Wahlkampf in Großbritannien: Eine Arena für Tories und Libdems
Im wohlhabenden Wahlkreis Richmond Park konkurrieren die Konservativen mit den Liberaldemokraten. Die punkten mit ihrer Pro-EU-Haltung.
![Sarah Olney steht in Mantel und Schal vor einer Grünfläche mit Herbstlaub Sarah Olney steht in Mantel und Schal vor einer Grünfläche mit Herbstlaub](https://taz.de/picture/3852802/14/24374114-1.jpeg)
Wohlhabendere Gegenden im Süden Englands wie Richmond sind im britischen Wahlkampf zur Kampfarena zwischen den Konservativen und den Liberaldemokraten herangewachsen. Viele dieser derzeit oft von Abgeordneten der konservativen Tories gehaltenen Orte hatten sich 2016 für den Verbleib in der EU ausgesprochen, in Richmond sogar mit einer Mehrheit von 71,31 Prozent.
Die Liberaldemokraten treten mit einer klaren Pro-EU-Haltung an, nach dem Willen der Partei soll der Brexit ganz abgesagt werden. Eine Mehrheit für die Liberalen in Westminster ist außer Reichweite – doch könnten sie wichtig werden, wenn es um die Unterstützung für eine Minderheitsregierung geht.
Hier im Wahlkreis Richmond Park haben die Liberaldemokraten eine lange Tradition: Bevor Goldsmith den Wahlkreis 2010 erstmals gewann, waren sie hier seit 1997 ungeschlagen an der Macht. 2017 war die Buchhalterin Olney dem Multimillionär Goldsmith um nur 45 Stimmen unterlegen.
Heute muss Olney aber erst mal Überzeugungsarbeit im Restaurant leisten. Sie verneint die Frage zu Corbyn und erklärt im Gegenzug, dass eine Stimme für die Tories das Gesundheitssystem aufs Spiel setze. „Goldsmith hat hier im Wahlkreis eine sehr negative Wahlstrategie angewandt“, erklärt Olney der taz. Damit meint sie eine Strategie, die darauf abzielt, Gegner in Verruf zu bringen.
Damit ist Goldsmith schon vorher aufgefallen: Als er 2016 zur Wahl des Londoner Bürgermeisters antrat, stellte er den muslimischen Gegenkandidaten Sadiq Khan im Wahlkampf als Terroristensympathisanten dar. Das haben manche dem Kandidaten nicht verziehen, der sich derzeit als Umweltschützer, Tierliebhaber und Gegner des Ausbaus des Flughafen Heathrow inszeniert.
Derzeit sitzt Goldsmith sogar als Umweltminister im Kabinett. Sein Premier Boris Johnson wollte sich einst vor die Bulldozer der geplanten Heathrowerweiterung werfen – Johnson hat jedoch über den Flughafen seit seinem Antritt als Außenminister unter Theresa May keinen Mucks mehr gemacht. Sein Schweigen wird auch Goldsmith nicht helfen.
Zu den Wahlen: Am 12. Dezember wählt das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ein neues Parlament. Das Ergebnis wird über die Zukunft des Landes bestimmen: ob der Brexit vollzogen wird oder nicht, davon abhängig eventuell auch, ob der britische Gesamtstaat geeint bleibt oder nicht. Die taz begleitet den Wahlkampf mit einer lockeren Serie von Eindrücken aus unterschiedlichen Wahlkreisen und Milieus.
Olney ist genauso gegen den Ausbau des Flughafens wie Goldsmith – und klar für den Verbleib in der EU. Der Konservative dagegen ist überzeugter Brexiteer. In den Vorgärten der Straßen Richmonds stehen zumindest viel mehr Wahlplakate ihrer Partei als von den Konservativen. Bei einer Straßenumfrage geben viele neuere britische StaatsbürgerInnen an, für sie stimmen zu wollen. Wie die Familie Weber, deren Kinder in die Deutsche Schule in Richmond gehen. Die neunjährige Elli nennt Boris Johnson einen „nicht so netten Mann“ und will sogar wissen, dass viele Eltern der Kinder in ihrer Schule auch die Liberaldemokraten wählen.
Anthony und Elizabeth Dixon, 45 und 36, sind für Labour, wollen wegen des Mehrheitswahlrechts aber taktisch wählen. „Da Labour hier in Richmond keine Chance hat, wählen wir beide die Liberaldemokraten“, erklärt Elizabeth Dixon. Am Ende gehe es darum, zu vermeiden, dass die Tories die Wahl gewinnen.
Im Zentrum Richmonds vor den großen Villen will niemand seinen Namen nennen. Wie immer, ich wähle die Tories, sagen einige. Doch für manche steht ein Wechsel an. „Ich habe immer konservativ gewählt“, verrät eine Frau. „Die Konservativen haben so ein Durcheinander mit dem Brexit kreiert, ich werde denen mit meiner Stimme diesmal ein Signal senden.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!