„Waffenrechner“-App: Ein Einkauf, eine Handgranate
Mit jedem gekauften Produkt finanzieren wir Waffen – durch unsere Mehrwertsteuer. Eine neue App rechnet uns vor, um welche Summe es geht.
Wir kaufen bio, leben bio. Laufen gerne zwei Straßen weiter, um im Biomarkt unseres Vertrauens dem gewissenhaften Konsum zu frönen. Dafür zahlen wir auch gerne ein paar Cent mehr pro Liter Milch, ein paar Euro mehr für ein Stück Käse. Fleisch essen wir nicht – falls doch, dann nur von biologisch korrekten Höfen, auch wenn es ein kleines Vermögen kostet. Wir bemühen uns und scheißen aufs Geld: für ein gutes Gewissen, für eine bessere Welt.
Diese bessere Welt hat leider einen Haken: Mit jedem gekauften Produkt finanzieren wir Waffen – durch unsere Mehrwertsteuer. Die neue App „Waffenrechner“ der ecosign Akademie in Köln rechnet uns ab jetzt bis auf den Cent genau vor, wie wir durch Shopping Geld in die Rüstungsindustrie pumpen. Jeder von uns ist ihr Sponsor durch direkte und indirekte Steuerabgaben.
Das läuft so: Stand 2013 fließen knapp elf Prozent des Bundeshaushalts an das Ministerium für Verteidigung. Aus diesem Topf wandern wiederum zirka 22 Prozent in militärische Beschaffungen, Materialerhaltung und Wehrforschung, wehrtechnische und sonstige militärische Entwicklung und Erprobung.
Samstag, Großeinkauf. Wir besorgen Grundnahrungsmittel für 54,67 Euro. Mit Brot, Nudeln, Kartoffeln finanzieren wir drei Stück Waffenmunition (drei tote Menschen) oder wahlweise auch zwei Drittel einer Handgranate (viele tote Menschen).
Wem die Auswahl nicht gefällt, kann weiter konsumieren. Die App errechnet centgenau den Betrag, den wir bis zum nächsten Rüstungsgegenstand noch ausgeben müssen: Kampfmesser KM 2000, Gewehr HK G36 oder auch eine Bazooka sind zu finanzieren.
Je teurer ein Produkt, desto mehr Mehrwertsteuer. Kaufen wir also im Bioladen guten Gewissens die Milch glücklicher Kühe, zahlen wir mehr. Für die Kühe – und für Waffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies