Wahltriumph der Rechtspopulisten: Blocher bleibt König der Schweiz
Nach dem Triumph der Rechten steht die Regierungsbeteiligung ihres Chefs Blocher außer Zweifel. Die Pleite der Sozialdemokraten ist von historischer Dimension.
GENF taz Nach dem Wahlsieg der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei (SVP) wird ihr Führer, Justizminister Christoph Blocher, auch in den nächsten vier Jahren der Berner Bundesregierung (Bundesrat) angehören und dürfte weiterhin die eidgenössische Politik dominieren. Erstmals errangen die Grünen einen Sitz im 46-köpfigen Ständerat, der zweiten Parlamentskammer, in der die 23 Kantone mit jeweils zwei Abgeordneten vertreten sind.
Gemeinsam wählen die 246 Mitglieder von Nationalrat und Ständerat am 12. Dezember den Bundesrat. Wenn Grüne und Sozialdemokraten wie angekündigt Blocher geschlossen die Stimme verweigern und sich darüber hinaus auch im Lager der beiden bürgerlichen Mitteparteien Liberale (FDP) und Christliche Volkspartei (CVP) eine ausreichende Anzahl von Abgeordneten zumindest enthalten, könnte Blocher die Regierungsbeteiligung noch versagt bleiben. Vor allem Letzteres gilt nach dem historischen Wahlsieg der SVP vom Sonntag jedoch politisch als ausgeschlossen.
Mit 29 Prozent der Stimmen (2003: 26,7 Prozent) und künftig 62 Sitzen im Nationalrat (2003: 55) schnitt die Blocher-Partei besser ab als jemals zuvor eine Partei seit Einführung des Verhältniswahlrechts 1919. Von ähnlich historischer Dimension ist die Niederlage der Schweizer Sozialdemokraten (SP), die nur noch 19,5 Prozent der Stimmen erhielten (2003: 23,3) und neun ihrer 51 Mandate einbüßten.
SP-Präsident Hans-Jürg Fehr führte den Sieg der SVP und die Niederlage seiner Partei unter anderem darauf zurück, dass die Blocherpartei 15-mal so viel Geld für den Wahlkampf zur Verfügung hatte wie die SP. Aus welchen Quellen die Gelder der SVP kommen, ist nicht bekannt.
Ein Großteil der früheren SP-WählerInnen wanderte zu den Grünen ab, die mit einem Zuwachs von 1,7 auf 9,6 Prozent sowie von 14 auf 20 Abgeordnete neben der SVP der zweite Sieger dieses Urnengangs sind.
Im Lager der bürgerlichen Mitte näherten sich die neben SVP und SP ebenfalls im Bundesrat vertretene wirtschaftsliberale FDP und die katholische CVP einander an. Sie verfügen beide künftig über jeweils 31 Mandate im Nationalrat. Erster schwarzer Abgeordneter im Nationalrat ist der 45-jährige Berner Jurist und Sozialdemokrat Ricardo Lumengo, der bislang schon Mitglied des Berner Kantonsparlaments sowie des Stadtrats von Biel war. Lumengo kam 1982 als Asylbewerber in die Schweiz, weil er als politisch aktiver Student in seiner Heimat Angola verfolgt wurde. Eine Aufenthaltsbewilligung erhielt er 1987 und 1997 den Schweizer Pass. Lumengo studierte Jura in Freiburg und arbeitet heute als juristischer Berater beim Gewerkschaftsbund sowie am interkulturellen Begegnungszentrum Multimondo in Biel. Mit Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch sowie drei afrikanischen Sprachen wird Lumengo das größte Sprachtalent des Nationalrates sein.
Die Wahlsieger der SVP betonten, sie wollten an dem "Konkordanz-Prinzip" festhalten, nach dem der Bundesrat bislang aus je zwei MinisterInnen von SVP, SP und FDP und einem/r der CVP besteht. Zugleich forderte die SVP allerdings den Rückzug des sozialdemokratischen Verkehrs-und Umweltministers Moritz Leuenberger, dessen Ressort Blocher gerne übernehmen würde, sowie des liberalen Wirtschaftsministers Pascal Couchepin. Der hatte Blocher im Wahlkampf mit dem "Duce" Mussolini verglichen. Zugleich stellte die SVP den bislang von ihr entsandten Verteidigungsminister Samuel Schmid zur Disposition, der sich in den letzten Jahren häufig vom Politikstil seiner Partei und manch ihrer Forderungen distanziert hatte.
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