Wahlkampf in Russland: Für Putin und das Vaterland
Der Premier und Präsidentschaftskandidat lässt seine Getreuen zum letzten Mal vor den Wahlen in Moskau antreten. Rund 100.000 kamen – viele jedoch nicht freiwillig.
MOSKAU taz | Am Ende kam doch noch eine Überraschung. Auf die Bühne trat der Leibhaftige, unangekündigt und unerwartet: Wladimir Wladimirowitsch Putin, Russlands Premier und aussichtsreichster Kandidat bei den Präsidentenwahlen am 4. März. Die Menge im Moskauer Luschniki-Stadion begrüßte den Wahlkämpfer mit viel Applaus und dröhnendem Hurra. Die Putin-Partei hatte am arbeitsfreien Feiertag der "Vaterlandsverteidiger" ihre Anhänger zur Unterstützung in das Stadion gerufen.
Großdemonstrationen gehören in Moskau inzwischen zum Alltag. Nach dem Motto, wer bringt mehr Unterstützer auf die Straße, die Opposition oder die Macht im Kreml? Offiziell sollen 130.000 Putinisten an der Veranstaltung teilgenommen haben, tatsächlich dürften es 100.000 gewesen sein. Seit den frühen Morgenstunden trafen Teilnehmer mit Bus und Bahn aus allen Landesteilen in der Hauptstadt ein.
Wladimir Putin, in Rollkragenpulli und dunkler Winterjacke, enttäuschte das Volk nicht. Seit Langem war er nicht mehr live vor so großem Publikum aufgetreten. "Dass wir uns am Tag der "Beschützer des Vaterlandes" hier versammeln, sei nicht nur Symbolik, meinte Putin, "auch heute sind wir Verteidiger unseres Vaterlands".
Putins Wahlstrategie ist simpel. Russland wird von Feinden bedroht, dem Westen und den USA. Er garantiere Stabilität, Frieden und Sieg. Bei einem Großteil der Anhänger aus der Provinz verfängt die Rhetorik noch. "Wir haben unseren eigenen Willen, das hat uns zu allen Zeiten geholfen", sagte Putin und versprach den Kampf "gegen Armut, Ungerechtigkeit und Arroganz der Bürokratie" aufzunehmen. "Wir sind ein Siegervolk, das haben wir in den Genen." Bei der Menge kam das gut an. Putin war in seinem Element und dankte für die "moralische Unterstützung" und "jede Ihrer Stimmen".
Allerdings waren nicht alle Teilnehmer freiwillig gekommen. Mitarbeiter von Staatsbetrieben, Beamte und Studenten gestanden schon im Vorfeld, dass sie nur wegen angedrohter Sanktionen teilnehmen würden. Für viele war es aber auch eine willkommene Gelegenheit für einen Ausflug. Ausgediente Busse deutscher Reiseunternehmen ("bequem reisen") brachten sie zur Demo. Alexei reiste aus Tula an. "Wer sonst außer Putin, kann Russland führen", sagte er. Er habe Arbeit, und das Geld stimme, was wolle man mehr. Nach dem Gespräch kam sein Vorgesetzter und fragte, was er dem Fremden geantwortet hätte. "Wie besprochen", beruhigte Alexei.
Es sind keine Sieger, die Putin zum Sieg verhelfen wollen. Die Ärmeren halten zu ihm. Bürger vom Lande und aus Kleinstädten. "USA - kommandiert bei euch zu Hause!" steht auf dem Transparent einer alten, ärmlich gekleideten Frau. Zum ersten Mal war sie in Moskau. Putin sei Dank. Angesichts des ausbleibenden Feindes genehmigten sich einige männliche Vaterlandsverteidiger auch etwas mehr als die zulässigen 100 Gramm Wodka vor der Schlacht. Es war schließlich auch ihr Tag - Vatertag.
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