■ Teilabriß des Zollernhofs: Wacklige Tradition
Als im vergangenen Jahr Befürchtungen über einen „Kahlschlag in Mitte“ laut wurden, wurde allenthalben nach einer Verbesserung des Denkmalschutzes gerufen. Seit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes im Mai dieses Jahres gibt es in Berlin nun fast 10.000 Baudenkmale. Daß freilich auch die Eintragung im Denkmalbuch nicht vor dem Abrißbagger schützt, zeigt der Zollernhof. Wenn es darauf ankommt, das heißt, wenn der Investor nur attraktiv genug ist, wird die Attraktivität eines Denkmals geopfert. Die Begründung des Senats für den Abriß weiter Teile des Zollernhofs ist verräterisch, weil sie deutlich macht, daß im Zweifel nicht der Senat die Berliner Mitte gestaltet, sondern das Verwertungsinteresse der Investoren. Das wird auch daran deutlich, daß die vom Senatsbaudirektor Stimmann als Losung ausgegebene Tradition des „steinernen Hauses“ nur so lange gut ist, wie sie als Granit- und Sandsteinverkachelung auf die neugründerzeitlichen Betonplatten angehängt wird. Abgesehen davon, daß die steinerne Tradition von vielen Kritikern ohnehin in Zweifel gezogen wird, sind vom ursprünglichen Typ dieses Büro- und Geschäftshauses nicht mehr viele Beispiele erhalten. Eines der wichtigsten davon ist der Zollernhof Unter den Linden. Ihn zu opfern bedeutet nicht nur einen Kniefall vor dem Investor, sondern auch das Eingeständnis, daß die Friedrichstädter Architektur eine überaus wacklige und zudem disparate Angelegenheit ist: außen ein geschichtsloser Verweis auf eine zweifelhafte Tradition, innen eine überaus moderne, will heißen monotone Investorenlandschaft. Uwe Rada
siehe auch Seite 23
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