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Wahlverbrechen #6: Simone Schnase verurteilt ein SPD-Plakat#europariechtnachwirsingeintopf

Der Himmel ist grau, es regnet Bindfäden und am Laternenpfahl wellt sich unter der Feuchtigkeit ein tristes Plakat, auf dem ein bebrillter Mann mittleren Alters seine Zähne fletscht. Sein Name: „Joachim Schuster“.

Vielleicht soll die erstarrte Mimik des SPD-Kandidaten auch ein Lächeln darstellen, man weiß es nicht. Man weiß ohnehin rein gar nichts, auch wenn man noch so lange das Plakat nach Botschaften absucht. Man erfährt bloß, dass es um die Europawahl geht. Und dass der Hashtag „europaistdieantwort“ unter dem Bild des unfrohen Mannes wohl bedeuten soll, dass Europa die Antwort ist. Bloß: auf welche Frage?

Es regnet und es ist kalt. Und es wird niemandem wärmer ums Herz, der dieses Wahlplakat betrachtet. Schuster steht vor einem irgendwie grauen Hintergrund, der zum Wetter passt. Weil er auf unterer Brustbeinhöhe abgeschnitten ist, weiß man nicht, ob er steht oder sitzt. Klar ist aber: Er tut es sehr, sehr aufrecht, was möglicherweise Rückgrat symbolisieren soll.

Das funktioniert aber nicht, denn auf den Betrachter wirkt Schuster lediglich maximal unentspannt und steif. Da hilft’s auch nicht, dass er keine Krawatte trägt: Sein weißes, vollkommen nichtssagendes Hemd, das er unter einem selbstverständlich grauen Jackett trägt, ist bis oben hin zugeknöpft.

Zähnefletschend, steif und unentspannt: Er wirkt nicht glücklich, der Joachim Schuster von der SPD. Er scheint zu denken: „Was mache ich hier eigentlich?“ Er sehnt sich nach seinen holzvertäfelten vier Wänden und einer Scheibe Graubrot. Bestrichen mit Margarine und belegt mit Plockwurst. Vielleicht ein bisschen Senf dazu, vielleicht ein Spreewälder Gürkchen. Und dazu ein schöner, heißer Hagebuttentee!

Stattdessen muss er da rumstehen (oder -sitzen) ohne Schlips und mit gestrecktem Rücken bis zum allerletzten Nackenwirbel. Warum, fragt er sich, warum bloß? Und stellt damit ganz zufällig genau die gleiche Frage wie jeder, der sich dieses Plakat länger als zwei Sekunden ansieht.

Es regnet immer noch und es ist kalt, es riecht nach Wirsingeintopf und nach Kochwäsche, obwohl die Sonne mittlerweile scheint und irgendjemand Pommes isst. Wie kann das sein, fragt man sich da und als könnte er Gedanken lesen, bewegt sich plötzlich der zähnefletschende Mund von Joachim Schuster und flüstert beschwörend: „Europa ist die Antwort!“

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