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Einigung über Opel im GrundsatzMagna kriegt den Zuschlag

Nach nächtlichem Sitzungsmarathon einigen sich Magna, GM und die Bundesregierung auf eine Lösung. Alle Standorte Opels sollen erhalten bleiben. Merkel setzt sich über Guttenbergs Bedenken hinweg.

Politische Ökonomie: Die Kanzlerin macht die Opel-Rettung zur Chefsache. Bild: ap

BERLIN ap | Das Konzept zur Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel steht: Die Bundesregierung hat sich mit dem Mutterkonzern General Motors und dem kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna geeinigt. Danach sollen die europäischen GM-Teile zunächst unter die Aufsicht eines Treuhänders fallen, bis das Investorenkonzept ausgehandelt ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die geplante Rettung von Opel alternativlos.

Bei der Einigung sei für sie entscheidend gewesen, "dass die Risiken einer Alternative für mich politisch absolut nicht verantwortbar sind", sagte Merkel am Samstagmittag in Berlin. Bund und Länder garantieren vorerst sechs Monate lang für 1,5 Milliarden Euro. Als Soforthilfe stellt Magna Opel 300 Millionen für "unmittelbaren Finanzierungsbedarf" bereit.

Die Einigung nach mehr als sechsstündigen Verhandlungen beinhaltet laut Bundesregierung weder schriftliche Festlegungen zur Sicherung der deutschen Standorte noch Beschränkungen des Stellenabbaus. Das wurde mit EU-rechtlichen Bestimmungen begründet.

Alle Standorte will man erhalten

Magna habe stets von einem Abbau von etwa 2.600 oder zehn Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland gesprochen, aber erklärt, dass die vier Standorte erhalten blieben, hieß es. Daran habe sich auch in der Nacht nichts geändert. In den übrigen europäischen Standorten wolle Magna insgesamt etwa 7.500 bis 8.500 Arbeitsplätze streichen.

Wegen der "nicht immer reibungslosen" Verhandlungssituationen telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem entscheidenden Spitzentreffen mit US-Präsident Barack Obama. Nach der Nachtsitzung von Mittwoch auf Donnerstag hatten deutsche Regierungsmitglieder Unmut darüber geäußert, dass die US-Seite bei den Krisentreffen nur mit niedrigrangigen Unterhändlern vertreten gewesen sei.

Konflikt zwischen Guttenberg und Merkel

Auch innerhalb der Bundesregierung gab es während der Verhandlungen tiefgreifende Unstimmigkeiten. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zog nach eigenen Angaben bis zuletzt eine Insolvenz-Lösung vor, erklärte aber anschließend, die gefundene Lösung mittragen zu wollen. Merkel lobte ihn mit den Worten, er sei seiner Aufgabe hervorragend gerecht geworden, "auch den Finger in die Wunde zu legen, auf Risiken aufmerksam zu machen".

Den künftigen Anteilseignern der neuen Opel-Gesellschaft stehen noch harte Verhandlungen bevor. Es sollen Magna zu 20 Prozent, GM und die russische Sber-Bank mit je 35 und die Opel-Mitarbeiter zu zehn Prozent sein. Magna und GM unterzeichneten am Freitag eine Absichtserklärung, die in der Nacht von den Regierungen Deutschlands und der USA sowie den Ministerpräsidenten der vier Standortländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz abgesegnet wurde. Sie ist formell nicht bindend.

Auch noch weitere politische Zustimmung nötig

Je nach Landesverfassung müssen noch parlamentarische Gremien zustimmen. Für den Bund ist das der Lenkungsausschuss für die Wirtschaftsförderung nach dem Konjunkturprogramm II. Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll am Mittwoch informiert werden.

Die Einigung sollte noch am Samstagmittag notariell beglaubigt werden. Damit sollen die europäischen Werke und Arbeitsplätze vor dem Sog einer möglicherweise Anfang nächster Woche eintretenden Insolvenz des Mutterkonzerns geschützt werden.

Die Treuhandlösung gilt für ein halbes Jahr. Die Regierung erwartet allerdings, dass schon in wenigen Wochen, aber spätestens bis September die Verträge mit den Anteilseignern stehen. Sollte es auch nach den sechs Monaten nicht dazu gekommen sein, eröffnet das Treuhandmodell die Möglichkeit, "rein wirtschaftlich bis 2014 Opel weiter zu betreiben".

Jeweils die Hälfte der 1,5 Milliarden Euro stellen der Bund mit der KfW und die Länder mit ihren Landesbanken. Welches Land wie viel beiträgt, bemisst sich nach der jetzigen Zahl der Opel-Arbeitsplätze. Als Sicherheiten dienen für den Fall, dass die Kredite platzen, "alle materiellen und immateriellen Werte", wie die Bundesregierung erklärte.

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6 Kommentare

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  • A
    audio001

    Nun beginnt offensichtlich nicht nur der mediale Kampf um die Frage, wem denn nun den Lorbeerkranz des Siegers - sprich Opel Retters - gebührt, sondern auch schon wieder das (putative) Exculpieren für den Fall, dass nach der Party das große Aufräumen beginnen muss!

     

    Letzteres mag aus volkswirtschaftlicher Sicht, und im Hinblick auf den Investor, nicht ganz abwegig sein! Aber dann will es wahrscheinlich wieder mal keiner der Politiker gewesen sein!

     

     

    Nachdem sich das politische Schlachtengetümmel gelegt hat und der mediale Pulverdampf der Schlacht um Opel langsam verraucht ist, kann man endlich wieder einen klaren Überblick über das Schlachtfeld bekommen und nach Gewinnern und Verlierern Ausschau halten

     

    Ein Verlierer steht sicherlich heute bereits fest: „Die (politische) Vernunft.“- Hätte man nach objektiven Kriterien gehandelt;- hätte sich die Politik weder an einer Investorensuche aktiv beteiligt, noch als Verhandlungsführer eingebracht!

     

    Man hätte (richtigerweise) Opel wie jedes andere Unternehmen in diesem Staate gesehen, dass ob der Finanz- u. Wirtschaftskrise in Gefahr besteht zum Insolvenzfall zu werden!

     

    So aber nicht bei Opel.- Der Staat hat sich, dank Wahlkampfspektakel und der Profilierungssucht einiger (sogenannter) Politiker, in eine Rolle drängen lassen, die er offensichtlich weder ausfüllen kann, noch die in irgendeiner Weise dem Grundverständnis von Marktwirtschaft entspricht!

     

    Und ohne Zweifel wird die Tatsache, dass einige Bundes- und Landespolitiker ihr politisches Überleben mit Opel verknüpft haben, im weiteren Ablauf der Geschehnisse, nicht unbedingt zu einem Mehr an Objektivität in den politischen Entscheidungen führen.

     

    Das Ganze hat inzwischen eine Eigendynamik entwickelt, der sich der eine oder andere Politiker jetzt gar nicht mehr entziehen kann! Oder anders ausgedrückt: Man ist mehr oder weniger, vor den Wahlen, zum Erfolg verbannt!

     

    Und ich unterstelle mal, dass diese Tatsache weder GM noch Magna verborgen geblieben ist und beide in der Lage seine werden dieses trefflich auszunutzen!

     

     

    Opel gehört GM,- und wenn nunmehr die Bundesregierung sich als „Verhandlungsführer“ eingebracht hat, hat sie sich auch (unbeabsichtigt) in die Rolle des Verantwortlichen gedrängt, der für das weiter Geschehen um Opel Verantwortung übernommen hat.

     

    Das kann dem Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen. Denn eines wird der zukünftige Eigentümer Magna mit Sicherheit nicht zulassen: das sich die Bundesregierung dieser Verantwortung wieder entledigt!

     

    Ob Magna selbst überhaut der Richtige ist muss sich erst beweisen! Der Konzern selbst schreibt nicht unbedingt schwarze Zahlen, der zum Konzern gehörende russische Automobilhersteller Gaz ist ein Sanierungsfall. Mithin erst einmal nicht die besten Voraussetzungen um die Zukunft von Opel tatsächlich zu sichern?

     

     

    Eines hat der Fall Opel aber dem Bürger in diesem Land auch deutlich aufgezeigt: Die fehlende Fähigkeit der Politik(er), der Dimension dieser Finanz- u. Wirtschaftkrise auch nur ansatzweise konzeptionell zu begegnen.

     

    Mitnichten ist Opel ein Einzelfall.- In vielen Branchen droht inzwischen der Beschäftigungskahlschlag. Wir stehen in Deutschland vor einem Flächenbrand von Insolvenzen kleiner aber auch großer Unternehmen!

     

    Und was macht die Politik? Sie versucht vor der Wahl ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, indem sie Opel rettet!

     

    Wer wir also morgen der nächste sein um den sich die Bundesregierung bemüht? Und wie vielen Unternehmen und Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen wird die Aufmerksamkeit der Politik nicht zu teil?

     

     

    Nein,- die Politik hat am Beispiel Opel einen Weg eingeschlagen der völlig an den Erfordernissen politischen Handelns vorbeigeht! Dieses Land bedarf endlich eines konzeptionellen wirtschaftpolitischen Ansatzes, der nachvollziehbar aufzeigt, wie es die Krise bewältigen kann.

     

    Das was das Politik im Umgang mit Opel geboten hat war stümperhaft und schlichtweg ohne Sinn und Verstand;- einzig und allein von der Profilierung einzelner Politiker für die anstehenden Wahlen geprägt!

     

    „Gute Politik“ zur Bewältigung der Krise muss mit Sicherheit anders aussehen!

     

     

    Und ich bin inzwischen geneigt anzumerken: Mehr ist mit den Politiker die wir derzeit in Deutschland haben augenscheinlich auch nicht drin!

  • JB
    Joachim Bovier

    Guttenberg – der standhafte Zinnsoldat

     

    Welch verkehrte Welt, in der nun ausgerechnet auf den Bundeswirtschaftsminister eingehackt wird. Dabei ist es Guttenberg, der als einziger eine sachliche Analyse geliefert und mit der kontrollierten Insolvenz einen auch finanziell vertretbaren Lösungsweg für Opel aufgezeigt hat. Seiner selbstgestellten Aufgabe als marktwirtschaftliches Gewissen der Regierung ist der Minister gegen alle Anfeindungen treu geblieben. Das ehrt diesen honorigen Mann, der wie ein Zinnsoldat standhaft für seine wirtschaftspolitischen Überzeugungen eintritt, dem dafür Respekt und Anerkennung gebührt. An seiner Stelle würde ich mich aber nicht mehr als Feigenblatt für eine moralisch völlig verkommene Regierung von Opportunisten hergeben, die sehenden Auges Milliarden zu Wahlkampfzwecken verschleudern, dem deutsche Volk entgegen ihres Amtseids erheblichen Schaden zufügen. Mögen diese Unbelehrbaren nun Merkel, Koch und Rüttgers oder Müntefering, Steinbrück und Steinmeier heissen - sie alle sollte der Wähler am 27. September gehörig abstrafen. Noch vier Jahre schwarz-rote Merkel-Regierung wäre wohl der endgültige Untergang unseres Staates. Der Rücktritt Guttenbergs, nach dem Beispiel von Karl Schiller, könnte ein Fanal zur Rettung der Marktwirtschaft sein.

  • T
    tazitus

    Der Lösungsansatz eines ehemaligen BWL-Studenten war zu nüchtern, zu richtig und vernünftig. So geht Politik nicht. Nun wird die Regentschaft von A.M. die teuerste Kanzlerschaft, die Deutschland je erlebt hat; aber alle lieben sie, die Frau Ka.

    ("Vertraue miiiihhhrrr")

  • V
    vic

    Jetzt sind wie also alle ein bisschen Opel.

    Wie auch immer, vorerst kommt ein Häkchen dran bei Opel.

    Arcandor klopft schon an, die zahlreichen anderen deutschen Firmen und Konzerne werden sich 2010 gerne auf den Fall Opel berufen, wenn sie mit offenen Händen und leeren Kassen vor den deutschen Steuerzahlern stehen.

  • T
    Torben

    "Es sollen Magna zu 20 Prozent, GM und die russische Sber-Bank mit je 35 und die Opel-Mitarbeiter zu zehn Prozent sein."

     

    Wieso spricht alle Welt von einem Einstieg Magnas und nicht von einer Übernahme wesentlicher Unternehmensanteile durch die russische Sber-Bank?

     

    Ein Opel-Gesetzt analog zu Niedersachsens VW-Gesetz wäre vermutlich Sozialismus pur gewesen. Jetzt geht unser aller schönes Geld dahin ohne wirklich Einfluss nehmen zu können, die Arbeitnehmervertreter lassen sich von ihrer blauäugigen Belegschaft feiern, ich bin mal gespannt, wie lang dieses Schmierentheater gutgeht.

     

    Ob Karl-Theodor nun mit seiner Kritik ein Ablenkungsmanöwer inszeniert oder ernsthaft zum Kotzen findet, was hier dem Wahlpöbel und Großkapital geopfert wird, neben den erbärmlichen Auftritten der Kanzlerin und den nicht mehr zu rettenden kopflosen Sozis macht der Mann im Moment noch die beste Figur.

  • M
    Martin

    So viel Aufhebens und so viel Steuergeld wegen läppischen 20% Beteiligung Magnas an Opel? 35% bleiben bei GM? Die sind doch am Ende. Weitere 35% bekommt eine Bank aus einem Schurkenstaat? Da bekommt man Bauchschmerzen und ausnahmsweise muß man vuzG rechtgeben. Vielleicht ist er ja doch gar nicht so schlecht, ein unverbrauchter Selbstdenker. Doch leider kann er sich nicht durchsetzen. Bald wird auch er ein normaler verdorbener Unionspolitiker sein, es sei denn, er schafft rechtzeitig angewidert den Absprung.