Simone Schmollack über Äußerungen des Lehrerverbands
: Doch, doch, Jugend ist politisch

Jugendliche sind unpolitisch und auch ein bisschen doof. So in etwa lässt sich – sehr zugespitzt formuliert – das Statement des Lehrerverbandes kurz vor der Europawahl am Sonntag verstehen. Oder wie sonst soll man den Satz des Verbandspräsidenten Stefan Düll gegenüber den Funke-Medien lesen: „Ein großer Teil interessiert sich eben auch nicht die Bohne für Politik mit ihren vielen Facetten.“

Man hört das und staunt: Ein Verband von professionellen Lehrenden, deren Aufgabe es ist, ihren Schützlingen, also den 16-Jährigen, die zum ersten Mal das EU-Parlament mitwählen dürfen, die Bedeutung genau dieses Rechts nahe zu bringen. Ganz sicher machen das viele Lehrende verantwortungsvoll und aufopferungsbereit. Und gewiss sind nicht alle Jugendlichen gleich stark an Politik interessiert und dafür interessierbar. Ebenso haben nicht alle Jugendlichen denselben Bildungsstand, erst recht nicht dieselben Bildungszugänge. Aber die pauschale Abwertung junger Menschen, von denen es gemeinhin heißt, sie seien unsere Zukunft, ist ausgerechnet des Lehrerverbandes unwürdig.

Sicher, Lehrkräfte machen unterschiedliche Erfahrungen mit Schüler:innen, manche davon sind bekanntermaßen nicht in jedem Fall prickelnd. Das zu ändern, ist allerdings auch Aufgabe der Lehrenden. Gemeinsam mit Eltern und anderen bildungskompetenten Menschen.

Peinlich für den Verband ist zudem, dass er die Schü­le­r:in­nen­schaft offenbar schlecht kennt. Kaum eine junge Generation in den vergangenen Jahrzehnten ist so politisch wie die jetzige. Die streikt für Klimaschutz, geht auf die Straße gegen rechts, ernährt sich vermutlich sogar anders als die (Boomer)Ver­tre­te­r:in­nen des Lehrerverbandes. Das bestätigt die letzte Shell-Jugend­studie: Knapp über 40 Prozent der Jugendlichen interessieren sich stark bis sehr stark für Politik.

Natürlich gibt es auch Schüler:innen, die sich eher für Mode, erste Liebe, Sex interessieren. Auch das ist in Ordnung. Mit 16 darf, soll, muss sich ein Mensch verstärkt mit sich selbst beschäftigen dürfen. Sich selbst besser zu kennen, ist nötig, um sich der Welt (und der Politik) zu öffnen.

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