: Wahlsiegerin Takako Doi und die Frauen
■ Einigen ist die Chefin der Sozialistischen Partei zu männlich, anderen nicht feministisch genug, aber alle haben sie gewählt
Über 1.500 Japanerinnen drängten sich letzte Woche in der „Lovely Time Wedding Hall“ in Fukushima zusammen allerdings nicht, um einer Familienfeier beizuwohnen, sondern weil sie einen Auftritt von Takado Dio miterleben wollten. Lebhafter Applaus brandete auf, als die 61-jährige Vorsitzende der Sozialistischen Partei den Saal betrat. Die Frauen, die meisten von ihnen in mittleren Jahren, aber auch Junge und Alte, schwenkten rosa Taschentücher zur Begrüßung ihres Idols. Nach dem „rosa Skandal“ um Premierminister Sosuke Uno, der außereheliche Beziehungen zu einer Geisha und anderen Frauen unterhielt, bestimmte Rosa die Farbe von Dios Wahlkampf.
„Die japanischen Frauen waren mit ihren Vätern und Ehegatten geduldig, sie sind immer einige Schritte hinter den Männern gegangen“, sagte Doi vor ihren Fans, „aber die Zeit ist gekommen, wo dem Ausharren ein Ende gesetzt werden muß. Es ist Zeit, daß die Frauen aufstehen und die Männer auffordern, uns zu folgen.“ In Fukushima, wie auch anderso, kommt ihre Message an.
Niemand weiß nach dieser Teilwahl des Oberhauses, ob genügend japanische Männer bereit sein werden, einer Frau Premierministerin zu folgen - doch schon heute ist „Miss Doi“, wie sie genannt wird, unbestritten
zu einer der wichtigsten politischen Figuren des Landes avanciert. Und das, obwohl sie in einer stark von Männern dominierten Gesellschaft gleich mehrere „Handicaps“ mitbringt: Sie ist nicht nur Frau, sondern auch ledig, kinderlos, Sozialistin und dazu auch noch Baseballfan. Vor Beginn ihrer politischen Laufbahn war Doi Professorin an einer juristischen Hochschule und Expertin für Verfassungsrecht. Vor drei Jahren übernahm sie, kurz nach der vernichtendsten Niederlage seit der Gründung der Sozialistischen Partei im Jahre 1955, deren Führung.
In ihren zahllosen öffentlichen Auftritten in der heißen Wahlkampfphase seit dem 5.Juli vermied sie es, die umstrittene Plattform ihrer Partei (siehe nebenstehenden Artikel) zum Thema zu machen. Doi konzentrierte sich statt dessen auf eine Kampagne gegen die unpopuläre Umsatzsteuer und die Verwicklung der regierenden LDP in Sex- und Bestechungsskandale. „Seid ihr nicht verärgert, fühlt ihr euch nicht betrogen, weil ihr letztes Mal für die Regierungspartei gestimmt habt?“ fragte sie auf einer ihrer Wahlkampfveranstaltungen.
Zu Beginn des Wahlkampfes erhielt sie auch noch unfreiwillige Unterstützung aus dem Lager des Gegners: Einer der LDP-Minister erklärte, Frauen hätten in der Politik nichts zu suchen, und eine unverheiratete Frau ohne Kinder solle keine politische Partei anführen. Dieser Angriff rief Frauengruppen auf den Plan, die Doi von da an vehement unterstützten.
„In einer anderen Zeit hätten die Leute vielleicht Angst vor Miss Doi gehabt“, sagte Kii Nakamura, die der einflußreichen japanischen Hausfrauenvereinigung vorsteht. „Eine ledige, kinderlose Frau ihres Alters hätte wohl zu fremd gewirkt, um von den Japanern akzeptiert zu werden. Ich denke, daß sie noch zu männlich ist, um Ministerpräsidentin zu werden, aber trotzdem - diesmal wird sie unterstützt.“ „Ich würde es gerne sehen, wenn unsere erste Ministerpräsidentin weiblicher wäre“, meinte Norita Nakamura, die Vorsitzende des Verbandes für Funktionsträgerinnen, „aber wenn Miss Doi weiblicher wäre, würde ihr niemand zuhören. Sie redet wie ein Mann, weil wir das von unseren Politikern erwarten.“
Viele Wählerinnen, die in der letzten Woche nach Doi befragt wurden, äußerten, sie sei „zu hart“, sie rede „wie ein Mann“, oder - aus anderer Sicht - sie sei nicht feministisch genug. Doch fast jedes Interview endete damit, daß die Befragte erklärte, sie werde die Sozialisten wählen
-aus Solidarität mit Doi und um gegen die Regierungspartei zu protestieren. Und so konnte man im halboffiziellen Fernsehsender NHK am frühen Montag sehen, wie die rosa Säulen, die den Wahlsieg Dois auf einer Karte Japans optisch markierten, in die Höhe schossen.
wps
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