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Waffenstillstand im Ukraine-KonfliktKaum jemand glaubt dran

Es gibt ein neues Abkommen für Waffenstillstand zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Separatisten – und viele Zweifel.

Ukrainischer Soldat. Jede Seite soll selbst kontrollieren, ob der Waffenstillstand eingehalten wird Foto: Ukranian Defence Ministry

Seit Mitternacht ist eine neue Waffenruhe in der Ostukraine in Kraft. Diese war am Mittwoch von der sogenannten Dreierkontaktgruppe vereinbart worden.

Doch schon nach wenigen Stunden soll diese Waffenruhe nach Angaben des ukrainischen Oberkommandierenden Wladimir Krawtschenko am Morgen von den von Russland unterstützten Separatisten gebrochen worden sein. An einem Frontabschnitt habe man Mörserbeschuss durch die Separatisten beobachtet, so Krawtschenko.

Auch an den Tagen vor der Waffenruhe hatte es Kämpfe gegeben. Insgesamt 15 Mal hätten die Separatisten die ukrainischen Streitkräfte am Wochenende beschossen, berichtet ein ukrainischer Armeesprecher. Ein ukrainischer Soldat sei verletzt worden. Besonders beunruhigt zeigt sich das ukrainische Verteidigungsministerium angesichts von Minen, mit denen die „Volksrepubliken“ die ukrainische Seite beschossen hätten. Denn diese könnten erst Tage später explodieren – und dann sähe eine Explosion auf einem von der Ukraine kontrollierten Gebiet so aus, als würde die ukrainische Seite den Waffenstillstand brechen.

Der Ukraine-Konflikt

Krieg

Seit Februar 2014 kämpfen ukrainische Regierungstruppen in der Ostukraine gegen von Russland unterstützte Aufständische. Diese haben in den Regionen Donezk und Luhansk sogenannte Volksrepubliken aus­gerufen. UN-Schätzungen zufolge wurden seit dem Beginn des Konflikts mehr als 13.000 Menschen getötet.

Friedensplan

Im Jahr 2015 einigten sich die Konfliktparteien unter deutsch-französischer Vermittlung auf das Minsk-II-Abkommen. Dieses sieht unter anderem nach einer Waffenruhe den Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone rund um die Frontlinie sowie Wahlen in Donezk und Luhansk vor. Danach sollen beide Regionen einen autonomen Sonderstatus erhalten.

Waffenruhe

Die jüngsten Vereinbarungen enthalten einige Zusatzbestimmungen. Dazu gehört ein Verbot des Einsatzes von Drohnen. Schwere Waffen dürfen nicht mehr in Ortschaften positioniert werden. In der Vergangenheit hat es rund zwei Dutzend Anläufe für eine vollständige Waffenruhe gegeben. Alle scheiterten nach kurzer Zeit. (bo)

Auf der anderen Seite beschuldigen die „Volksrepubliken“ die ukrainischen Streitkräfte, kurz vor dem Waffenstillstand Waffen eingesetzt zu haben. Dreißig Mal habe die Ukraine in den Tagen vor dem Waffenstillstand die „Volksrepublik“ Donezk beschossen, berichtet die in Donezk angesiedelte Nachrichtenagentur dan-new.in­fo. Dabei seien auch im Gebiet des früheren Donezker Flughafens und der Siedlung Spartak Geschosse niedergegangen.

In Ukraine will es niemand glauben

Wenige Stunden vor Inkrafttreten des Waffenstillstands telefonierten Präsident Wolodimir Selenski und Präsident Putin. Dabei, so das Portal des ukrainischen Präsidenten, habe man über eine Umsetzung der Vereinbarungen des Pariser Gipfeltreffens vom Dezember 2019 gesprochen, sowie über eine Öffnung weiterer Übergangspunkte an der Waffenstillstandslinie, Minenräumung und weitere Truppenentflechtungen.

Ein weiteres Thema sei die Umsetzung einer Selbstverwaltung im Donbass und ein Gesetz zur Dezentralisierung, das auch eine Änderung der ukrainischen Verfassung mit sich bringe. Man habe auch über die Freilassung von Gefangenen gesprochen, so das Präsidentenportal.

Demgegenüber findet sich auf der Seite des russischen Präsidenten nichts zum Thema Gefangene. Stattdessen berichtet das russische Portal über Putins Besorgnis angesichts der von der Ukraine für Oktober angesetzten Kommunalwahlen im Donbass. Dies, so das russische Portal, bedeute eine Verletzung der Vereinbarungen von Minsk. Das Telefonat habe, so das russische Portal, auf Initiative der Ukraine stattgefunden.

Dass der neue Waffenstillstand wirklich funktionieren werde, will in der Ukraine niemand so recht glauben. Fast 50 Mal sei seit 2014 ein Waffenstillstand vereinbart worden, so der Politologe Wolodimir Fesenko im Gespräch mit der taz. Jedes Mal hätte dieser maximal zwei Tage gehalten. Trotzdem enthalte der neue Waffenstillstand erstmalig konkrete Kontrollmechanismen: Die Seiten hätten sich verpflichtet, Personen, die die Waffenruhe verletzt hatten, disziplinarisch zur Rechenschaft zu ziehen. „Wie diese disziplinarrechtlichen Sanktionen konkret umgesetzt werden sollen, steht jedoch leider nicht in der Waffenstillstandsvereinbarung“, so Fesenko. Er geht davon aus, dass vor allem Personen und Gruppen aus dem Umfeld des früheren Präsidenten Poroschenko gegen die Waffenruhe protestieren werden.

Zwar sei es schwerer, diesen Waffenstillstand zu verletzen, als dies bei den vergangenen Vereinbarungen der Fall war, meint der aus Donezk stammende Journalist Sergej Garmsch, der für die Ukraine in der Kontaktgruppe mitarbeitet, gegenüber dem Sender Ukraina24. Trotzdem glaube er nicht, dass die Waffenruhe lange anhalten werde.

Aufruf zur Befehlsverweigerung

Sofort nach Bekanntwerden der Waffenstillstandsvereinbarung hat sich Dmitrij Jarosch, ehemaliger Chef des Rechten Sektors, gegen diesen gewandt. Schon die früheren Machthaber „haben versucht, uns zum Frieden mit Terroristen und Besatzern zu zwingen“, zitiert das Portal Obosrewatel Jarosch. „Kapitulation vor dem Kreml ist der Tod unseres Staats“, so Jarosch.

Wenn die Ukrainer das Schießen für den Schutz der Heimat einstellen, gehen sie ihrer Staatlichkeit verlustig, so Jarosch, der den Machthabern „Verrat“ vorwirft und die Militärs zur Befehlsverweigerung aufruft.

Unterdessen drängt Präsident Selenski auf ein zeitnahes Treffen der Staatschefs der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands. Dort solle, so Selenski, der Waffenstillstand von diesen Staatschefs unterzeichnet werden.

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