hamburg taz | „Wir werden angegriffen“, sagt eine Aktivistin mit Mütze und grauem Wollpullover in die Kamera. Sie steht vor einem Absperrband im Dannenröder Wald in Hessen. Im Hintergrund stehen Polizist*innen um ein Baumhaus und tragen einzelne Baumstämme weg.

Am Dienstagmorgen um 7.30 Uhr ging das los, worauf sich alle Konfliktparteien um den „Danni“ lange vorbereitet haben. Tag X, die Räumung hat begonnen. Sie soll den umstrittenen neuen Abschnitt der Autobahn 49 ermöglichen, der durch drei Wälder – darunter ein Natur- und ein Trinkwasserschutzgebiet – führen soll.

In allen drei Wäldern besetzten Klima-Aktivist*innen Bäume. Seit Oktober schon ließ die Autobahngesellschaft Deges den Maulbacher Wald und den Herrenwald räumen. Die Umweltschützer*innen errichteten derweil immer wieder neu Baumhäuser und besetzten Bagger.

Jetzt ist es im Dannenröder Wald so weit, der längst zum Symbol des Protests gegen den Autobahnausbau geworden ist. Dort sind die Besetzungsstrukturen am größten, seit einem Jahr wohnen Aktivist*innen dort in mittlerweile 13 stark befestigten Baumhausdörfern.

Umweltschützer*innen appellieren an hessische Regierung

Die Wege im Wald sind mit Barrikaden bebaut, die Polizei schätzt ihre Anzahl auf 400, davon mehrere bewohnt. Über soziale Netzwerke riefen die Aktivist*innen dazu auf, in den Wald zu kommen und sie zu unterstützen.

Die Polizei hat damit begonnen, Barrikaden und Baumhäuser im Dannenröder Forst zu beseitigen Foto: Boris Roessler/dpa

„Wir sind unglaublich wütend“, sagte ein Bewohner des Baumhausdorfes „Drüben“. „Der Bau der A49 ist Gewalt gegen Menschen, die jetzt schon wegen des Klimawandels weltweit massenhaft auf der Flucht sind und ihre Lebensgrundlage verlieren. Wir werden den,Danni' kompromisslos verteidigen.“

In der vergangenen Woche hatten die Aktivist*innen bereits zusammen mit der globalisierungskritischen NGO Attac einen Co-Working-Space in einem Gasthof in Dannenrod eingerichtet, damit auch Student*innen die Besetzung unterstützen und zwischendurch an ihren Online-Vorlesungen teilnehmen können.

Am Montag hatte die Deges angekündigt, Zufahrtswege frei zu machen und Stellflächen für die Forstmaschinen zu errichten. Schon am Dienstagmittag fielen erste Bäume.

Auch die Polizei braucht Platz für ihre Infrastruktur während des Großeinsatzes. Am südlichen Waldrand, in der Nähe des Dannenröder Camps der Umweltschützer*innen, errichten die Beamt*innen seit dem Morgen Bauzäune für ein Logistikzentrum.

Am nördlichen Rand begannen Polizist*innen mit der Räumung von Bodenstrukturen des Baumhausdorfes „Drüben“. Auch von südlicher Seite drangen Polizist*innen in den besetzten Wald ein, verschafften sich offenbar aber nur ein Lagebild. „Unsere Aufgabe ist zunächst, Gefahrenquellen zu identifizieren und zu beseitigen“, sagte eine Polizeisprecherin.

Nachdem in der vergangenen Woche Satellitenbilder gezeigt hatten, dass die Schneise durch den Herrenwald fast komplett gerodet ist, hatte alles darauf hingedeutet, dass der Großeinsatz am Dannenröder Wald in dieser Woche beginnt.

Umweltschützer*innen appellieren derweil an die hessische Landesregierung, den Einsatz aufgrund der Coronapandemie abzublasen – der Landkreis Marburg-Biedenkopf liegt unter den traurigen Spitzenplätzen der bundesweiten Infektionszahlen. Doch danach sieht es nicht aus.

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4 Kommentare

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  • Die Rechtslage ist keineswegs klar, der Bau verstößt u.a. gegen das Hessische Naturschutzgesetz und Europäische Trinkwasserrichtlinien. Denn es gibt Trassenvarianten bei denen weit weniger Wald und Natur zerstört würde. Die jetzige richtet den größten Schaden an, was logischerweise auch den großen Protest erklärt. Noch wäre Zeit den Bau umzuplanen, denn ohne Not die Wasserversorgung zu gefährden ist für mich extrem verantwortungslos. Es ist traurig mit anzusehen, dass Klima- und Naturschutz am Ende mal wieder keinerlei Lobby haben, egal wer in Land oder Bund regiert. Wenn die Politik den dringenden Handlungs- und Wandlungsbedarf jahrzehntelang und noch immer ignoriert sind das für die Zukunft sehr düstere Aussichten!

  • Das große Problem ist, dass es - ganz anders als z.B. bei den Castortransporten nach Gorleben- bei der örtlichen Bevölkerung und mit Ausnahme der Grünen allen in kommunalen Parlamenten vertretenen Parteien (CDU, SPD, FDP, FW) eine absolute Zustimmung zum Ausbau gibt.

    Die Ausbaugegner aus der Region sind absolut in der Minderzahl und neben Klimaschützern handelt es sich eigentlich nur um einige Grundbesitzer mit Partikularinteressen (nach meiner Beobachtung die üblichen "Querulanten", Landwirte, vereinzelte Grundstücks- und Waldbesitzer etc. die sofort auch dafür wären, wenn man ihnen ihr heiliges, i,d,R. ererbtes, Eigentum noch mehr vergolden würde).

    Die Protestierenden kommen fast ausschließlich von außerhalb und haben keine Rückendeckung in der Region. Dazu kommt bei einigen Protestierenden leider eine nicht wegzudiskutierende Gewaltbereitschaft (Sachbeschädigungen an Autos von Einheimischen, vermutlich auch das lebensgefährdende ansägen von Bäumen an der B3).

    Damit wird es schwierig bis unmöglich, noch irgendetwas zu drehen bzw. die öffentliche Meinung zu drehen.... die Rechtslage ist ja ohnehin eindeutig.

    • @MEYER_Kurt:

      Tja, die Rechtslage... Trotzdem ist es aufgrund der bekannten Tatsachen (Klimawandel, Artensterben, Trinkwasserschutz...) nicht gut diesen Wald für eine Autobahn derart zu beschädigen, vielleicht sogar zu zerstören. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir noch irgend etwas retten wollen. Der Danni und der geplante Weiterbau der A49 stehen dafür auch symbolisch, genau wie der Hambacher Wald und der Braunkohletagebau.

      • @J. Straub:

        "Wir müssen jetzt handeln..." - schön, aber wie? Auch ich bin gegen den Ausbau, sehe aber aufgrund der Sachlage (!), wie oben geschildert, aktuell keinen Weg wie:

        1) Wie oben dargestellt, gibt es in der betroffenen Region keinen nennenswerten Widerstand der Bevölkerung; im Gegenteil, diese sowie die kommunalen Parlamente sind zu 2/3 entschieden dafür.

        2) Die Rechtslage gilt nun mal in einem Rechtsstaat, oder hätten Sie das gern anders?

        Was sind denn Ihre Lösungsvorschläge? Bewaffneter Kampf?