Wahl in Bolivien: Veto gegen den ewigen Evo
Evo Morales hat seine Mehrheit selbst verspielt. Aus der Idee der Partizipation aller wurde Machterhaltungstrieb, neue Impulse traut man ihm nicht zu.
E vo Morales hat den ersten Wahlgang in Bolivien zwar gewonnen und ließ sich am Sonntagabend im Palacio Quemado gegen 22 Uhr feiern, aber es ist ein bitterer Sieg. Das erklärte Ziel, den Zweitplatzierten Carlos Mesa im ersten Wahlgang um 10 Prozentpunkte zu übertrumpfen und so den zweiten Wahlgang zu vermeiden, hat er verfehlt. Zwar bestand zu diesem Zeitpunkt nach Auszählung von gut 83 Prozent der Stimmen noch die vage Chance, dass die Stimmen aus den ländlichen Regionen des Landes ihm die nötigen Prozentpunkte verschaffen, aber diese Hoffnung hatte Evo mehr oder minder exklusiv.
Zu deutlich waren die Hochrechnungen von ViaCiencia, der einzig offiziell zugelassenen Agentur, die Evo Morales nur mit rund vier Prozentpunkten vor seinem Verfolger Carlos Mesa liegen sahen. Der und alle anderen Kandidaten sprachen derweil schon von der Stichwahl, und Oscar Ortiz, der erzkonservative Kandidat von „Bolivien hat Nein gesagt“, kündigte auch schon seine bedingungslose Unterstützung für die Stichwahl am 15. Dezember an – für Carlos Mesa.
Die Luft wird dünner für den ewigen Evo und das hat sich der 59-Jährige selbst zuzuschreiben. Dialog und Partizipation, die seine erste Amtszeit noch charakterisierten, sind auf der Strecke geblieben. Dafür ist die Zweidrittelmehrheit verantwortlich, die seine „Bewegung zum Sozialismus“ in beiden Kammern des Parlaments seit zehn Jahren hat. Es wurde immer weniger verhandelt und auf Ausgleich gesetzt – und immer mehr über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Die verbal omnipräsente Partizipation hat sich real mehr und mehr in Luft aufgelöst.
Das Festhalten an der Macht entgegen dem Referendum vom 21. Februar 2016, in dem 51 Prozent gegen eine Verfassungsänderung zugunsten einer erneuten Kandidatur von Evo Morales stimmten, hat die Wahl zudem zu einer Art weiterem Referendum gegen den amtierenden Präsidenten mutieren lassen. Hinzu kommen die nicht allzu positiven wirtschaftlichen Zukunftsaussichten, die sich seit rund drei Jahren negativ auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Viele Jungwähler trauen dem omnipräsenten Evo schlicht nicht zu, für neue Impulse sorgen zu können.
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