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Waffen in den USA„Das kann niemand mehr tolerieren“

Lori Haas' Tochter wurde bei einem Amoklauf vor fünf Jahren an der Virginia Tech verletzt. Seitdem kämpft sie für strengere Waffengesetze in den USA.

Weiße Luftballons der Trauer an der Sandy Hooks Grundschule in Newtown. Bild: reuters
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Frau Haas, vor fünf Jahren wurde Ihre Tochter bei dem Amoklauf an der Virginia Tech schwer verletzt. Können Sie beschreiben, wie jetzt die Situation der Angehörigen der Opfer in Newtown ist?

Lori Haas: Ich glaube nicht, dass irgend jemand die richtigen Worte hat, um das zu beschreiben. Es ist zu schrecklich. Es ist Furcht und Schmerz und Seelenqual.

Sie organisieren an diesem Wochenende in Ihrer Stadt Richmond in Virginia eine Kerzenwache für die Opfer von Newtown. Gibt es in etwas, womit Außenstehende den Angehörigen und den Opfern helfen können?

Unterstützung zeigen, beten, Beileidskarten schicken, Mahnwachen für die Opfer abhalten – das alles ist wunderbar. Und es kommt von Herzen. Aber ich denke, was Leute in diesem Land vor allem tun können, ist, ihre gewählten Vertreter dazu zu zwingen, dass sie aktiv werden. Um die Opfer zu ehren. Und um sicher zu stellen, dass es keine weiteren Opfer in der Zukunft gibt. Die Politiker müssen einen Plan vorlegen.

Präsident Barack Obama hat von „bedeutungsvollen Aktionen“ gesprochen. Ist das ausreichend?

Ich möchte Vertrauen haben und ich hoffe und ich bete, dass er hinter seinen Worten steht. Und dass er es ernst meint, wenn er „Aktion“ sagt. Es gibt konkrete Schritte, die wir tun können, um die Morde zu stoppen, die an jedem Tag in diesem Land stattfinden.

Bild: privat
Im Interview: Lori Haas

54, ist die Mutter von Emily, die bei der Schießerei an der Universität Virginia Tech, am 17.4.2007 mit zwei Kugeln in den Kopf verletzt worden ist. Lori Haas ist in der „Coalition to StopGunViolence“ in Washington DC aktiv, die für Schusswaffenkontrolle eintritt. Bei der Schiesserei in Virginia Tech sind 32 Menschen gestorben. Lori Haas' Tochter hat überlebt. Sie ist heute verheiratet und arbeitet als Lehrerin.

Welche Schritte meinen Sie?

Wir müssen die Schusswaffen von unseren Straßen holen. Killerwaffen gehören nicht in jedermanns Hände. Das sind Waffen für Militärs, die damit umgehen können. Wir müssen die Überprüfung der Hintergründe verbessern, wir müssen alle Waffenkäufer und alle Waffenverkäufer kontrollieren, und wir müssen Schnellfeuerwaffen und Hochleistungsmagazine verbieten. Wir müssen auch daran arbeiten, unsere Familien und unsere Gemeinden von Waffengewalt freizuhalten.

Woran liegt es, dass es in den USA so viel Toleranz für Waffen und Waffenbesitz gibt?

Das trotzt jeder Intelligenz. Das gehört nicht in eine zivilisierte Gesellschaft. Es macht keinen Sinn. Wir sind klüger, menschlicher und teilnahmsvoller als das. Wir haben Lobbyisten, die unsere gewählten Vertreter im Würgegriff halten. Ich hoffe, dass sie ignoriert werden. Und dass ihr Einfluss zerdrückt wird. Sie wollen ausschließlich Geld machen. Nichts anderes. Ihnen geht es nicht um die Beteiligung an der Debatte.

Wer ist diese Lobby?

Die NRA – die National Rifle Association (mit 4,3 Millionen Mitgliedern, d. Red.). Wayne LaPierre ist ihr Sprecher. Er ist ein hoch bezahlter Lobbyist. Alles, was er will, ist Waffen zu verkaufen. Egal, wen sie verletzen und wie viele sie töten. Er will sein Gehalt haben. Eine Meinungsumfrage im Juli zeigt, dass selbst drei von vier NRA-Mitgliedern für eine Überprüfung des Hintergrunds bei allen Waffenkäufern sind. Aber die Führung und die Lobbyisten der NRA ignorieren das. Dabei hindern solche Überprüfungen ausschließlich illegale Käufer am Waffenerwerb.

Warum verlangen Sie nicht ein generelles Verbot von Feuerwaffen in Privathänden?

Ich persönlich benötige keine Feuerwaffen. Aber die Realität ist, dass Schießen, Sportschießen und Jagen in dieser Gesellschaft dazu gehören. Ich glaube, das wird noch lange Zeit so bleiben. Wir müssen die erste Hürde nehmen, und die Überprüfungen verbessern. Das ist unsere Tagesordnung.

Sie scheinen zu glauben, dass aus diesem schrecklichen Ereignis an der Sandy Hook Grundschule ein positiver Impuls ausgehen könnte.

Mein Gott. Wir haben 20 erschossene Fünfjährige. Das kann niemand tolerieren. Da wird die Forderung nach Schusswaffenkontrolle immens werden. Seit Juli hatten wir in Amerika die Massenschießerei im Kino in Aurora, dann in dem Sikh-Tempel in Wisconsin, dann sechs Tote in Minnesota, dann eine Schießerei in einem Kurbad mit sechs getöteten Frauen und in dieser Woche eine Schießerei in einem Einkaufszentrum.

Die großen US-Medien sprechen mehr von Prävention und von der Psychologie der Täter, als von Waffenkontrolle.

Einige fortschrittliche Sender haben darüber geredet. Aber natürlich wird es in den nächsten Tagen zunächst darum gehen, was passiert ist und um die Opfer. Aber niemand kann die Notwendigkeit von Waffenkontrolle in dieser Gesellschaft ignorieren.

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15 Kommentare

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  • VP
    ventral Putamen

    @Peter Fassbender, auch meine Zustimmung.

     

    Früher war Hausarrest eine Strafe, heute eine Belohnung.

    Verständlich, was sollen die Kinder in betoniert, neutronbombengeschädigten Städten in denen es um Gentrifizierung, bauen im Bestand und Wohnraumverdichtung geht, schon anfangen. Jede noch so kleine Grünfläche wird der Betrügerökonomie zugeordnet. Konsum über alles.

     

    Während CBG vor Gericht auf Einsicht in Geheimenverträge zwischen Bayer und der kölner Universität klagt, finanziert die EU mit aber zig Milliarden die Pharmaindustrie, Gehirnforschung in eine spezielle Richtung, Psychopharmaka und Neuromarketing. Innovative Medicine Initiative (IMI)

     

    Ausgelöst durch ein Computerspiel mit Stroboskopeffekt sprangen japanische Kinder aus dem Fenster. Der Produzent entfernte diesen Effekt aus der Software. Hollywood übt sich ebenso in der tiefenpsychologischen Beeinflussung.

    "Musik als Waffe" in Guantanamo. Die Doku wird demnächst entweder in ArteTV oder ZDF gezeigt.

     

    Die gesellschaftliche Tragweite der Thematik ist noch lange nicht erforscht.

    Neuromarketing nimmt Kinder ins Visier

    http://www.lifegen.de/newsip/shownews.php4?getnews=2006-05-02-4409&pc=s01

    Deutsch passend, Kinder als Kostensenker

    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1875985/

     

    Standardwerke der Medien und Werbeindustrie, Vance Packard Die geheimen Verführer und Adolfs Hassbuch Kapitel 6, Propaganda.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Neununddrei%C3%9Figneunzig

     

    Industriezynismus: Wenn Eltern nicht auf ihre Kinder aufpassen, haben sie selbst Schuld. Gleichzeitig haften die heutigen Kinder für ihre Eltern. Haftung, Schuld direkt nach der Geburt.

    Statt US-Lehrer, sollten sie lieber alle Kinder bewaffnen. Diese können sich dann das "besorgen" was ihnen die Industrie indoktriniert.

  • MG
    Molly Grue

    @Herr Peter Fassbender.

     

    Vielen Dank für Ihren Beitrag.

    Ich bekenne mich in diesem Fall freiwilligen zu den sogenannten "spiessigen" und "rückständigen" Menschen.

  • V
    vic

    Heute ist Obama für mehr "Schusswaffenkontrolle", was immer das heißen mag.

    Hätte er das vor der Wahl gefordert, hätte er sicher verloren. Das muss man sich mal vorstellen.

  • M
    Marko

    Eine Verschärfung des Waffenrechts in Amerika ist sicher ein notwendiger Anfang, sie kann aber nicht alles sein. Neue oder verschärfte Gesetze im Rahmen einer 'panic legislation' sind auch nur Sand in den Augen der Wähler. Verschärfungen allein sind letztlich nur ein Luxus mit dem wir uns weiterhin leisten können, die wahren sozialen und politischen Gründe zu ignorieren.

    Übrigens ein ganz schlecht aus dem Englischen übersetztes Interview, "sorry".

  • PF
    Peter Fassbender

    Egal was die Amis machen - auch hier sollten die Waffengesetze rigoros verschärft werden. Wer Jäger ist, darf bis zu seinem Ableben scharfe Waffen besitzen. Niemand kümmert sich darum, wenn er senil oder sogar dement wird. Monatelang stehen Waffen in leeren Wohnungen herum, weil der verwitwete Besitzer im Krankenhaus ist. Nach dem Tod eines Waffenbesitzers setzt sich die Behörde erst nach Wochen in Bewegung und schreibt mal ein Briefchen. Hierbei geht es um Kugelgewehre für das Töten aus grossen Entfernungen ebenso wie um Schrotflinten mit nah verheerender Wirkung. Da es fast keinen Markt für gebrauchte Jagdwaffen gibt, und einem auch keiner was erklärt, stehen oft ahnungslose Erben allein mit dem Problem da.

     

    Und bestimmte Videospiele, wie "Call of Duty", haben keine Daseinsberechtigung. Ich kann das relativierende Gerede darüber nicht mehr hören. Wer Zweifel hegt, dass solche Formate, insbesondere im Bezug auf Heranwachsende, extrem gefährlich sind, soll sich mal die Mühe machen, einen derartigen Egoshooter durchzuspielen. In meiner Familie lebt ein Vierzehnjähriger, dessen gleichaltrige Freunde haben zum überwiegenden Teil Online-Accounts von "Call of Duty". Natürlich möchte so ein Junge alles mitmachen, was die anderen machen, und wenn sie sich treffen, setzt der sich bestimmt nicht in die Küche, damit er nichts von dem Spiel mitkriegt.

     

    Weisst man Eltern auf die Problematik hin, wird einem ausgewichen. In der Schule lügen diese Eltern einfach, wenn das Thema in Versammlungen kommt, und privat wird man als spiessig oder rückschrittlich abqualifiziert. Und es gibt sogar junggebliebene Papis, die zocken das Ding mit dem Filius zusammen und fühlen sich gut bei der Dschungelmission seit an seit - die höchste Punktzahl lässt sich übrigens mit dem Abwurf einer taktischen Atombombe erreichen.

  • PA
    Peter A. Weber

    Sicher wäre es ein Anfang, wenn die Waffengesetze in den USA verschärft würden. Das würde aber die bereits in Umlauf befindlichen Waffen auch nicht unschädlich machen.

     

    Außerdem finde ich es sehr naiv, wenn man glaubt, mit einer Gesetzesänderung die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Es sind die Wild-West-Mentalität und die abstrusen Wertvorstellungen vieler US-Amerikaner, die die Gewaltbereitschaft und Kriminalität fördern. Der Weg aus dieser Sackgasse ist lang und beschwerlich - und ich sehe noch nicht einmal einen Lichtstreifen.

  • IB
    IUnd bei uns?

    In Deutschland lief in den 60ern ebenso jemand in einer Schule Amok und tötete Kinder. Mit einer zum Flammenwerfer umgebauten Gartenspritze und einer Lanze. Normalerweise töten in Deutschland Leute mit Messern oder treten tot. Die Lobby welche diese Leute ins Land holt und sie hier behält ist stärker als die NRA in den USA. Die taz ist Teil dieser Lobby. Über den Bombenanschlag in Bonn wird mehr als zurückhaltend berichtet und ein Ende der Politik welche zu tausenden Toten Jährlich führt darf nicht einmal geredet werden. Über den bösen Ami schon.

  • E
    Englischkenner

    Was ihr als "Hochleistungsmagazine" übersetzt habt war im original warscheinlich "High-Capacity Magazines", das sind aber keine Hochleistungsmagazine sondern magazine mit mehr als 10 Schuss Munition (bei einigen Gewehren bis zu 100).

  • C
    Che

    Wer Waffen will - bekommt welche ! Anti-Waffen-Gesetzte sind nur für Dumme u. zur Beruhigung für korrupte u. gierige Politiker, die Angst vorm "Galgen" haben !

  • I
    irmi

    Weil das Geschäft mit den Waffen so einträglich ist, darum gibt es so viele Waffen, vor allem in den USA.

    Mit Krieg ist ein sehr gutes Geschäft zu machen, darum wird es immer wieder Kriege geben. Immer mehr neue und verheerendere Waffen werden hergestellt und exportiert um noch mehr Geld zu machen um noch mehr Menschen und unschuldige Kinder töten zu können, um die Kriege schön am Laufen zu halten.

     

    Durch Waffenhandel weltweit sterben Millionen Menschen auch Kinder. In den Nachrichten wird über Tage und Wochen berichtet über so viele tote Kinder, doch wer berichtet im Fernsehen über Tausende toter ebenso unschuldiger Kinder des Kongo ? Sind das Leid und der Tod der Kinder in anderen Ländern es wert zu berichten nur nicht über die toten Kinder des Kongo ?

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Ich habe den Verdacht, dass eine immer größer werdene Gruppe in den USA die Waffen behalten will, weil sie erwarten, ihre Regierung mit Gewalt stürzen zu müssen…

  • BI
    Bertram in Mainz

    Jetzt schimpfen wir zurecht über die amerikanischen Waffengesetze. Aber was haben wir oder unsere Kinder auf dem Wunschzettel für Weihnachten? Spielzeugwaffen? Star-Wars-Figuren? Ein neuer Computer, damit die aktuellen Kriegsspiele flott laufen? Das Problem ist nicht neu. Früher spielten Kinder mit Zinnsoldaten und Holzgewehren. Dieser Waffenwahn ist in uns wohl tiefer verankert, als mancher wahr haben will.

     

    Gibt es keine Abenteuer ohne diesen dummen Kampf der Guten gegen die Bösen? (Wobei seltsamerweise die "Guten" und die "Bösen" gar nicht so verschieden sind.) Doch, eines heißt "Curiosity" und befindet sich auf dem Mars. Ich schaute gerne die Star-Trek-Filme an. Nicht Star-Wars! Bei Star-Trek gibt es auch Waffen. Aber die Einstellung dazu ist ganz und gar anders. Waffen werden nur als letztes Mittel eingesetzt. Waffengebrauch gilt eher als verpönt. Na also, geht doch ;-)

     

    Müsste ich Weihnachtsgeschenke für Kinder aussuchen, hätte ich wohl wenig Glück. Interessanter Uhren-Bausatz, Mikroskop, diverse Experimentierkästen, Lernsoftware, Lexika, Kamera, Weltempfänger ;-)

    Ich fürchte, außer der Kamera würde nicht viel davon benutzt ;-(

  • T
    T.V.

    "Beten hilft", ach ja, darum ändert sich wohl nichts.

  • O
    Ott-one

    Nach dem Amoklauf ist vor dem Amoklauf.

    Solange Lobbyisten das Sagen haben, ändert sich sowieso nichts. Auch für andere Sachen aussagekräftig.

    Die Politiker brauchen Lobbyisten und umgekehrt.Und ausgemusterte Politiker werden zu Lobbyisten.

    Dem einen bleibt der Profit, dem anderen das Leid der Betroffenen, wie gerade geschehen in den USA.

    Wer eine Waffe besitzt, setzt diese auch irgendwann mal ein, nicht nur in den USA.

  • BI
    Bertram in Mainz

    Es gibt den Satz:

    "Nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen."

     

    In einem Forum las ich mal die passende Antwort dazu:

    "Das ist doch ein Argument, den Menschen keine Waffen zu geben."