Wahlen in Äthiopien: So wenig Öffnung wie nötig
Bei den Wahlen am Sonntag steht Premierminister Meles vor allem Gegnern aus den eigenen Reihen gegenüber. Mit dem Verweis auf den Terrorismus aus Somalia wird die Repression gerechtfertigt.
BERLIN taz | Äthiopien hat keine demokratische Tradition und ist nicht für parteipolitischen Wettstreit bekannt. Die "Revolutionäre Demokratische Front des Äthiopischen Volks" (EPRDF) von Premier Meles Zenawi herrscht seit 1991, als sie als Rebellenkoalition die Hauptstadt Addis Abeba einnahm. Doch Wahlen in Äthiopien sind brisant.
2005 schnitt eine erstmals formierte zivile Opposition überraschend gut ab und reklamierte den Sieg, worauf es zu Unruhen mit 200 Toten kam und viele Oppositionsführer im Gefängnis landeten. Bei den Wahlen am Sonntag will die Regierung ein solches Szenario vermeiden. Die von ihr verbreitete Wahrnehmung, das Land befände sich im Abwehrkampf gegen den aus Somalia operierenden internationalen Terrorismus, erleichtert die Repression politischer Gegner.
So definiert ein neues Antiterrorgesetz jede "Störung öffentlicher Dienste" und jede Beschädigung von Eigentum als Terrorismus. Wer dies fördert, sei es durch Schriften oder andere Werbung, muss mit bis zu zwanzig Jahren Haft rechnen. Auch sind Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachung auf Verdacht erlaubt. Die Opposition sagt, das Gesetz werde benutzt, um sie zu behindern.
Die Opposition von 2005 hat sich inzwischen gespalten. Das Bündnis Kinijit, das nach der Gewalt und den Verhaftungen das Parlament boykottierte, ist verschwunden. Sein Nachfolger Medrek ist weniger lautstark. Allerdings sammelte es wichtige Gönner aus den Reihen des Regimes. Denn die alte EPRF-Garde ist zerstritten.
Der erste EPRDF-Verteidigungsminister Seye Abraha, ein Vertrauter Meles aus Guerillazeiten in Tigray, ist zu Medrek übergelaufen, ebenso wie der erste EPRDF-Staatspräsident Negasso Gidada. Die Rivalität zwischen Medrek und EPRDF äußert sich in gegenseitigen Vorwürfen, den Wahlkampf des Gegners mit Gewalt zu sabotieren.
Am instabilsten ist die Lage in der östlichen Ogaden-Wüste, wo meist Somalis wohnen. Die dortige "Ogaden Nationale Befreiungsfront" (ONLF) und die Armee leisten sich einen schmutzigen Krieg, bei dem die Erfolgsmeldungen beider Seiten kaum zu verifizieren sind.
So meldete die ONLF im Dezember die Einnahme von sieben Städten und 1.000 getötete Regierungssoldaten, was vor allem die in Ogaden nach Öl suchenden Firmen aus China, Malaysia und Kanada ängstigen sollte. Diese Woche meldete die ONLF erneut die Einnahme einer "strategischen" Militärbasis. Die Regierung sagte, der Angriff sei zurückgeschlagen worden.
Objektiv gesehen gibt es für die 80 Millionen Äthiopier wenig Grund, jetzt gegen die EPRDF zu stimmen, wenn sie bisher für sie waren. Das Wirtschaftswachstum ist mit jährlich rund 10 Prozent hoch, die Hungersnöte gehören der Vergangenheit an. Die ländliche Entwicklung hinkt zwar der städtischen hinterher, vor allem weil die Regierung nicht vom traditionellen staatlichen Landeigentum lassen will. Aber über entwicklungspolitische Herausforderungen wie den Bau von Wasserkraftwerken streitet die Regierung eher mit Nachbarländern als mit dem eigenen Volk.
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