WAHLKAMPF IN ZEITEN DER REAKTORKATASTROPHE: Mit Ausstieg auf Stimmenfang
Auch CDU und Teile der FDP trommeln nun für den Atomausstieg. "Total unglaubwürdig", finden die Grünen. Sie wollen als "Original" auf die selbe Karte setzen
Ein wenig klang die Grünen-Spitze wie die CDU. "Wir wollen die Ereignisse in Japan nicht für die Wahl nutzen", sagte Landesvorsitzende Susan Mittrenga zur Vorstellung ihrer Wahlkampagne.
Das darf bezweifelt werden. Schließlich sei der "Atomausstieg einer der Gründe, warum es die Grünen überhaupt gibt", so Umweltsenator Reinhard Loske. Und so wird "der schnellstmögliche Atomausstieg der rote Faden in unserem Wahlkampf", sagte Bürgerschafts-Vizepräsidentin Karin Mathes. Das Haupt-Wahlplakate zeigt ein AKW, darüber steht "Alles muss aus". Dazu wollen die Grünen am Tschernobyl-Jahrestag das AKW Unterweser umzingeln. "Das haben wir uns alles schon im Januar ausgedacht", sagt Mathes. "Ich habe nicht das Gefühl, dass wir etwas ausnutzen." Sie frage sich angesichts der Bilder aus Japan eher "warum wir das nicht früher geschafft haben." Angst, Profil zu verlieren, habe man nicht. Zur SPD gebe es "gewaltige Unterschiede", sagt Loske. Beim Atomausstieg ziehe man allerdings "an einem Strang", während CDU und FDP "total unglaubwürdig" seien. Das wüssten auch die Wähler, glaubt Mittrenga. "Wir sind das Original."
Das nun populäre Feld des Atomausstiegs überlässt ihnen die Konkurrenz jedoch nicht. Einen "nationalen Kraftakt für die Energiewende" forderte CDU-Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann. "Die sieben abgestellten Reaktoren können nur der Anfang sein. Es gibt keinen Grund, sie wieder in Betrieb zu nehmen."
Das sieht auch der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Mark Ella so. In der FDP gebe es "viele Mandatsträger", die gegen Atomkraft seien. "Leider sind diese Einzelstimmen bisher nicht stark genug." Die Laufzeitverlängerung, zu der seine "Berliner Kollegen sich unter dem Druck von CDU und CSU haben hinreißen lassen", sei "ein Fehler, der zurückgenommen werden muss." Ella will deshalb nun eine Forum "Liberale gegen Atomkraft" gründen. Das seien "private Aktivitäten", sagte der Landesvorsitzende Oliver Möllenstädt. "Wir sind nicht gegen diese Aktivität." Auch er sei für den Ausstieg, die Frage sei nur, "mit welcher Geschwindigkeit" der möglich sei. "Herrn Ellas Meinung ist nicht meine Meinung", stellt hingegen der Bundestagesabgeordnete Torsten Staffelt klar. "Ich betrachte es nicht als meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass wir in Deutschland stundenlange Stromausfälle haben."
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