Wahl zum neuen DFB-Präsidenten: Scheindemokratisches Spektakel
Fritz Keller wird DFB-Präsident – und aller Voraussicht nach ein guter. Blöd nur, dass er in einem problematischen Verfahren bestimmt wurde.
G lückwunsch, DFB! Die Findungskommission des größten deutschen Sportfachverbands ist bei der Suche nach einem neuen Präsidenten tatsächlich fündig geworden. Fritz Keller soll es werden. Der ist bislang Präsident des Bundesligisten SC Freiburg. Er hat als solcher einen guten Leumund. Er kennt den Profifußball und ist doch ein klassischer Vereinspräsident, der im Sinne der Mitglieder handelt und nicht im Auftrag der Shareholder von Fußball-Aktiengesellschaften, wie es die CEOs etlicher Erstligisten tun müssen. Der Winzer gehört auch nicht zur Kaste jener korrupten und machtgeilen Funktionäre wie seine Amtsvorgänger Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel. Er mag ein guter Präsident werden. Dem deutschen Fußball sei’s gegönnt!
Es wird gewiss nicht leicht für Keller, den deutschen Fußball zusammenzuhalten, dessen Amateure beklagen, dass sie zu wenig profitieren vom immer irrer werdenden Geschäft im Profibereich.
Es gibt wirklich viel zu tun. Anfangen könnte Keller mit der Aufarbeitung seiner eigenen Nominierung: Vielleicht sollte er sich nach seiner offiziellen Wahl durch den sogenannten DFB-Bundestag am 27. September noch einmal ansehen, wie er ins neue Amt gekommen ist: Eine Findungskommission, bestehend aus sechs führenden Fußballfunktionären, allesamt Männer natürlich, hat sich für ihn entschieden. Bald wird er den Landes- und DFB-Regionalfürsten sowie den Vertretern der Bundesliga vorgestellt. Die Wahl im September durch von den Landesverbänden und dem Profifußball entsandte Delegierte ist nicht mehr als ein scheindemokratisches Spektakel. Keller wird’s.
Schon vor der offiziellen Wahl steht also fest, dass ein Mann den Verband aus dem Korruptionssumpf führen soll, in dem er seit den ungeklärten Zahlungen rund um die Weltmeisterschaft 2006 steckt. Es wird keine Gegenkandidatin geben, keine Konkurrenz der Ideen. Keller sei der einzige Kandidat gewesen, mit dem man gesprochen habe, heißt es aus der Findungskommission. Die sechs Herren hätten ruhig mal mit Ute Groth sprechen können. Die Vorsitzende des Breitensportvereins DJK TuSA 06 Düsseldorf hat ihre Bereitschaft zur Kandidatur schon Ende April bekundet. Noch besser wäre es gewesen, wenn sie etwa vom Westdeutschen Fußballverband ins Rennen geschickt worden wäre. Jetzt wird die Mär verbreitet, Keller sei der einzig mögliche Kandidat gewesen.
All das zeigt das Demokratiedefizit im deutschen Fußball. Keller hat das nicht zu verantworten. Mehr Demokratie im DFB zu wagen wäre indes ein schönes Projekt für den neuen Präsidenten. Wir wünschen viel Erfolg dabei!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland