Wahlen in Usbekistan: Nach schönster Sowjetmanier
Der usbekische Präsident Mirsijojew errang mit über 80 Prozent der Stimmen einen überragenden Wahlsieg. Versprochene demokratische Rechte stehen aus.
E in neues Usbekistan, wo die Rechte und Freiheiten aller Bürger*innen geschützt sind: Was dieses vollmundige Versprechen von Schawkat Mirsijojew wert ist, hat die Präsidentenwahl vom vergangenen Sonntag gezeigt – nämlich nichts. Der Amtsinhaber fährt nach 2016 mit über 80 Prozent der Stimmen erneut ein Ergebnis ein, das an glorreichste Sowjetzeiten erinnert. Zugelassen waren außer ihm nur vier von Hand verlesene Mitbewerber*innen, die das hohe Lied der Regierung sangen.
Kritische Geister, die sich dennoch anheischig machten, in den Ring zu steigen, wurden vorher aussortiert und noch dazu unter Druck gesetzt. Das war auch schon bei der Parlamentswahl 2019 so, bei der ebenfalls keine oppositionellen Parteien antreten durften. Dazu passt, dass unbequeme Journalist*innen, Blogger*innen und Aktivist*innen in den vergangenen Wochen und Monaten massiven Repressionen vonseiten des Staates ausgesetzt waren – mit dem Ziel, sie einzuschüchtern und mundtot zu machen.
Also alles wie immer in Usbekistan? Ja, aber nicht ganz. Immerhin hat sich Usbekistan nach jahrzehntelanger Abschottung seit Mirsijojews Machtantritt 2016 für das Ausland geöffnet – zur großen Freude all derer, die mit dem an Rohstoffen reichen Land ins lukrative Geschäft kommen wollen. Für Deutschland ist Usbekistan nach Kasachstan schon jetzt der zweitwichtigste Handelspartner in Zentralasien.
Zudem dürfte Mirsijojew nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zu einem wichtigen Gesprächspartner für den Westen avancieren. Um sich potenzielle Flüchtlinge vom Hals zu halten, ist ja bekanntermaßen, wie das Beispiel des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zeigt, ein „Dialog“ mit jedem Staats- bzw. Regierungschef willkommen.
Aber deshalb Mirsijojew, der das Image Usbekistans im Ausland aufpolieren möchte, weiter als Reformer preisen – einen Mann, der sich und seinen korrupten Hofschranzen schamlos die Taschen füllt? Die Chancen dafür stehen gut. Wen interessiert es da schon, dass den Usbek*innen nach wie vor elementare demokratische Rechte vorenthalten und ihre Menschenrechte verletzt werden, wenn es denn dem Machterhalt dient? Das ist eben Realpolitik. Leider.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist