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Wahlen im IrakWasser auf die Mühlen der Regierung al-Sudani

Der Irak hat mit der Türkei ein Wasserabkommen geschlossen. Regierungschef al-Sudani kann diesen Erfolg vor der Wahl gut gebrauchen.

Blick über den Tigris in Bagdad. Das Wasserabkommen mit der Türkei sollte den Wasserstand erhöhen Foto: Ismael Adnan/Zuma/imago
Jürgen Gottschlich

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Jürgen Gottschlich aus Istanbul

Wenige Tage vor den Wahlen am heutigen Dienstag ist der Regierung von Mohammed Shia al-Sudani noch ein wichtiger Durchbruch gelungen. Am 2. November unterzeichneten die Außenminister der Türkei, Hakan Fidan, und sein irakischer Kollege, der Kurde Fuad Mohamed Hussein, nach jahrzehntelangen Gesprächen ein Abkommen über die Wassermenge, die die Türkei am Tigris in den Irak passieren lässt. Mit Verweis auf die chaotische Situation im Irak hatte sich die Türkei zuvor jahrelang geweigert, eine Durchflussmenge zu garantieren, und stattdessen den Wasserdurchlauf am Tigris nach Gutdünken reguliert.

Der Irak ist eines der regenärmsten Länder der Welt. Das Land ist existenziell auf das Wasser aus dem Tigris und dem Euphrat angewiesen. Beide großen vorderasiatischen Ströme kommen aus den Bergen in der Osttürkei. Während der Tigris direkt in den Irak übergeht, fließt der Euphrat zunächst nach Syrien und erreicht erst etwas nördlich von Bagdad den Irak.

Es gibt ein altes Abkommen aus den 90er Jahren zwischen Syrien und der Türkei, das etwas später noch um eins zwischen Syrien und dem Irak ergänzt wurde. Aber ein direktes Abkommen über das Tigris-Wasser zwischen der Türkei und dem Irak liegt nun erstmals seit zehn Tagen vor. Es ist für den Irak so dringend wie nie zuvor. Das Land wird von einer Dürre geplagt, die mit kurzen Unterbrechungen seit neun Jahren anhält.

Ökologen haben errechnet, dass es im Nordirak drei Monate ununterbrochen regnen müsste, damit der Pegelstand von Euphrat und Tigris wieder auf das statistische Mittelmaß kommt. Seit sich im letzten Jahr die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Irak wieder verbessert haben, insbesondere nach einem Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan in Bagdad im April 2024, drängte der Irak massiv auf ein Wasserabkommen über den Tigris.

Das Abkommen könnte zu einer Lebenslinie für den Irak werden und ist ein großer Erfolg für die Regierung al-Sudani

Jetzt hat die Türkei erstmals einer Wasserabgabe von 420 Kubikmetern pro Sekunde zugestimmt. Der Irak hatte zwar um 500 Kubikmeter pro Sekunde gebeten, aber das Abkommen beinhaltet auch Kooperationsprojekte für ein neues Flussmanagement, türkische Unterstützung für die Modernisierung der Bewässerung auf irakischem Agrarland und die Instandhaltung und den Bau neuer Staudämme im Irak.

Das Abkommen könnte zu einer Lebenslinie für den Irak werden und ist ein großer Erfolg für die Regierung von Mohammed Shia al-Sudani. Ankara hofft, al-Sudani damit auch bei den Wahlen geholfen zu haben, weil man auf Stabilität im Irak und die Fortsetzung der amtierenden Regierung setzt. Dafür erlaubt der Irak der Türkei, Waren im großen Umfang in den Irak zu exportieren, und unterstützt ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das türkische Firmen im Irak realisieren wollen. Es geht um Pipelines, eine Autobahn und eine Bahnlinie von Basra am Persischen Golf bis in die Türkei, wo sie dann an bestehende Strecken nach Europa angeschlossen werden sollen. Pessimisten im Irak befürchten bereits, von der bisherigen Abhängigkeit vom Iran nun in eine neue Abhängigkeit von der Türkei zu geraten. Die irakische Regierung hofft dagegen mit der neuen Zusammenarbeit den iranischen Einfluss ausbalancieren zu können.

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