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Wahl des BundespräsidentenWilsberg muss sich entscheiden

Zur Wahl des Staatsoberhaupts können die Fraktionen auch Promis schicken. Das nutzen nur SPD und Grüne. Bei der CDU gilt diesmal: keine Experimente.

Hier wird am Samstag der Bundespräsident gewählt. Bild: AP, Markus Schreiber

Der Zeitplan

Erster Wahlgang: Am Samstag um 12 Uhr beginnt die Wahl des Bundespräsidenten im Reichstagsgebäude. Bundestagspräsident Norbert Lammert wird die Namen aller 1224 Mitglieder der Bundesversammlung einzeln aufrufen, die dann zur Wahlkabine gehen. Um etwa 14.30 Uhr sind die Stimmen ausgezählt.

Weitere Wahlgänge: Falls niemand die erforderliche absolute Mehrheit erhält, beginnt der zweite Wahlgang - bei dem wieder die absolute Mehrheit erforderlich ist. Erst im dritten Wahlgang reicht auch eine einfach Mehrheit.

Rede: Der Wahlsieger kann anschließend vor dem Brandenburger Tor auf dem Fest zur Feier der BRD-Gründung vor 60 Jahren eine Rede halten.

Das lief peinlich für die CSU: Statt Horst Köhler zu wählen, outete sich ihre Wahlfrau Gloria von Thurn und Taxis bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl als Fan von Gesine Schwan - und fiel ihr angeblich auch noch um den Hals. So eine Szene wollen die Berliner Christdemokraten nicht erleben, wenn es am Samstag im Reichstag erneut um den Posten des Staatsoberhaupts geht. Verlässlichkeit geht deshalb vor Promi-Faktor. "Dieses mal wollten wir ganz auf Nummer sicher gehen gehen", heißt es in der CDU-Fraktion. Das Motto: Keine Experimente beim Wahlduell Horst Köhler gegen Gesine Schwan.

Der Bundesversammlung, die einmal alle fünf Jahre tagt, gehören neben allen 612 Bundestagsabgeordneten ebensoviele von den Landesparlamenten gewählte Vertreter an. Deren Zahl entspricht der Landesgröße - das Berliner Abgeordnetenhaus stellt dieses Mal 24 Mitglieder, der nordrhein-westfälische Landtag 129. Neun davon hat die SPD-Fraktion vorgeschlagen, sechs die CDU, vier haben die Grünen benannt, drei die Linkspartei, zwei die FDP. Das können Abgeordnete sein, aber eben auch von den einzelnen Fraktionen benannte Prominente und verdiente Bürger außerhalb.

Das verschafft dem ausschließlich zur Wahl tagenden Gremium ein besonderes Ambiente jenseits des üblichen Politik-Betriebs. Das Problem für die nominierenden Fraktionen: Die Promis bringen zwar Flair, aber - siehe von Thurn und Taxis - auch Unsicherheit in die Abstimmung. Sie sind eben keine Parteisoldaten und votieren schon mal anders als geplant. Jeden Platz für einen Promi muss die Fraktionsspitze zudem gegen Ansprüche aus den eigenen Reihen verteidigen: In der Regel gilt es als Auszeichnung, bei der Bundesversammlung dabei zusein - entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten.

Hinzu kommt: Anders als vor fünf Jahren ist der Wahlausgang diesmal noch unsicherer. Die Entscheidung verläuft zudem nicht strikt getrennt zwischen links und rechts. Denn Köhlers Engagement für Afrika hat auch dort Eindruck gemacht, wo Sympathien für die CDU nicht zu erwarten wären. Die grüne Bundestagsabgeordnete und Entwicklungspolitikerin Uschi Eid etwa will für ihn stimmen. Auch Sänger Wolfgang Niedecken von der Kölner Kultband "BAP" ist Köhler-Fan - und brachte sich damit angeblich um einen SPD-Platz in der Bundesversammlung. Unter den von der CDU-Fraktion Nominierten ist dieses Mal allein die Verlegerin Friede Springer ohne Mandat oder CDU-Posten.

Noch klarer ist der Kurs bei Linkspartei und FDP. Beide haben nur Parteigrößen nominiert: Die einen ihre drei Senatsmitglieder, die anderen ihren früheren und ihren aktuellen Fraktionschef. "Wir wollten gern die Eischnellauf-Weltmeisterin Jenny Wolf aufstellen", sagt die Fraktionschefin der Linkspartei, Carola Bluhm. "Die hätte auch gewollt, aber sie ist am Wahltag weit weg im Trainingslager."

Ganz anders gehen SPD und Grüne mit der Bundesversammlung um. Bei den Sozialdemokraten sind nur drei Landesparlamentarier unter den neun Nominierten - der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Partei- und Fraktionschef Michael Müller und die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhaus, Karin Seidel-Kalmutzki. Mit ihnen stimmen ab: DGB-Chef Michael Sommer, Fußballverbandschef Berndt Schultz, Juso-Bundeschefin Franziska Drohsel, die bereits 86-jährige deutsch-israelische Autorin Inge Deutschkron und Dery Ovali, Vorstandsmitglied beim Türkischen Bund.

Alle sind in gewisser Weise über Job oder Funktion politiknah - bis auf den neunten Vertreter auf SPD-Ticket: Das ist Leonard Lansink, der in der gleichnamigen ZDF-Serie den Privatdetektiv "Wilsberg" verkörpert. "Der ist schon vor einigen Jahren bei uns Mitglied geworden", erzählt Parteichef Müller. Sorgen um dessen Wahlentscheidung macht er sich nicht: "Als ich mit ihm darüber gesprochen habe hat er bloß gelacht - für Horst Köhler zu stimmen, kommt für ihn gar nicht in Frage."

Ähnlich besetzte die Grünen-Fraktion die auf sie entfallenden vier Plätze. Aus dem Parlament kommt nur Fraktionschef Volker Ratzmann. Mit ihm votieren die Stasi-Unterlagen-Beauftragte Marianne Birthler, früher Ministerin für Bündnis 90 in Brandenburg, Almuth Berger, Mitbegründerin der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" in der DDR, und Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Ratzmanns Co-Chefin Franziska Eichstädt-Bohlig war als frühere Bundestagsabgeordnete bereits zweimal Mitglied der Bundesversammlung.

Nach Fraktionsangaben ging es bei der Nominierung darum, Zeichen zu setzen gegenüber 20 Jahre Mauerfall und Migranten in Deutschland. Die Grünen gehen zwar von einem Votum für Gesine Schwan aus - "keiner hat andere Signale ausgesandt", sagte Fraktionssprecher Matthias Tang. "Eine Gewissensprüfung hat es aber nicht gegeben."

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