WM-Vergabe 2006: DFB setzt Beckenbauer unter Druck
Nach dem Rücktritt von DFB-Chef Niersbach bringt die Verbandsspitze Beckenbauer in Bedrängnis. Sie fordert schnelle Aufklärung im Deal um die WM-Vergabe.
Ligapräsident Reinhard Rauball und Rainer Koch, die sich vorübergehend den DFB-Chefposten teilen, hatten am Dienstag den Druck auf Beckenbauer deutlich erhöht. Durch die Bekanntgabe, dass sich die Unterschrift des Fußball-Kaisers auf einem Dokument findet, in dem vier Tage vor der Abstimmung dem inzwischen wegen Korruption gesperrten FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner „diverse Leistungen“ zugesagt werden, gerät Beckenbauers bisherige Verteidigungslinie ins Wanken. „Es wurden keine Stimmen gekauft“, hatte der 70-Jährige betont und ansonsten kaum Erhellendes mitgeteilt.
Zwar stand Beckenbauer am 26. Oktober den externen DFB-Ermittlern der Kanzlei Freshfields Antwort, offenbar aber längst nicht zur Zufriedenheit der Verbandsspitze. „Vor allem bei Herrn Beckenbauer haben wir den Eindruck, dass er noch nicht in ganz vollen Umfang sein Wissen vollständig mitgeteilt hat, und wir würden uns freuen, wenn er dies nachholen würde“, sagte DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel dem MDR. Ähnlich hatten sich zuvor auch Rauball und Koch geäußert.
Dies wirft die Frage auf, wie viele dunkle Geheimnisse die DFB-Führung nach dem Rücktritt von Präsident Wolfgang Niersbach noch im Skandal um das Sommermärchen vermutet. „Es gibt sicherlich noch an der ein oder anderen Stelle Dinge, die in der Summe kumuliert dazu geführt haben, dass Wolfgang Niersbach seine Entscheidung so getroffen hat, wie er sie getroffen hat“, sagte Jurist Rauball und nährte damit den Verdacht, dass das Ende der Enthüllungen noch nicht erreicht ist.
In Bedrängnis
Offen ist, ob Beckenbauer noch einmal von den Freshfields-Ermittlern vorgeladen wird, um über die verdächtigen Absprachen mit Warner Auskunft zu geben. Inhalt des Vertrags seien zwar „keine direkten Geldleistungen“ gewesen, sondern unter anderem Vereinbarungen über Spiele, Unterstützung von Trainern beim Kontinentalverband CONCACAF oder Ticketzusagen für WM-Spiele an Warner selbst, sagte Koch. Es ist auch unklar, ob der Deal in Kraft getreten sei.
Dennoch: Allein die Absprache mit Skandalfunktionär Warner, der vom Weltverband FIFA inzwischen lebenslang gesperrt wurde, bringt Beckenbauer schwer in Bedrängnis. Warner gilt als eine der korruptesten Figuren im Weltfußball und wurde von den FIFA-Ethikern als „Drahtzieher von Systemen, die die Gewährung, Annahme und den Empfang verdeckter und illegaler Zahlungen beinhalteten“ bezeichnet.
Nun muss sich zeigen, ob die jahrzehntelange Lichtgestalt des deutschen Fußballs eine plausible Erklärung für sein Handeln vor der WM-Vergabe hat. Dazu aber müsste Beckenbauer zunächst sein Schweigen brechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?