WM-Nachlese im Bundestag: Fußballfeste und ihre Lobbyisten

Die CDU/CSU-Fraktion hat Fragen zum Stadionbesuch der deutschen Innenministerin bei der WM in Katar, weil Sport nichts mit Politik zu tun haben soll.

Nancy Faeser trägt im Stadion in Katar eine Armbinde

Ärgernis für die Opposition: Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit One-Love-Binde in Katar Foto: Tom Weller/dpa

Die CDU/CSU-Fraktion wollte jüngst per Kleiner Anfrage von der Regierung etwas ganz Wichtiges über die Fußball-WM in Katar wissen: „Inwiefern stimmte sich die Bundesinnenministerin im Vorfeld des Spiels Deutschland–Japan mit Vertretern des DFB hinsichtlich der Entscheidung ab, die ‚One Love‘-Binde zu tragen?“

Dass hinter dieser parlamentarischen Initiative die zwar absurde, mittlerweile aber DFB-offizielle Haltung steckt, dieser Homokram sei verantwortlich für das frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der WM, darf man mit guten Gründen vermuten. Die AfD war schon vorher auf den Unfug gekommen und hatte im Dezember das Gleiche angefragt: „Gab es im Vorfeld des Fußball-WM-Spiels Deutschland gegen Japan am 23. November 2022 Gespräche oder Konsultationen zwischen dem DFB oder Verantwortlichen der deutschen Fußballnationalmannschaft mit Vertretern des Bundesinnenministeriums über das Tragen der sogenannten One-Love-Binde?“ Mit solchen Fragen das Parlament zu nerven, das ist für diese Leute Sportpolitik.

Ressentiments gegen die LGBTQ+-Community eint beide politische Parteien, obwohl beide durchaus schwules und lesbisches Spitzenpersonal haben. Auch die reaktionäre Vorstellung, der Fußball sei etwas, das rein gar nichts mit den Geschehnissen auf dieser Erde zu tun habe, haben AfD und CDU/CSU gemeinsam.

Die stellen sich den Sport als eine eigene Welt vor. Einzig dazu geschaffen, damit deutsche Mannschaften besser sind als andere. Wenn aber doch einmal etwas passiert, das nicht in diese dumpfe Vorstellung passt, dann sagen sie: Das hat mit Sport nichts zu tun, das sind Bilder, die wir hier nicht sehen wollen, man darf Politik nicht mit Sport vermischen. Politik ist nämlich pfui und Sport ist hui. Dass CDU/CSU und AfD ganz unbestreitbar Politik sind, merkt bei denen scheint’s keiner.

Sorge wegen der Scheichs

Während es die AfD aber nur schlimm findet, dass sich jemand um Menschenrechte von Queeren kümmert, hat die Union zudem die Sorge, dass der Exportnation jemand in die Quere kommen könnte. Deswegen hatte sie noch diese Frage an die Regierung: „Auf wessen Idee beruhte die Auswahl eines Museums, das der Geschichte der Sklaverei gewidmet ist, als Veranstaltungsort für ein laut Medienberichten ursprünglich beabsichtigtes Treffen mit Vertretern der Gewerkschaftsorganisation ILO zur Situation der Wanderarbeiter in Katar?“ Schließlich könnten die Scheichs das nicht gut finden, fürchtet die Union.

Die Bundesregierung antwortete, der Ort des Treffens sei in Absprache mit der Internationalen Arbeitsorganisation gewählt worden, und ganz nebenbei muss die Regierung auch noch die Außenhandels- und Fußballexperten der CDU/CSU belehren, dass die ILO keine Gewerkschafts-, sondern eine Organisation der UNO ist.

Selbstverständlich kann man Frau Faesers Aktion, die One-Love-Binde zu tragen, kritisieren. Etwa, dass sie bloße Symbolpolitik ist, und schon der Umstand, dass diese Binde explizit so etwas wie eine Entschärfung der ursprünglich avisierten Regenbogenbinde darstellt, sollte für Kritik sorgen. Und dass in der One-Love-Debatte die Situation der migrantischen Arbeiter und Arbeiterinnen etwas untergegangen ist, darf ruhig auch erwähnt werden.

Aber all das wäre ja schon eine ernstzunehmende politische Betrachtung des Mega-Events Fußball-WM. Wie falsch eine solche jedoch ist, wird uns spätestens nächstes Jahr wieder erklärt werden, wenn wir zur Männer-EM in Deutschland nicht nur von CDU/CSU/AfD, sondern auch von der Ampel-Regierung hören werden, dass dies ja ein fröhliches Fußballfest ist, das so rein gar nichts mit Politik zu tun haben darf. Oder schon diesen Sommer, wenn die Frauen-WM von Saudi-Arabien gesponsert wird. Ich freu mich jetzt schon drauf.

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Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989

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