Waffen und Geld vom Staat: Kongos Regierung alimentiert den Krieg
Regierung und Militär halten den Krieg im Osten Kongos am Laufen: Diesen brisanten Vorwurf erhebt eine UN-Untersuchungskommission. Milizen und Rebellen bekommen Waffen vom Staat.
Der Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist ein mörderischer Kreislauf, in dem alle Parteien sich gegenseitig versorgen und damit die Kämpfe am Laufen halten. Dieses düstere Bild zeichnet der neue Bericht der UN-Expertenkommission zur Überwachung der internationalen Sanktionen gegen Kongos bewaffnete Gruppen, der am Freitag in New York veröffentlicht wurde und den der UN-Sicherheitsrat am Montag diskutieren soll.
Der wichtigste Kreislauf ist der des Waffenschmuggels. "Kongos Regierungsarmee FARDC ist die Hauptquelle von Waffen und Munition für bewaffnete Gruppen", heißt es in dem Bericht. Rüstungsgüter aus aller Welt, von Kongos Regierung eingeführt, landen regelmäßig bei Ostkongos bewaffneten Gruppen - entweder im Rahmen offizieller Zusammenarbeit zwischen Regierungskommandeuren und Milizen oder per Verkauf von Waffen durch hungrige Soldaten oder bei der Eroberung von Waffendepots durch regierungsfeindliche Rebellen. Niemand kontrolliere den Verbleib legaler Waffen im Kongo - "die Regierung weiß nicht, wie viele Waffen wo und bei wem gelagert sind", berichten die UN-Experten. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) beschlagnahmt im Rahmen von Demobilisierungsprogrammen regelmäßig Waffen von Milizen - und gibt diese dann der Armee, von wo aus sie dann wieder bei Milizen landen.
Ein zweiter Kreislauf ist der des Mineralienexports, in dem ebenfalls alle Seiten zusammenarbeiten. Kongos Regierung vergibt Exportlizenzen zur legalen Ausfuhr von Gold, Zinn, Coltan und anderen Rohstoffen aus dem Ostkongo an lokale Handelsfirmen, die dann Rohstoffe aus Gebieten unter Kontrolle bewaffneter Gruppen einkaufen. Die meisten Bergbaugebiete der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu sowie wichtige Zinn- und Goldvorkommen der Provinz Nord-Kivu stehen laut Bericht unter Kontrolle der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), deren Führung zum Teil in den Völkermord in Ruanda 1994 verwickelt war und international unter Sanktionen steht. Die FDLR verdiene an der Abschöpfung dieses Mineralienhandels jedes Jahr "Millionen" von Dollar.
Gemeinsamer Hauptgegner von Regierung und FDLR im Ostkongo ist die von Tutsi-General Laurent Nkunda geführte Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes), die seit August große Teile der Provinz Nord-Kivu erobert hat. Die CNDP verdiene jährlich "Hunderttausende" von Dollar über Anteile an Zolleinnahmen an den von ihr kontrollierten Grenzübergängen zu Uganda, so die UN-Experten. Sie erhöben außerdem Steuern auf Warentransporte und kassierten Schutzgelder von Viehzüchtern und der einzigen in ihrem Gebiet tätigen Mineralienexportfirma.
Neben Zollgeldern verlassen sich die Rebellen auf Geld von Sympathisanten in Ruanda und anderen Ländern. Führend genannt wird dabei der Geschäftsmann Tribert Rujugiro, ein kongolesischer Tutsi, der in Ruanda lebt und den dortigen Staatschef Paul Kagame berät. Die CNDP habe in Ruanda auch Uniformen erworben und Kämpfer rekrutiert, die zum Teil von der ruandischen Armee bis an die Grenze gebracht wurden. Für Waffen- und Munitionslieferungen aus Ruanda oder direkte ruandische Militäreinsätze im Kongo, ein häufig vo kongolesischer Seite erhobener Vorwurf, fanden die UN-Experten keine Beweise; die meisten Waffen hätten die Rebellen der Regierungsarmee abgenommen, zum Teil tonnenweise bei der Eroberung von Militärbasen.
Die FDLR wiederum arbeitet eng mit Kongos Regierungsarmee FARDC zusammen, sogar auf Generalsebene. Die Armee liefert laut UN-Bericht den FDLR-Milizen Munition und operiert mit ihr gemeinsam, trotz gegenteiliger schriftlicher Abmachungen der Regierung. Der Bericht verweist auch auf die Auslandsführung der Miliz, vor allem den in Deutschland lebenden FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka. Er telefoniert laut UN-Bericht "mehrmals die Woche" mit den FDLR-Militärkommandanten im Ostkongo und ist "an täglichen operationellen Entscheidungen beteiligt". Eigentlich ist Murwanashyaka wegen UN-Sanktionen mit einem politischen Betätigungsverbot belegt, für dessen Einhaltung Deutschlands Behörden zuständig sind.
Scharfe Kritik üben die UN-Experten daran, dass Kongos Militär seit Ausbruch der Kämpfe im August zivile Flugzeuge für Rüstungstransporte requiriert hat. Auf diese Weise habe Sudans Regierung Waffen nach Ostkongo geliefert. Außerdem sei Munition aus dem Kongo nach Simbabwe geflogen worden - möglicherweise ist das Kongos Gegenleistung für angebliche simbabwische Militärunterstützung.
Der UN-Bericht ist die bisher detaillierteste Untersuchung von Finanz- und Waffenströmen im Ostkongo. Die brisantesten Beweismittel bleiben unter Verschluss, um die Sicherheit der UN-Experten nicht zu gefährden. Auch eine Liste von Personen, auf die die geltenden UN-Sanktionen wegen Unterstützung bewaffneter Gruppen im Ostkongo erweitert werden sollten, bleibt vertraulich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour