Wahlen in Argentinien: Weniger Milei wagen
Obwohl Milei die Inflation dämpfte, strafen ihn die Wählenden in Argentinien ab. Aber den Peronisten fehlt ein Gegenentwurf, der die Massen überzeugt.

A m Abend nach den Provinzkongresswahlen war die politische Landschaft der Provinz Buenos Aires hellblau gefärbt. Nur vereinzelt gab es kleine lila Tupfer der La Libertad Avanza, der Partei des libertären Präsidenten Javier Milei.
Nicht, dass Milei am Sonntag eine Wahlschlappe erlitten hat, sondern deren Ausmaß, muss ihn beunruhigen. Mileis größte Stütze ist nach wie vor die Zustimmung der Bevölkerung, da es ihm an einer breiten Parteibasis und soliden Strukturen mangelt. Bröckelt seine Beliebtheit beim Volk, wird es eng.
Folgt daraus die Rückkehr der Blauen – der peronistischen Mitte-links-Partei Fuerza Patria? Nein. Trotz Wahlpflicht haben viele weder für den Peronismus noch für die Libertären gestimmt. Vierzig Prozent der 14,7 Millionen Wahlberechtigten blieben zu Hause.
Zudem konnten die Peronisten in fast allen Wahlkreisen kaum mehr als drei Prozent erzielen, im Vergleich zur Gouverneurswahl 2023, die der politische Ziehsohn der korrupten Ex-Präsidentin Cristina Kirchner, Axel Kicillof gewonnen hatte. Milei hat nicht unrecht, wenn er behauptet, die Peronisten seien in ihrer Hochburg kaum über ihre Obergrenze hinausgekommen.

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Ein Grund dafür ist, dass das peronistische Wahlbündnis Fuerza Patria aus drei Fraktionen besteht, die alles andere als einig sind. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist es, Milei zu stoppen. Eine überzeugende politische Alternative haben sie nicht zu bieten.
Zu frisch ist zudem die Erfahrung der galoppierenden Inflation unter der peronistischen Vorgängerregierung, die Milei tatsächlich stoppen konnte und sein derzeit wichtigstes Back-up ist.
Ob der Präsident seine Politik „keinen Millimeter“ ändern wird, wie er am Wahlabend verkündete, werden die Märkte entscheiden, allen voran der Devisenmarkt. Mit einer Reihe kostspieliger Verordnungen hat Milei in den vergangenen Wochen den Dollar billig gehalten und damit auch die Inflationsrate gedämpft. Eine Wahlschlappe mit bis zu fünf Prozent Rückstand hatten die Märkte bereits eingepreist, wie es im Wallstreet-Slang heißt. Mit 14 Prozent hatten sie nicht gerechnet.
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