: Wählen kann wohl jedeR
■ betr.: Amnestieforderungen von Gefangenen (Knastbriefseite), taz vom 17.10.90
betr.: Amnestieforderungen von Gefangenen (Knastbriefseite),
taz vom 17.10.90
Zur Zeit finden ja unterschiedliche Aktionen, hauptsächlich von Gefangenen selbst, bezüglich einer Amnestie für Strafgefangene wegen der sogenannten Wiedervereinigung statt. Die Forderung selbst ist natürlich begrüßenswert! Ob die verschiedenen Aktionen auch begrüßenswert sind, ist zumindest als zweifelhaft anzusehen, wenn diese gewalttätig verlaufen.
Von wem die Gewalt dabei ausgeht, Justiz etc. oder Gefangenen, ist primär unerheblich, denn in der Bevölkerungsmehrzahl herrscht wohl die Meinung vor, daß „Terror“ nur von den sowieso gewalttätigen Gefangenen ausgeht. Die (Sensations-)Medien tragen ihren meinungsmachenden Teil dazu bei.
Aus diesem Grunde wird es die kleine Lobby, die eine Amnestie unterstützt, schwer haben, ein breiteres öffentliches Interesse (so widersinnig der Ausdruck in diesem Fall auch ist) zu finden beziehungsweise aufzubauen. Das aber ist meines Erachtens einer der wichtigsten Aspekte, denn von den Betroffenen selbst nehmen sich die sogenannten Verantwortlichen kaum etwas an (die teilweise Verschlechterung der Haftbedingungen hat es gezeigt).
Es besteht aber die Möglichkeit, für jeden Einzelnen, die Basis der Lobby durch die bevorstehenden Bundestagswahlen zu stärken: Und wählen kann wohl jeder (Briefwahl). Ein weiterer negativer Aspekt für eine Amnestie ist auch die momentane politische Situation (Wahlergebnisse) im Lande. Auch aus diesem Grunde ist von den politischen Verantwortlichen nichts zu erwarten.
Meines Erachtens gilt es daher, eine Basis zu schaffen beziehungsweise zu stärken, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich für Minderheiten einzusetzen und deshalb für ein umfassendes Amnestiegesetz sowie eine Strafvollzugsreform einzutreten.
Das alles soll aber nicht heißen, daß sich nicht jeder der Betroffenen selbst aktiv für diese Ziele einsetzen soll. Im Gegenteil, es soll hier nur noch an eine weitere (demokratische) Möglichkeit erinnert werden, denn nichts ist schlimmer für etablierte Politiker, als der Stimmenverlust beziehungsweise die „Wahlschlappe“! Dann fangen auch diese Leute wieder an zu denken.
Und nichts ist einfacher als (richtig) wählen! Man muß es nur tun, und nicht nur den „anderen“ überlassen. Es gilt auch nicht der hohle Spruch: „Die paar Stimmen werden nichts ändern“, oder „eine mehr oder weniger...“ Horst Sterna, Moers
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