Wahlkampfkonzept: SPD fordert Bürgerversicherung
Die SPD will nach der Wahl die Bürgerversicherung einführen - in einer Ampel-Koalition. Die Unterscheidung in private und gesetzliche Krankenversicherungen fiele praktisch weg.
BERLIN taz Die SPD hofft, einen Wahlkampfrenner gefunden zu haben: Nach der Bundestagswahl wollen die Sozialdemokraten den Gesundheitsfonds zur sogenannten Bürgerversicherung ausbauen. Das heißt: Alle Kranken- und Pflegeversicherten sollen einkommensabhängige Beiträge zahlen, die Unterscheidung in gesetzliche und private Krankenversicherungen fiele praktisch weg. Dies geht aus den am Montag veröffentlichten Eckpunkten der Gesundheitsexperten für das SPD-Wahlprogramm hervor.
In dem Papier heißt es: "Die Sicherstellung und Wiederherstellung der Gesundheit aller ist eine solidarische Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger." Deshalb fordere die SPD die "solidarische Bürgerversicherung". Einer der Kernpunkte des Konzepts: Die rund acht Millionen Privatversicherten sollen in den Risikostrukturausgleich einbezogen werden. Dieser soll die Kosten für teure Erkrankungen unter den Krankenkassen gleichmäßig verteilen. Bislang zahlen Privatversicherte Beiträge, die sich am eigenen Krankheitsrisiko orientieren. Gesetzlich Versicherte hingegen zahlen abhängig von ihrem Einkommen, aber nur bis zu einer Bemessungsgrenze von 3.675 Euro brutto pro Monat. Würden beide Versicherungssysteme miteinander verbunden, so die SPD-Hoffnung, flössen Milliardensummen vom privaten ins gesetzliche System.
Der normale Kassenbeitrag von derzeit insgesamt 15,5 Prozent soll künftig wieder je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden. Seit Juli 2005 zahlen Arbeitnehmer einseitig einen sogenannten Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent ihres Bruttolohns, um so die Lohnnebenkosten zu senken. Geht es nach den Gesundheitsexperten der SPD, soll der Beitragssatz wieder sämtliche Kosten der gesetzlichen Kassen abdecken und dafür jedes Jahr angehoben werden. Derzeit gleichen Zusatzbeiträge und vor allem Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe die entstehenden Lücken aus.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erklärte am Montag: "Ich kann mir vorstellen, dass diese Dinge leichter in einer Ampel-Koalition umsetzbar sind" als mit der Union. Nicht nur die Einführung einer Bürgerversicherung sei nötig, sondern auch die gezielte Förderung von gesundheitlicher Vorsorge. Auch ohne Bürgerversicherung werde der bisherige Beitragssatz von 15,5 Prozent bereits Ende dieses Jahres "nicht mehr reichen".
Die Grünen bezweifeln, dass eine Ampel-Koalition die Reform in der nächsten Legislaturperiode durchsetzen kann. "Zwar sind wir uns mit der SPD weitgehend einig", sagt deren Gesundheitsexpertin Birgitt Bender der taz. "Aber die FDP will nichts Geringeres als die Privatisierung des gesamten Versicherungswesens." Zudem genössen die Privatversicherten Vertrauensschutz: Ihre Verträge lassen sich also nicht einfach einseitig aufkündigen. Eine Einigung der drei Parteien sei da bestenfalls "durch harte Verhandlungen" möglich.
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