Wahlkampfberichterstattung in Bulgarien: Ex-Premier in Dauerschleife
Bulgariens Ex-Premier Borissow war Topthema im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Andere Kandidaten kamen kaum vor. Dafür hagelt es Kritik.
Einen wesentlichen Anteil an der erdrückenden Medienpräsenz Borissows hatte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender BNT, der dafür jetzt harsche Kritik einstecken muss. BNT habe während der Wahlkampagne im Juli völlig einseitig zugunsten Borissows und seiner Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) berichtet, heißt es in einer Erklärung der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG), die sich auf einen Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stützt. An die politischen Kräfte im neuen Parlament ergeht die Aufforderung, umfassende Reformen einzuleiten, um die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien zu stärken.
Am Mittwoch meldete sich auch der Kulturminister des übergangsweise regierenden Expert*innenkabinetts, Welislaw Minekow, zu Wort. „Die Verzerrung der Informationspolitik beraubt die Zuschauer*innen und Steuerzahler*innen der Möglichkeit, sich unvoreingenommen und vielfältig zu informieren“, sagte er und mahnte eine intensive Befassung der Verantwortlichen mit der Berichterstattung von BNT an.
Minekow war eine laut vernehmbare Stimme bei den Massenprotesten im Sommer 2020. Zehntausende waren auf die Straße gegangen, um gegen Korruption und Vetternwirtschaft – nicht zuletzt in den Reihen der GERB – zu demonstrieren.
Tätliche Angriffe
Einmal abgesehen davon, dass eine Regierungsbildung erneut scheitern und eine weitere Wahl bevorstehen könnte: Um die Medienfreiheit ist es in Bulgarien alles andere als gut bestellt. Kennzeichnend dafür ist eine Konzentration der Medienmacht in den Händen einiger weniger sowie bisweilen auch tätliche Angriffe auf Journalist*innen, was eine Art Selbstzensur zur Folge hat.
Schon vor einem Jahr hatte ROG davon gesprochen, dass unabhängige Medien dabei seien, vollständig zu verschwinden. Auf seinem weltweiten diesjährigen Index der Pressefreiheit führt die Organisation Bulgarien auf Platz 112 (von 180) – Tendenz fallend. Damit ist das Land Schlusslicht in der EU.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!