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Wacken-Festival versinkt im SchlammDer Woodstock-Effekt

Die Leitung des legendären Metal-Festivals schließt die Tore. Doch für die Happy Few, die es hingeschafft haben, soll Wacken trotzdem stattfinden.

Mudhoney spielen trotzdem nicht: Schlamm in Wacken Foto: Christian Charisius/dpa

Metalheads sind atheistische Trolle, aber einige beginnen gerade, an ihrer metaphysischen Enthaltsamkeit zu zweifeln. Kaum hatten die Verantwortlichen des Wacken Open Air nämlich den nächsten peinlichen PR-Vogel abgeschossen und angekündigt, im Zuge der „Lemmy Forever“-Feierlichkeiten die Asche der alten Wanderwarze von Motörhead einzufliegen, um den Holy Ground damit symbolisch zu düngen, da traf sie der Fluch der Metalgötter, und das Festival begann von jetzt auf nun zu kippen. Wer da noch an Zufälle glaubt!

Geregnet hatte es schon ein paar Tage zuvor, und zwar landesteiltypisch – für Nichtinformierte: Wacken liegt in Schleswig-Holstein – wie aus Eimern, aber als dann die ersten Gäste-Pkws im holsteinischen Sumpf bis zu den Rückspiegeln versanken, schlug die W.O.A.-Kommandozentrale Alarm. Man möge besser zu Hause bleiben. Das hört ein Fan natürlich nicht so gern, wenn er 300 Euro für ein Ticket abgelatzt und seinen Jahresurlaub auf die erste Augustwoche gelegt hat.

Aber Metalheads sind vernünftig, Argumenten aufgeschlossen, und wo gefeiert wird, ist ohnehin egal. Also trafen sich Hunderte Wackengänger am Parkplatz des Hamburger Volksparkstadions, warteten auf günstigere Winde und tranken die Bestände leer.

Doch die Schlangen wurden länger und länger, weil alle weiteren Gefährte, vor allem SUVs, Wohnmobile und Campinggespanne, nur noch mit dem Trecker aufs Gelände gezogen werden konnten. Die umliegenden Gehöfte schickten ihre Erstgeborenen, und mit Überstunden und vereinter Bauernpower gelang es, die Early Metalbirds auf die Weide zu schleppen.

Schicksalsgemeinschaft

Die Stimmung blieb erstaunlich gut, wie immer, wenn schwierige äußere Umstände ein Kollektiv zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißen, und das dann noch in der „Tagesschau“ zu sehen ist. Das ist der Woodstock-Effekt. Man weiß, dass es legendär wird und man hinterher eine grandiose Geschichte erzählen kann. Das macht viel Unbill wett.

Aber als die sich weiter verdichtenden Besucherströme den Verkehr auf den idyllischen Dorfstraßen zum Erliegen brachten, zogen die Veranstalter die erste Notbremse. Die Anreise mit dem Auto wurde bis Festivalende untersagt. Die Szene vermutete sofort regresstaktische Erwägungen. „Na klar“, erklärte mir ein befreundeter Metal-Hammer-Autor, „so können sie immer noch sagen, ihr hättet ja mit der Bahn kommen können, und müssen die Tickets nicht zurückzahlen.“

Aber die Maßnahme brachte nicht die gewünschte Entspannung, zumal man für die nächsten Tage weitere schwere Regenfälle erwartete. Sarkastische Memes fluteten die einschlägigen Kanäle, zum Beispiel das mit dem kleinen Racker, der den Stinkefinger zeigt: „Petrus, iss ein Snickers!“

Apokalyptica

Es half nichts, am frühen Mittwochmorgen erging ein genereller Einlassstopp, weil die Festival-Infrastruktur nach Meinung der Verantwortlichen sonst zum Erliegen gekommen wäre. Es sollen ja noch Bands spielen. Außerdem gilt weiterhin Paragraf 1 des Metal-Codex: „Die Versorgung der Metalheads mit kühlen Getränken muss gewährleistet bleiben!“

Befreundete Schreiber von der Spartenpresse sind Mittwochfrüh losgefahren und wurden ohne große Aufregung auf eine noch halbwegs leere, saftig grüne Wiese geleitet. Nur das Infield, da wo die Live-Action ist, mutete apokalyptisch an. Erinnerungen an alte Karl-May-Filme wurden wach.

Andererseits waren die Wettervorhersagen relativ eindeutig und solche Schlammfestspiele in den vergangenen Jahrzehnten auch keine Seltenheit. Hat so ein traditionsreiches Festival keinen Notfallplan? Und lernt man dort gar nichts aus überstandenen Katastrophen?

Ich kann mich noch erinnern, wie man einmal gewaltige Mengen Stroh, Holzschnitzel und Katzen­streu ausgefahren hat und keine 30 Gäste wegschicken musste – schon gar keine dreißig- bis vierzigtausend. Es sind ja nicht die Metalheads, die immer weicher werden, sondern die Festivalpatrone, die ihnen eine Woche Boot Camp nicht mehr zumuten mögen.

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11 Kommentare

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  • Ich war 1970 auf der Isle of Wight dabei. Nur durch einen Hügel vom Meer getrennt - Jimi Hendrix' vorletzter Auftritt ! RIP; Jimi. Wetter war prima.



    Unvergesslich.

    www.dailymotion.com/video/x75ymcv

  • Würdest du für den Metal sterben? Wobei die Frage hier an den Veranstalter lautet: Würdest du für den Metal den Knast riskieren?



    Weil um nichts anderes geht es hier. Lässt man trotz Kenntnis der Lage weiter Leite aufs Gelände und einem passiert was und der klagt heißt es Adios Amigo. Ist halt die Frage, was einem der Metal wert ist

  • Open-Air-Festivals.

    Etwas, wovon wir (also die jüngeren hier) unseren Enkeln erzählen können. Und die werden es nicht glauben: "wie? Zehntausende Menschen, tagelang unter freiem Himmel? Bühnenaufbauten die bei Windstärke 8 zu tödlichen Geschossen werden?"

    Die Frage ist nicht, ob es so etwas in 50 Jahren noch geben wird, sondern wie viele "Starkwetterereignisse mit Personenschaden" ein Festival treffen müssen, damit niemand mehr eine solche Veranstaltung versichert.

    Die Zukunft gehört eher den Pop-up-Konzerten und mobilen Soundystems.

  • Hola Frank - mach Sachen!

    Wacken & Schlomm?! Wat kunn angahn! Wo geit dat tosòòm!



    Jung. Wacken liegt doch auffe Geest - sprich “fliegende Marsch“!



    Will sagen - arme Leute Gegend! Weil.



    Weil! Der Boden unergiebig &!! sie dort das Wasser nicht halten können!



    “Der sandige Geestboden ist weniger fruchtbar als die Böden des Marsch- und des Hügellandes.“



    Liggers. Das will ich beim Barte meiner Altvorderen aus dem



    Quellgebiet der Bille wohl meinen!



    Und vor allem - die letzte mir bekannte Niederschlagsststatistik:



    In den vergangenen zehn Jahren hatte es die Hälfte!!



    Der Niederschlagsmengen - der zehn Jahre zuvor!



    Und wer is dabei jümmers besonders arm dran&ab?!



    Na der na logo dünnbesiedelte Nord-Süd verlaufende schleswig-holsteinische Geestrücken! “Wenngleich die Böden nicht besonders fruchtbar sind, bietet die Geest mit ihrer Landschaft eine authentische norddeutsche Landschaft: grün, weit und abwechslungsreich. Pflanzen und Tiere haben sich an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst und kommen mit den kargen Bedingungen bestens zurecht.“ Schonn. Ever snakk du nur! But.



    Und Däh - ich muß mich schon sehr wundern & Wacken mittenmang dabei!



    Ach so! “Es sind ja nicht die Metalheads, die immer weicher werden, sondern die Festivalpatrone, die ihnen eine Woche Boot Camp nicht mehr zumuten mögen.“



    Ach was! ©️ Vagel Bülow - un Natalije - un nu komms du!

    kurz - fehlte da die ordnende Hand der gestandenen Altmetaller?!



    Liggers. Fragen über Fragen!



    Nee! Frank - das kann doch noch nicht das letzte Slam-Wort sein!



    U. A. w. g.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      "Dunst ist die Welle,



      Staub ist die Quelle!



      Stumm sind die Wälder,



      Feuermann tanzet über die Felder!"



      Dat is Eckeneckepenn.



      Dei geit woanners hen.



      Storm un Regen.in Wacken..



      www.projekt-gutenb...ntrd/regentrd.html

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Booey - de Jung von achtern Diik!



        Lese immer gern und wieder -



        Was von einem meiner Mitschüler;)



        Bei einem anderen geht mir das nicht so



        Wieder anders bei dessen Bruder!;)



        Mann o Mann!;))

        unterm—- Theodor Storm



        “Mit vier Jahren kam Storm in die Klippschule*.… 🙀🥳 -



        Von 1826 bis 1835 besuchte er die Husumer Gelehrtenschule. Anschließend schickte ihn sein Vater für drei Semester auf das neuhumanistische Katharineum zu Lübeck, damit er dort seiner Schulbildung „die letzte Politur geben“ könne.…



        wurde Storm in Lübeck „in den ganzen Kreis der neuen Bildung eingeweiht“, wie er in einem späteren Brief an Ada Christen bemerkte. …(zum) 70. Geburtstags lobte Storm seinen Vater dafür, ihn vor dem Studium für anderthalb Jahre auf das Katharineum geschickt zu haben, das „unter Jacob und Classen in höchste Blüte“ gestanden habe. Dort habe er „höhere Luft“ atmen und „bedeutendere Menschen“ treffen können. Friedrich Jacob (1792–1854), der Direktor der Einrichtung, und der junge Lehrer Johannes Classen (1805–1891) beeindruckten ihn durch ihre Persönlichkeit und erweiterten auch außerhalb der Einrichtung seinen Bildungshorizont mit lateinischen Studien oder der gemeinsamen Lektüre deutscher Dramen. In dieser Stadt lernte er den Philosophen Ferdinand Röse kennen, der ihn unter anderem mit Eichendorffs Lyrik und Heines Buch der Lieder bekannt machte.“



        Tja - das waren noch Zeiten am -



        🐈‍⬛ 🐈 Museum - ehe Hans Blumenberg sei Abirede 1939 nicht selbst halten konnte - zum 25. & sogar zum 50. Abi von seinen braunen Mitschülern angefeindet wurde und Lübeck nie wieder betrat.

        * de.wikipedia.org/wiki/Winkelschule



        „Das ist Klippschule“: Das sollte eigentlich Grundlage sein, darüber braucht man nicht mehr zu reden.



        „Klippschulwissen“: elementares …häufig noch mit Verständnisfehlern durchmischt



        „hier geht’s ja zu wie auf der Klippschule“: Es herrschen pädagogisch erbärmliche Zustände; für die Vermittlung von Respekt wird mehr Aufwand getrieben als für die Vermittlung von Inhalten.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "den Verkehr auf den idyllischen Dorfstraßen zum Erliegen brachten...", ??? Das wirkte am Montag bis auf die Autobahnen und Bundesstraßen. In SH gibt's nicht nur Dorfstraßen.



    Verkehrschaos im Großraum IZ - wie bei Brokdorf 1976. #LGvdK hätten es nicht besser gekonnt als die Klimagötter*innen.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Liggers IZ = Itzehoe un Schiller dorto:



      Der Jäger Peter aus Itzehoe

      Der erste Jäger, der lange Peter aus Itzehoe, der wer weiß wie oft den Dienst gewechselt hat, repräsentiert die Abenteurer und Glücksritter, die sich in großer Masse besonders in dem Holkschen Corps fanden. Obwohl dem Schreibepult entlaufen, legt er doch einen gewissen Wert auf Lesen und Schreiben. Sonst aber ist ihm das zügellose Leben sein eigentlicher Lebensgenuss. Die lockende Aussicht auf Beute eine Veranlassung, mit Geringschätzung auf den Bürger herabzublicken. Ihm zu Seite steht der Dragoner aus dem Buttler‘schen Regiment, ein unzuverlässiger Charakter, der eben auch nur des Glückes Stern folgt.“ voll den Wagner - wa!



      & Och!



      Jedoch Jedoch Karlsruhe in sei Brokdorf



      Beschluß einst befand!



      Versammlungs&Meinungsfreiheit - 🙀🥳 -



      Sind der Demokratie - Unterpfand!“ 👍🏻 •

      unterm——servíce —



      www.friedrich-schi...ns-lager-schiller/



      &



      de.wikipedia.org/w...Brokdorf-Beschluss



      & Hola =>



      Präsi Roman Herzog - der Rucker der Nation - Schon:



      Entblödete sich anschließend nicht dazumaul!



      Der FAZ - kräftig übers Maul! 👍🏻👍🏻👍🏻 •

  • Es sind lt. Polizei (SHZ) rund 50.000 auf dem Wackengelände, das sind nicht Few, aber sie werden Happy sein.

    • @Ein anderer Blick:

      Das wage ich zu bezweifeln. Man kommt da nämlich auch nicht mehr weg. Zumindest nicht mit dem Auto.



      Das dürfte intressant werden, wenn die trockenen Klamotten ausgehen.

  • Ca. 50.000 (von 70.000 möglichen) Fans sind doch in Wacken. Kann losgehen. Das bisschen Schlamm spornt an. :-)