Wahlzulassung für Betreute: Ein toller Tag für die Berechtigten

Menschen unter Vollbetreuung dürfen sich bei der EU-Wahl beteiligen. Das Urteil aus Karlsruhe ist eine Niederlage für die Koalition.

Ein Wahlzettel wird eingeworfen

Fast 85.000 Vollbetreute dürfen bei der Europawahl ihre Stimme abgeben Foto: dpa

BERLIN taz | Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass Menschen, die voll betreut werden, an der Europawahl teilnehmen dürfen, stößt bei den Betroffenen auf große Freude. Christian Specht, taz-Autor und Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Berlin, meint: „Das ist gut. Dafür haben wir lange gekämpft.“ Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt (SPD), spricht von „einem großartigen Erfolg für die betroffenen Menschen mit Behinderung und für die Demokratie in Deutschland“.

Dabei hatte ihre Partei gemeinsam mit der Union alles versucht, damit das bereits vom Bundestag beschlossene inklusive Wahlrecht erst nach der Europawahl am 26. Mai in Kraft tritt. Begründung: zu viel Aufwand. Die Menschen, um die es geht, dürften ja nicht nur wählen, sondern sich auch selbst zur Wahl stellen. Und alle Parteien hätten ihre Wahllisten bereits aufgestellt.

Erst die Eilanordnung des Bundesverfassungsgerichts am Montag machte die Teilnahme an der EU-Wahl für Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, möglich. Den entsprechenden Antrag hatten Linke, Grüne und FDP gemeinsam vor Gericht eingebracht.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sagte gegenüber der taz: „Das Urteil ist auch eine Niederlage für die Große Koalition.“ Diese habe zuvor jede Menge Verrenkungen gemacht, um die Umsetzung zu verzögern. Sie freue sich über die Gerichtsentscheidung: „Das ist ein richtig, richtig toller Tag für die Betroffenen.“

Christian Specht, Vorstandsmitglied Lebenshilfe Berlin

„Dafür haben wir lange gekämpft“

Konkret geht es um eine Gruppe von knapp 85.000 Personen. Diese beziehungsweise ihre gesetzlichen Betreuer müssen bis zum 5. Mai einen Antrag bei der zuständigen Gemeindebehörde stellen, dass sie an der Wahl teilnehmen wollen. Die Behörde prüft dann den Antrag und trägt die AntragstellerIn ins Wählerverzeichnis ein.

Die Prüfung ist erforderlich, weil ein Ausschlussgrund noch gilt, nämlich für Menschen, denen das Wahlrecht gerichtlich aberkannt wurde. Diese Gruppe ist nach Auskunft des Büros des Bundeswahlleiters aber verschwindend gering – 2017 gab es einen einzigen Fall.

Wenn die Menschen unter Vollbetreuung im Wählerverzeichnis erfasst sind, dürfen sie wählen – entweder per Briefwahl oder persönlich. Bundeswahlleiter Georg Thiel sagte am Dienstag in Berlin, er gehe davon aus, dass die meisten wohl per Briefwahl abstimmen würden. Wie viele Betroffene von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden, ist unklar. Specht sagt: „Die Leute müssen jetzt angeschrieben und informiert werden, sonst bringt das nichts.“ Einen Musterantrag für die Aufnahme ins Wählerverzeichnis hat die Lebenshilfe auf ihre Webseite gestellt.

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