Waffenfabrikant macht Kulturpolitik: Zürcher Standortmarketing
Die Debatte zum Erweiterungsbau des Kunsthauses in Zürich hält an. Grund ist die Präsentation der Sammlung des Waffenfabrikanten Emil G. Bührle.
Nicht nur in der Schweiz ist der aus Pforzheim stammende Zürcher Waffenhändler und Kunstmäzen Emil G. Bührle ein ebenso berühmter wie berüchtigter Mann: Ein hessischer Lehrerausbildner mit Kriegserfahrung begrüßte in den 1970er Jahren einen Schweizer Gast mit dem Satz: „Beim Russlandfeldzug waren Sie ja mit Bührles Kanonen auch dabei.“
Die Frage des Gastes, wie genau er das meine, ließ der hessische Beamte offen. Aber Bührles Mithilfe bei der illegalen Aufrüstung der deutschen Reichswehr zwischen 1936 und 1945 sowie die gleichzeitige Entstehung seiner beachtlichen Kunstsammlung blieben ein Thema auf der politischen Tagesordnung über die sogenannte Neutralitätspolitik der Schweizer Regierung.
Der emeritierte Zürcher Historiker Jakob Tanner gehört zu den besten Kennern der Aktivitäten des Kunstmäzens und Waffenexporteurs Bührle. In seinem Essay, „Wie der Waffenfabrikant Emil G. Bührle in Zürich Kulturpolitik betrieb“ hat Tanner jetzt auf der Netzplattform „Geschichte der Gegenwart“ auf einige Aktivitäten und Interventionen Bührles in der Kulturpolitik hingewiesen, die so bisher noch nicht allgemein bekannt waren: Bührle mischte nicht nur als Kunstmäzen mit in der Zürcher Kulturpolitik, sondern auch in der Theaterpolitik.
Das dezidiert antinationalsozialistisch engagierte Zürcher Schauspielhaus, an dem unter anderem das Antikriegsstück „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht im Frühjahr 1941 mit der Emigrantin Therese Giehse in der Titelrolle uraufgeführt wurde, liegt pikanterweise am gleichen Platz wie das Zürcher Kunsthaus, dessen zweiter Erweiterungsbau des Stararchitekten David Chipperfield am 9. Oktober eröffnet werden soll.
Er wird wesentliche Teile der Kunstsammlung Bührle als Dauerleihgabe beherbergen, darunter 93 Gemälde, die Bührle zwischen 1941 und 1945 unter immer noch nicht restlos geklärten Umständen erworben hat.
Zumindest neun davon wurden als Raubkunst aus zumeist jüdischem Besitz eingestuft und mussten bereits restituiert werden, wie Tanner im Anschluss an die Provenienzforschung belegt. Tanner sieht im Zustandekommen des Erweiterungsbaus eine Bündelung der Interessen von Bührles Erben mit jenen des Zürcher Standortmarketings als Kunstmetropole, obwohl die wissenschaftliche Klärung der Herkunft aller Bilder noch nicht vorliegt.
Das Schweizer Bundesgericht attestierte dem Kunstsammler vor Jahren trotz „erdrückender gegenteiliger Beweislast gutgläubigen Erwerb“ (Tanner), was für die Schweizer Steuerzahler bedeutete, dass sie für die sogenannten „Rückgabeverluste“ des skrupelfreien Mäzens „aufkommen mussten“. Die Kritik an Bührle wegen dessen geschäftlicher Flexibilität im Kunst- wie Waffenhandel „ist bis heute nicht verstummt“ (Tanner).
Bührle befasste sich auch mit der Zürcher Theaterpolitik. Im Gegensatz zur antifaschistischen Schauspielhausdirektion war die Zürcher Kunstgesellschaft eher auf Kollaboration als auf Konfrontation mit dem NS-Regime ausgerichtet. Weil Bührles Engagement für den Nationalsozialismus den Alliierten nicht entgangen war, geriet er auf eine „schwarze Liste“ der Alliierten und sah sich gezwungen, sein Mäzenatentum neu auszurichten.
Er entschied sich dafür, das linke Schauspielhaus auf einen „nationalen“ Kurs zu bringen, wofür er 1944 die „Goethe-Stiftung für Kunst und Wissenschaft“ mit einem Kapital von zwei Millionen Franken gründete. Es gelang ihm freilich nicht, den Spielplan des Schauspielhauses im „nationalen“ Sinn umzukrempeln.
Nach Kriegsende änderte sich das kulturpolitische Klima. Bührle stieß in Zürich vermehrt auf Skepsis und Widerstand. Prominente Sozialdemokraten wie der Verleger Emil Oprecht, der sich für Flüchtlinge und Emigranten einsetzte, wurde Verwaltungsratspräsident der Aktiengesellschaft, der das Schauspielhaus gehört. Seine Kontakte zu Bührle trugen ihm Kritik ein, worauf er zum Mäzen auf Distanz ging.
1951 offerierte Bührle dem Kunsthaus einen Blankoscheck für einen ersten Erweiterungsbau. Bührle erhoffte sich damit Anerkennung durch die gut betuchte Zürcher Banken- und Wirtschaftswelt, die dem aus Pforzheim Zugereisten gegenüber skeptisch geblieben war. Einige Tage vor der geplanten Vollendung des von ihm finanzierten ersten Erweiterungsbaus starb Bührle am 26. 11. 1956.
Zur ausgesprochen problematischen Praxis der hausinternen „Provenienzforschung“ der Stiftung Bührle ist eben die glänzende Studie Erich Kellers, eines ehemaligen Mitarbeiters des Forschungsprojekts „Historische Kontextualisierung der Sammlung Bührle“ erschienen. Das Buch Kellers, im Schweizer Rotpunkt Verlag veröffentlicht, trägt den richtungsweisenden Titel, „Das kontaminierte Museum“. Weiterer Kommentierung überflüssig.
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