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WahlkampfgetöseWettlauf der Opel-Retter

Alle wollen Opel retten und empören sich über das Verhalten der US-Regierung. Im Autowahlkampf versucht die SPD außerdem, die Kanzlerin vor sich herzutreiben

Lange Gesichter am frühen Donnerstag Morgen: Koch, zu Guttenberg und Steinbrück. Bild: dpa

Wie schön, dass die deutschen Opel-Wahlkämpfer gemeinsame Feinde haben. Als die Unterhändler der Opel-Krisenrunde am Donnerstag im Morgengrauen das Kanzleramt verließen, waren sie sich in ihrem Urteil über das Verhalten der US-Regierung einig. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) empörte sich ebenso wie Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

Zu den Verhandlungen schickten die Amerikaner einen Entsandten ohne Entscheidungsvollmacht, kurz vorher offenbarten sie eine Finanzlücke von 300 Millionen Euro. Nach dem elfstündigen Gespräch ging die Runde ohne Ergebnis auseinander. Bis Freitagmittag, zwei Uhr, sollen US-Regierung und Investoren nacharbeiten.

Offener als die aktiven Politiker demonstrierte Gerhard Schröder schon zu Wochenbeginn, worum es in dem Poker geht. Bei einem Wahlkampfauftritt in Niedersachsen holzte der Altkanzler gegen Guttenberg, den er den "Baron aus Bayern" nannte. Damit stellte er die Ankündigung des Ministers, die Rüsselsheimer Autofirma notfalls in die Insolvenz zu schicken, auf eine Stufe mit dem Konzept der Einfachsteuer, mit dem der Jurist Paul Kirchhof vor vier Jahren den Wahlkampf der Union vermasselt hatte.

Der Unterschied ist, dass Guttenberg diesmal nur eine Rolle spielen soll. Sein zur Schau gestellter Widerstand gegen allzu teure Rettungspläne dient dem Ziel, wirtschaftsliberale Wählerschichten der Union mit möglichen Staatshilfen auszusöhnen. Als CSU-Politiker kann er diesen Part leicht ausfüllen, weil Opel in Bayern keine Fabrik betreibt. Schafft es die Politik, den Autohersteller bis September am Leben zu halten, heimst ohnehin die Kanzlerin die politische Dividende ein. Gelingt das nicht, hat sie allerdings ein Problem.

Vor einem halben Jahr lud SPD-Kandidat Steinmeier in einer damals belächelten Aktion die Betriebsräte der Autobranche ins Außenamt ein. Seither ist klar, dass die Sozialdemokraten auf einen Autowahlkampf abzielen. Seit Guttenbergs Amtsantritt im Februar ist offensichtlich, wo sie dabei die Schwachstelle der Union vermuten.

Die Kanzlerin gab ihren Widerstand, in einen Wettlauf der Opel-Retter einzutreten, vor zwei Monaten auf. Sie fuhr nach Rüsselsheim, sprach vor den Opel-Arbeitern - und machte das Thema zur Chefinnensache, auch wenn sie nichts Konkretes versprach. "Es wäre ziemlich feige gewesen, wenn ich nicht gekommen wäre", behauptete sie damals. Dabei hätte es eines größeren Mutes bedurft, auf den Besuch am Main zu verzichten.

Die CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, Jürgen Rüttgers und Dieter Althaus sind als Beschützer der Werke in Rüsselsheim, Bochum und Eisenach in der politischen Pflicht. Das musste auch der Kaufinteressent Magna erfahren. Hatten die Austro-Kanadier zunächst noch eine Schließung des Bochumer Opelwerks vorgesehen, so sind sie davon inzwischen abgerückt.

Warum Bochum sakrosankt ist, hätte Magna-Chef Frank Stronach bei der Bundesagentur für Arbeit erfahren können. Nach einer neuen Studie aus Nürnberg wird kein Bundesland so schwer von der Krise betroffen sein wie Nordrhein-Westfalen. Wer in Bochum seinen Job verliert, wird anders als etwa in Baden-Württemberg keinen neuen finden. Vor allem aber: In Nordrhein-Westfalen ist nächstes Frühjahr schon Landtagswahl.

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6 Kommentare

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  • GH
    Göran Herbst

    Die Finanzkrise allein ist nicht das Ende des Kapitalismus - aber zusammen mit der Rohstoffknappheit könnte es schwierig werden für das jetzige Wirtschaftssystem, das so sehr auf quantitativem Wachstum beruht. Wie man eine Bank schrumpft, ist also nicht die einzige Frage. Genauso dringend stellt sich bald ein weiteres Problem: Und wie baut man die Autoindustrie zurück?

     

    Diese klugen Gedanken sind nicht von mir, sondern von einer Frau: Ulrike Winkelmann machte sich in der taz vom 7. März Gedanken über Postkapitalismus. So weit sind Klingelschmitt und Bollmann noch lange nicht, sie laufen lieber Spiegel & Co. hinterher. Wie langweilig. Ob es daran liegt, dass sich die Jungs ein Leben ohne Auto nicht vorstellen können?

  • G
    greg

    naja, amerika-bashing hat fuer schroeder ganz gut funktioniert in 2005 aber dieses mal handelt es sich nicht um kernwerte von nachkriegs deutschland spricht wie man schuldgefuehle wegmacht. trotzdem Opel US soll eine a rechnung an die CDU/CSU schicken um ein kleines dankeschoen zu bekommen nach der bundeswahl.

  • JB
    Joachim Bovier

    Albtraum Opel

     

    Was hier gern als Hoffnung suggeriert wird, nämlich die sog. Rettung von Opel, ist bei genauerer Betrachtung doch ein einziger Albtraum. Rettung für unkalkulierbare Milliardenbeträge - täusche sich keiner bei den jetzt genannten 1,8 Mrd. Euro wirds garantiert nicht bleiben - für einen überschaubaren Zeitraum bis zur Bundestagswahl oder vielleicht auch ein paar Monate darüber hinaus - Holzmann lässt grüßen.

     

    Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Es hat doch keinen Sinn notwendige Strukturanpassungen künstlich zu verzögern und marode Firmen am Markt zu halten, die dann drohen auch noch die gesunden Konkurrenten mit in den Abgrund zu reissen. Vom schlechten Beispiel ganz zu schweigen, die nächsten Subventionsritter stehen bereits mit bettelnden Händen bereit und drohen dreist mit Arbeitsplatzverlusten, Beispiel Karstadt. Sie wissen wohl, dass unsere Politiker nur opportunistisch auf die nächste Wahl schielen und alle anderen Wahrheiten feige leugnen. Fazit: Man musst in diesem Land nur groß genug sein und man kann nicht pleite gehen, weil der Staat hilft.

     

    An den mittelständischen Betrieb denkt keiner, wer hat denn bspw. den Tante Emma Läden geholfen, als sie von Kaufhausketten verdrängt werden. Nein: Zum Markt gehört auch das Risiko darin zu scheitern - und zwar für alle gleich. Schließlich können wir unsere Volkswirtschaft nicht durch Staatssubventionen aufrecht erhalten, auch diese Gelder wollen schließlich erst mal verdient werden - da ist dann der Mittelstand wieder gefragt.

  • V
    verschlafen

    Opel zwanghaft nicht pleitegehenlassen ist wie "die Kunst ein totes Pferd zu reiten".

  • S
    Schwafelkerze

    Opel wird der unausweichlichen Marktbereinigung zum Opfer fallen, nur warum sagt das niemand. Ach ja Wahlkampf.

  • F
    FREDERICO

    Schade um die Arbeitnehmer, aber alle diese Raubtierkapitalisten haben nach weniger Staat gewimmert und es auch bekommen, ergo ab in die Insolvenz und zwar alle. Lässt man diese unfähigen „Supermanager“ nämlich mit Staatsknete weiterwurschteln verzögert sich der Crash doch nur und da ein Großteil der Gelder eh wieder in den Taschen dieser Versager mit dem feinen Zwirn landet, als Boni, astronomische Gehälter usw. fühlen die sich noch bestätigt.

    In dieser Opelgeschichte besteht doch sowieso nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, oder anders Italo oder Russenmaffia.