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Wahlkampf in NiedersachsenPlakate runter, „Schnauze voll“

Drei Osnabrücker Sinti machen ein Video davon, wie sie ein NPD-Plakat abhängen. Applaus erhalten sie dafür im Internet – und von Lokalpolitikern.

Zerstörtes NPD-Plakat: Für eine Abhängaktion bekommen drei Sinti im Internet Applaus. Bild: dpa

HAMBURG taz | Sie hätten das Plakat auch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entfernen können. Stattdessen machten drei Osnabrücker Sinti ein Video davon, wie sie ein NPD-Plakat mit dem Spruch „Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“ abhängen. „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder das sehen“, sagen sie. Und schneiden das Plakat mit einem Messer vom Pfosten. Das Video stellten sie auf Facebook.

Auf die Aktion reagierte nebst anderen auch die örtliche Politik: „Wir können diese Aktion absolut nachvollziehen“, schreibt die SPD Osnabrück in einer offiziellen Stellungnahme. „Osnabrück ist Friedensstadt, Toleranz ist uns ein Kernanliegen“, sagt Jens Martin, Vorsitzender der SPD. Er habe großes Verständnis für die Aktion. „Auch wenn wir ausdrücklich nicht dazu aufrufen, es den dreien nachzumachen.“ Stattdessen fordert die SPD die Stadt auf, „über Möglichkeiten nachzudenken, wie solch demagogische Propaganda in Zukunft verhindert werden könne“.

„Wir wissen, dass wir damit eine Straftat begehen“, sagen die Männer im Video. Sie wollten damit nicht zur Gewalt aufrufen, sondern jenen ein Gesicht geben, die betroffen seien. „Weil wir die Schnauze voll haben.“ Sie finden, es sei Aufgabe der Stadt, die Plakate abzuhängen. Denn der Spruch der NPD habe nichts mit Redefreiheit zu tun, findet Jers Jimmy Dean Laubinger.

SPD-Mann Martin wiegt ab: „Der Stadt sind rechtlich die Hände gebunden“, sagt er und beruft sich auf einen Entscheid des Kasseler Verwaltungsgerichts vom September. Das Gericht entschied, dass es sich bei dem Slogan auf den Plakaten nicht um Volksverhetzung handele, da diese nicht eindeutig zu „Willkürmaßnahmen gegen Roma und Sinti aufforderten“. Anlass für das Urteil war eine Klage der NPD gegen die Stadt Bad Hersfeld, die besagte Plakate abhängen ließ. „Die Stadt musste daraufhin sämtliche Plakate wieder aufhängen“, so Martin.

Rechter Wahlkampf

Die Parolen auf den Plakaten ähneln sich. Im Europawahlkampf fordert nicht nur die AfD keine „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“,„ Einwanderung in die Sozialsysteme stoppen!!!!!“ wollen auch die Republikaner (REP).

Nach einer Umfrage von Infratest-Dimap haben die REP um Rolf Schlierer „gute Chancen“ ins Europarlament einzuziehen.

Mit moderaterer Rhetorik als früher, treten sie für eine strikte Begrenzung der Zuwanderung ein und für eine vollständige Anpassung an die „christlich-abendländische Kultur“.

Die REP, nach eigenen Angaben 6.500 Mitglieder stark, fordern zudem die Wiedereinführung der D-Mark und den Austritt Deutschlands aus der EU.

Nicht nur in Osnabrück beruft man sich seither auf das Urteil. Auch in Nürnberg, wo der Verband Deutscher Sinti und Roma das Abhängen der Plakate forderte, sagt die Stadt, sie habe keine Handhabe dagegen. Der Hamburger Anwalt Hendrik Schulze relativiert jedoch: „Wenn es keinen Oberverwaltungsgerichtsentscheid gibt, könnten andere Verwaltungsgerichte theoretisch auch anders entscheiden.“

Stellungnahme der NPD

Und wie sieht es aus, wenn sich die Betroffenen selbst wehren, indem sie das Plakat abhängen? Laut Schulze handelt es sich dabei um eine Sachbeschädigung, die ein Strafverfahren nach sich ziehen könnte. Beispielsweise, wenn die NPD Anzeige erstatte. Aber statt Anzeige zu erstatten, hat die NPD Niedersachsen bereits auf anderem Weg auf die Aktion reagiert: mit einer schriftlichen Stellungnahme. Damit veranlassten sie allerdings die drei Sinti dazu, in einem weiteren Video die NPD-Antwort zu kommentieren. „Ich glaube, unser Publikum ist im Moment um einiges größer als das der NPD“, sagt Laubinger.

Denn die SPD war nicht die einzige, die auf die Aktion reagierte. „Aus ganz Deutschland haben sich Leute bei uns gemeldet“, so Laubinger. „Viele schrieben uns, dass sie ihre Sichtweise wegen dem, was wir machen, überdacht hätten.“ Dass sich auch die SPD Osnabrück wohlwollend äußerte, sieht er gespalten. „Einerseits freuen wir uns über jede positive Reaktion, gleichzeitig ist unsere Aktion für die Politik natürlich eine willkommene Einladung, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.“

Für die Drei soll diese Aktion nicht die letzte gewesen sein. „Nach dem breiten Echo fühlen wir uns verpflichtet, weiterzumachen“, sagt Laubinger. Unter dem Motto „Geld für die Oma, gesammelt von Sinti und Roma“, wollen sie mit einem Benefizkonzert Geld für ein Altenheim sammeln.

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8 Kommentare

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  • Das sollen also die Vertreter sein von Demokratie und Toleranz, die Straftaten von Kriminellen gutheißen. Dies belegt mal wieder eindeutig das jene beiden eine Auslegungssache sind und abhängig vom Standort des Betrachters sind . Ein Armutszeugniss obendrein für diese Pseudodemokraten.

    Wer sowas gutheißt oder bejubelt, sollte sich und sein Handeln selbst hinterfragen, ob er überhaupt wirklich für das steht was er anderen vermitteln will.

  • Ich weiß ja nicht. Dreckshaufen, die NPD, das würde ich auch sagen. Aber solange sie nicht verboten ist, hat sie das Recht am Wahlkampf teilzunehmen. So wie alle anderen Parteien auch.

     

    Zur Erklärung: Ich finde es nicht bedenklich, dass die beiden die Teile abhängen, weil sie sich gestört fühlen. Schlimm finde ich, dass die SPD als legitimierte Partei dies gutheißt - und das obwohl es gegen die Regeln der Demokratie verstößt. Hinzu kommt, dass die Medien solch ein Verhalten hochjubeln. Das offenbart doch genau das, was aus dem politisch rechten Spektrum immer zu hören ist: Dass in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird.

     

    Ich finde auch, dass das nicht geht - vor allem dann nicht, wenn dieses Verhalten offensichtlich medial und politisch legitimiert wird. Gewalt ist niemals legitim. Man sollte sich immer bewusst sein, dass dieser Umgang (links verbietet rechts den Mund, obwohl wir in einer Demokratie leben) auch andersherum geht. Und das hatten wir ja schon einmal. Auch die Sachbeschädigungen, Angriffe und medialen Verdrehungen gegen die AfD finde ich sehr bedenklich und frage mich, wo da die Reise hingeht, wenn Parteien weil sie aus der vermeintlich falschen Ecke kommen, gewaltsam der Mund verboten wird. Gerade wer gegen Faschismus ist, kann sowas doch nicht gut finden.

    • @Echt jetzt?:

      im prinzip sicher richtig.

      aber es ist ja hier nicht ständige politik, plakate abzureißen, sondern eine individuelle politische aktion - insoweit als einzelmaßnahme, die problembewusstsein schaffen soll, im einzelfall auch zu akzeptieren - wie eine demonstration, in der tradition des gewaltfreien widerstands. unsere sit-ins vor raketenlagern und atomkraftwerken waren damals auch nicht gesetzlich legitimert, aber evtl. gerechtfertigt.

       

      die fortsetzung nicht einfach weiterer (dann eher plumper) "plakatabhängungsaktionen", sondern mit gewitzten aktionen wie "geld für die oma von sinti und roma" zeigt ja das kreative potenzial der akteure und macht ihre einstiegsaktion als "politische kunst" glaubwürdig - und damit wohl auch gerichtsfest.. (?)

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Haha, das Benefizkonzert für ein Altenheim ist mit Abstsand die beste Idee überhaupt!

     

    Kreativer Protest gegen Nazis - es geht doch!

     

    Und was macht eigentlich Holger Apfel? Ahja: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/holger-apfel-besuch-im-lokal-des-ex-npd-chefs-in-palma-de-mallorca-a-971143.html

  • Plakate abreissen mit "schauze voll' sollte man bei der CDU/CSU machen, das muss endlich aufhoeren dieser CDU-Terror.

  • In Oldenburg wurde Anfang des Jahres ein Brandanschlag auf ein kulturelles Zentrum von Sinti verübt.

    Der muss zu erst aufgeklärt werden!

  • Moralisch ist das ja ok, aber die wissen natürlich daß sie Sachbeschädigung (=Straftat!) begangen haben. Mit sowas haben andere richtig Ärger mit der Polizei bekommen. Und die SPD sollte auch mit ihren Solidaritätsbekundungen aufpassen, daß sie da nicht auf (juristisch) dünnes Eis kommt.

    Btw: Ich wollte sowas auch schonmal machen, aber es ist einfach der Mühe (und das Risiko) nicht wer.

  • Ja mensch, super, die Aktion!

    Weiter.