Wahlen in der Mongolei: „Jeder Mongole könnte reich sein“
Durch den Bergbauboom strömt viel Geld ins Land. Von der am Donnerstag zu wählenden Regierung erwarten die Mongolen, die Einnahmen gerecht zu verteilen.
ULAN-BATOR taz | Ochirbat Tsendsuren steht mit einem Spachtel in der Hand zwischen roten Backsteinen, Schubkarren und Eimern mit Mörtel. Über der Baustelle am Rand der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator hat er die blau-rot-weiße Flagge der Demokratischen Partei aufgehängt. Für ihn ist klar, dass er bei der Wahl am Donnerstag für sie stimmt. „Die Demokratie hat uns die Freiheit gebracht,“ sagt er und wirkt stolz.
Viel erwartet der 40-Jährige nicht von der neuen Regierung: „Nur, dass sie ihre Versprechen hält und den großen Graben zwischen Arm und Reich schließt.“ Das wünschen sich viele, vor allem hier in den Jurtenvierteln, den Armenviertel von Ulan Bator. Kleine Backsteinhäuser und Jurten ducken sich hinter Holzzäunen. Die ungepflasterten Wege sind voll Schlammlöcher.
Im nur wenige Kilometer entfernten Zentrum wird die Schere zwischen Arm und Reich, von der Tsendsuren spricht, deutlich. Nahe des Sukhbaatar Platzes, wo Dschingis Khan überlebensgroß in Bronze vor dem Regierungsgebäude thront, wird überall gebaut.
Bei den Parlamentswahlen treten am Donnerstag 13 Parteien an. Die wichtigsten sind die sozialdemokratische Mongolische Volkspartei (MVP) von Ministerpräsident Sukhbaatar Batbold und die wirtschaftsnahe Demokratische Partei (DP) von Präsident Tsakhia Elbegdorj. Bis Januar bildeten MVP und DP eine Koalition. Das neues Wahlgesetz mit Verhältniswahl für Parteien und Mehrheitswahl für Direktkandidaten verbessert die Chancen kleinerer Parteien. Ins Parlament kommen wird wohl die bisherige liberale Oppositionspartei Civil Will/Grüne. Auch die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) hat gute Chancen. Sie ist eine linke Abspaltung der MVP unter Führung von Ex-Präsident Nambar Enkhbayar. Er wurde im April wegen Korruption für einen Monat verhaftet. Beobachter erwarten, dass MVP und DP wieder eine große Koalition bilden. (ng)
Einige gläserne Hochhäuser ragen schon in den Himmel. In einem davon haben sich Edelboutiquen von Luis Vuitton und Zegna eingerichtet. Dort geht jene handvoll Mongolen einkaufen, die der wilde Kapitalismus der 90er Jahre reich gemacht hat.
Wirtschaftswachstum von 17 Prozent
Ein paar hundert Meter weiter ist der Sitz von Oyu Tolgoi, einem Joint-Venture des mongolischen Staates mit der kanadischen Bergbaufirma Ivanhoe. Es betreibt die Oyu Tolgoi Kupfer- und Goldmine im Süden der Gobi, ein sechs Milliarden Dollar-Projekt. In der Naähe ist auch die Kohlemine Tavan Tolgoi voll geschätzter fünf Milliarden Tonnen feinster Kokskohle. Vor allem diese beiden Minen befeuern das große Wirtschaftswachstum von zuletzt 17 Prozent.
Der Bergbau entscheidet die Zukunft der Mongolei. Er gilt jetzt als wichtigster Wirtschaftszweig, nicht mehr die traditionelle Nomadenwirtschaft. Internationale Investoren haben den Rohstoffreichtum der Mongolei entdeckt und stehen Schlange für Lizenzen.
Nahe Tsendsurens Baustelle wohnt Gonchig Erdene. Gerade hat die 56-jährige Rentnerin eine Tüte Mehl gekauft und klettert den steilen Hang zu ihrer Jurte hinauf. Sie ist guter Dinge und bisher zufrieden, wie ihre Regierung den Bergbauboom managt. „Jeder soll eine Million Tugrik bekommen,“ sagt sie – 600 Euro. „Laut Regierung stammt das Geld aus dem Bergbau. Die Hälfte haben wir schon erhalten.“
230 Euro im Monat
Aber sie muss zugeben, dass wenn ihre Tochter nicht in Tschechien arbeiten und Geld schicken würde, sie mit ihrer kleinen Rente und dem, was ihr Mann als Nachtwächter verdient, kaum über die Runden käme. 230 Euro haben sie im Monat zusammen.
Der Sohn, der auch als Wachmann arbeitet, steuert weitere 120 Euro bei. Davon leben sie zu fünft mit zwei Enkeln. „Alles ist so teuer geworden, wir hoffen das die Preise nicht noch mehr steigen.“ Mehr als das Wirtschaftswachstum spüren Mongolen wie Erdene die noch höhere Inflation von 18 Prozent.
„Einfach Geld zu verteilen, ist ganz falsch,“ sagt Phuntsag Zolzaya. „Das machen sie nur wegen der Wahlen. Ist doch klar, dass so die Inflation steigt.“ Der 32-jährige Ökonom studierte in Deutschland und arbeitet im öffentlichen Dienst. Wie viele gebildete Mongolen meint er, dass die Regierung statt Bargeld auszuzahlen lieber in Bildung und Infrastruktur investieren sollte. Die stammt zum Großteil noch aus der sozialistischen Zeit.
Nur wenige Überlandstraßen sind geteert. „Wir müssen eine verarbeitende Industrie aufbauen“, sagt Zolzaya, „damit wir nicht mehr so sehr von Importen abhängig sind.“ Und nicht allein abhängig vom Bergbau und schwankenden Rohstoffpreisen.
Zolzaya glaubt, dass auch die Regierung das mittlerweile erkannt hat. Trotz seiner Kritik schaut er optimistisch in die Zukunft. „Wir Mongolen haben Glück, wir haben ein riesiges Land mit vielen Rohstoffen und sind weniger als drei Millionen Menschen. Eigentlich könnte jeder Mongole reich sein. Aber das geht eben nicht von heute auf morgen.“
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