piwik no script img

Wahlverbrechen # 7: Benno Schirrmeister verurteilt B90 / Die GrünenSchwestern des Todes

Warum in dieser Rubrik noch nicht von Bündnis 90/ Die Grünen die Rede war? Nein, ihre Plakate sind nicht weniger kriminell als die von anderen. Im Gegenteil. Sie sind schlimm, sogar sehr schlimm. Vor allem sind sie so schlimm langweilig, dass sie im Akt des Wahrnehmens bereits vergessen werden, was die plakatstrafrechtliche Verfolgung ohne den Einsatz von Uppern wie Kaffee intravenös verunmöglicht.

So. Wenn das also erledigt ist, ist es möglich, ein Exemplar in den Blick zu nehmen, um es auf Inhalte und Botschaften zu untersuchen und ihr Zusammenspiel mit der Optik. Für die haben die Grünen stets gut aussehende, glückliche, ökoschicke Designerklamotten tragende Menschen in angenehmes Abendsonnenlicht gerückt. Die Welt ist nämlich schön und harmonisch und eigentlich ist alles gut, und – keine Angst! – daran will keiner was ändern, vor allem nicht die Grünen.

Die stellen auf ihren Plakaten deshalb lieber als Forderungen Behauptungen auf, die schwer überprüfbar sind und dabei meist so herzlich schnurz, dass sich diese Mühe keiner machen würde: „Grüne Städte haben Zukunft“, heißt eine dieser Feelgoodsentenzen. Ja – und?!

Wo es konkreter wird, sind Ich-Botschaften angesagt, die nicht Gefahr laufen, mit programmatischen Festlegungen verwechselt zu werden. „Ich bin für eine Bildung, die allen gerecht wird“, sagt ein junger Mann mit mandelölgepflegter Glatze, dem ein Junge am Rücken hängt und der ein anderes Kind, etwa zwei Jahre, lässig mit der rechten Hand vor der Brust hält.

Das ist in ihrer kontrolliert ökologischen Süßrahmbutterweiche bereits das radikalste Plakatpostulat. Es markiert die roten Linien, die von der Partei im Bremer Wahlkampf gezogen werden: Mit Parteien, die gegen Bildung sind, wird es ebenso wenig eine Koalition geben wie mit all jenen, die für eine Bildung sind, die niemandem gerecht wird, es sei denn, man findet einen tragfähigen Kompromiss.

Langeweile, wie Schlaf eine Schwester des Todes, ist das paradoxe Gefühl, dass viel los ist, sich aber nichts tut oder umgekehrt. Vor vier Jahren war es der SPD gelungen, maximale Langeweile im legendären Jens-Böhrnsen-ist-ein-Katzenfreund-Plakat zu destillieren, das als reinster Gegenentwurf zum AIDA-Modell für gelungene Werbung gelten kann, also der Stufenfolge Attention, Interest, Desire, Action: Es ließ seine BetrachterInnen stattdessen auf einen Schlag vom Zustand der Nichtbeachtung über Desinteresse in Gleichgültigkeit in Lähmung übergehen – Oblivion, Desinterest, Indifference und Lethargy, also ODIL.

Die Grünen haben nun eine ganze ODIL-Kampagne entwickelt, die verdeutlicht: Das klingt wie Zahnpasta und fühlt sich auch exakt so an – also langweilig. „Das Problem der Langeweile ist“, hat der Berliner Philosoph Philipp Wüschner festgestellt, „dass sie nicht sterben lässt, und dass sie einen so problemlos weiter am Leben hält.“ Es gebe aber „Momente, wo man lieber stürbe, als sich noch weiter zu langweilen“. Die Stadt mit solchen Momenten zu tapezieren gehört mit Opposition nicht unter vier Jahren bestraft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen