piwik no script img

WM-Enttäuschung in SüdafrikaTristesse statt Tröten

Südafrikas Fans beginnen der WM den Rücken zu kehren. Afrika verliert, es ist kalt, man bleibt lieber zu Hause, und Fußball fristet sein übliches Schattendasein

Viel Platz auf den Fan-Fest-Plätzen der Fifa. Bild: dpa

Wenn die Bafana Bafana am Dienstagnachmittag in Bloemfontein gegen Frankreich spielen, dann wird auch über die Zukunft dieses Turniers entschieden. Südafrika könnte als Gastgeber bereits in der Vorrunde scheitern. Das hat es in der Geschichte der Fußball-WM noch nie gegeben. Viele Fans im Land rechnen mit dem frühen Aus.

Aber es ist ja nicht nur Südafrika, auch die mit dem Versprechen auf verheißungsvolle Spiele angetretenen Kameruner, Ivorer, Algerier und Nigerianer haben die afrikanische WM, wie sie vom Fußballweltverband Fifa angepriesen wurde, zu einer WM des afrikanischen Versagens und des Katzenjammers gemacht. Zu Beginn, ein paar Tage lang, herrschte Bombenstimmung. Dann folgte Enttäuschung und Depression - und schließlich, so ist zu befürchten, gähnendes Desinteresse.

Angetreten mit den hochtrabenden Zielen, die beste WM überhaupt auf die Beine zu stellen und ein zerrissenes Land zu einen, fällt die Halbzeitbilanz recht nüchtern aus: Das Vuvuzela-Getröte ist abseits der Stadien fast völlig verstummt, der Taumel der ersten Tage vorüber. Straßenhändler mit WM-Devotionalien klagen über Absatzprobleme. Die Stadien, vor allem jene in der Provinz, scheinen von Tag zu Tag leerer zu werden. Auf dem Schwarzmarkt sind immer billigere Tickets zu haben.

Die WM hat sich mehr und mehr aus den Köpfen der Südafrikaner geschlichen. Nach einer Pleite gegen Frankreich könnten zwei Parallelwelten entstehen: hie die WM, dort der Alltag der Südafrikaner. Überschneidungspunkte? Kaum noch. Es ist fraglich, ob sich Begeisterung verordnen lässt, wenn alle Welt um den Pokal spielt, nur Afrika nicht.

Wie sehr sich das Bild geändert hat, lässt sich auf dem Fifa-Fanfest in Centurion studieren. Im riesigen Rund des Super Stadium, in dem normalerweise Cricket gespielt wird, verlieren sich etwa 200 Zuschauer. Auf zwei Riesenbildschirmen läuft die Partie Italien gegen Neuseeland. Zum WM-Auftaktspiel tobten hier noch 15.000 Fans herum, der platt getrampelte Rasen zeugt vom Vuvuzela-Exzess der ersten Tage. Doch jetzt ist hier tote Hose, Tristesse pur. Am Wetter kann es nicht liegen, die Sonne scheint strahlend. Bier- und Eisverkäufer warten auf Kundschaft.

Unbeteiligt sieht Elias Tlakala, 36, auf das Häuflein von Fans herab, das gerade den 1:1-Ausgleich der Italiener bejubelt. Er ist für die Elektrik beim Fanfest zuständig. Der Fan der Kaizer Chiefs spricht unverhohlen über seine Enttäuschung: "Es ist nicht so toll, was hier abgeht, nämlich fast gar nichts mehr." Seine Landsleute hätten die Hoffnung verloren nach dem Spiel gegen Uruguay. "Schauen Sie sich das doch hier an", schimpft er, "die paar Leute, das ist doch beschämend. Beim Auftakt hat man kaum einen Platz vor den Leinwänden bekommen."

Am Abend, sagt Tlakala, sei es noch schlimmer, "dann fliehen alle vor der Kälte und der Dunkelheit". Totentanz ist dann angesagt auf dem Fifa-Fanfest. Für Martha Mazibuko ist das eine kleine Katastrophe. Sie wollte hier ein Geschäft machen mit ihrem kleinen Stand, auf dem Mützen, Schals und Handschuhe liegen. 350 Rand, ungefähr 35 Euro, musste sie an Standgebühren bezahlen, viel Geld für die Frau aus dem Township Soshanguve nördlich von Pretoria. "Ich habe heute noch nichts verkauft", sagt sie, "ich hoffe, dass es besser wird." Es müsste schon ein kleines Wunder geschehen, dass Martha Mazibuko am 11. Juli nach dem WM-Finale mit einem Plus nach Hause fährt.

Auch in Soweto ist die Stimmung am Boden. Das Areal, das man zum Public Viewing ausgesucht hat, mit schönem Blick auf das Stadion der Orlando Pirates, ist verweist. Auf einer Großleinwand läuft das Match der Niederländer gegen Japan. Es sind mehr Ordner zu sehen als Fans. Auch hier: wunderbarer Sonnenschein, beste Voraussetzungen für eine große Fußballparty. "Ich weiß auch nicht genau, woran es liegt", sagt Elias Tlakala, "eigentlich sind wir schon eine Fußballnation, die Stadien der Chiefs und der Pirates sind ja immer ganz gut voll", sagt er. Was er verschweigt: Wenn Maritzburg United gegen die Mpumalanga Black Aces spielt, dann will das auch kaum ein südafrikanischer Fan sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!