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WahldebatteWahlkampf verschoben

Der Kieler Landtag diskutiert den Antrag der Grünen, vorzeitige Neuwahlen anzuberaumen. CDU und SPD stimmten für eine Fortsetzung der Regierung. Die Opposition fordert: Macht endlich Schluss!

Abgestimmt: Nach einem mehrtägigen Gerangel beschlossen CDU und SPD doch bis zum Ende der Wahlperiode Arm in Arm weiterzugehen. Bild: dpa

Einen "Abtanzball der Eitelkeiten" nannte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki das Gezerre der schwarz-roten Koalition in Kiel - und hübsche sprachliche Pirouetten drehten alle Beteiligten auch gestern im Landtag. Es ging um den Antrag der Grünen, vorzeitige Neuwahlen anzuberaumen, eine Idee, mit der als erster Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) auf das glatte Kieler Parkett getreten war.

Nach einem mehrtägigen Gerangel, das eher an Boxkampf als Tanz erinnerte, hatten CDU und SPD beschlossen, doch bis zum Ende der Wahlperiode im Mai 2010 Arm in Arm weiterzugehen. So stand denn gestern vor Beginn der Debatte das Ergebnis im Pflichtprogramm fest, und jeder Abgeordnete schaffte die Hürde: CDU und SPD stimmten geschlossen gegen den Antrag und damit für eine Fortsetzung der Regierung.

Grüner will in der Ampel blinken

Die Grünen in Schleswig-Holstein müssen nach Ansicht ihres Landesvorsitzenden Robert Habeck altes Lagerdenken überwinden.

"Es wäre falsch so zu tun, als könnte man das rot-grüne Regierungsbündnis einfach wieder aufleben lassen", so Habeck am Donnerstag. "Wir brauchen keine positive Wahlaussage zu anderen Parteien, sondern müssen die Unterschiede klar herausstellen."

Eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen ist aus Habecks Sicht nicht das wahrscheinlichste Ergebnis aber ein attraktives: "Wir sollten aber weder Pro-Aussagen machen noch uns an der ,Ausschließeritis' beteiligen."

Es sei ein großer Unterschied, "ob wir 12 Prozent holen und die FDP 8 Prozent oder umgekehrt", findet Habeck. "Es darf also keinen Automatismus geben. ,Auf jeden Fall' gibt es nicht mehr - hoffe ich jedenfalls."

So war es reine Formsache, dass Grüne und SSW für Neuwahlen am 12. Juli plädierten und die FDP für ihren Änderungsvorschlag eintrat, die Landtagsentscheidung auf den Termin der Bundestagswahl am 27. September zu legen. Punkte gab es nur in der Kür zu holen, und da boten die Rednerinnen und Redner ein ganzes Waffenarsenal auf, vom giftigen Lob für den Gegner über das Florett bis zum Säbel.

Die Regierung sei "noch in der Kreisliga abstiegsgefährdet", sagte der Grünen-Fraktionschef Karl Martin Hentschel. CDU-Fraktionschef Johann Wadephul sagte "Herrn Dr. Stegner" erst "die Rückendeckung der CDU-Fraktion zu", falls sie ihm in den eigenen Reihen fehle, und kritisierte ihn dann für seine Attacken auf Carstensen per Twitter und Interview.

Ralf Stegner selbst, SPD-Fraktionschef und Kandidat für den Ministerpräsidentenposten, schaltete direkt in den Wahlkampfmodus, lobte ausschließlich die Tätigkeiten der SPD-Ministerriege im Kabinett und höhnte über CDU und FDP, die bereits Koalitionsaussagen getroffen haben: "Der größte Oppositionsführer aller Zeiten" - Kubicki - wolle der CDU "aus seiner langjährigen Erfahrung erklären, wie regieren geht".

Ein vergiftetes Lob gab es für den "lieben Herrn Carstensen": Er habe in der Steuerpolitik Positionen der SPD übernommen. Carstensen widersprach seinem Erzfeind grummelnd. Der Ministerpräsident gab sich in seiner Rede wieder einmal als neutraler Moderator: "Bis zum Ende der Wahlperiode sind Erfolg und Misserfolg nicht teilbar", sagte er. "Jeder gibt sein Bestes, und im Mai 2010 werden wir vor den Wähler treten. Wir werden hart arbeiten." Gemeinsam oder gegeneinander?

In den nächsten Wochen stehen Entscheidungen über die Schuldenbremse und über beitragsfreie Kitas an, in beiden Fällen gibt es Unterschiede zwischen CDU und SPD. Tiefe Gräben bestehen bei Grundsatzfragen von Energie bis Kreisreformen. Außerdem "bereitet uns die HSH Nordbank Sorge", sagte Wadephul - ein hübscher Euphemismus. Die Opposition war sich einig: Diese Regierung kann und will nichts mehr regeln. Kubicki sah "eine Regierung im Nirwana".

Anke Spoorendonk von der Minderheitenpartei SSW stellte fest: "Die Beziehung ist in einer Phase, in der jeder Therapeut schreiend davonlaufen würde." Sie forderte: "Macht endlich Schluss!" Es sei "eine Frage der Selbstachtung", sagte Kubicki, und Hentschel erklärte, die Regierung sei wegen falscher Entscheidungen "die teuerste, die Schleswig-Holstein je hatte". CDU und SPD gaben die Kritik zurück: Es sei "das gute Recht und die Pflicht der Opposition, die Regierung zu kontrollieren und zu befragen", sagte Carstensen. "Aber sie muss auch ein Gegenmodell bieten" - das aber fehle.

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